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2.6 Bildikonen

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Spektakuläre und unterhaltsame Bilder verfügen bei der Aufnahme und Wahrnehmung der Rezipienten über einen Aufmerksamkeitsvorsprung gegenüber verbalen Informationen und den konventionellen Bildritualen, um eine Themenkarriere zu machen. Es haben sich Bilder im Kopf (Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland 2009) im kollektiven Gedächtnis eingeprägt, die zentrale politische und historische Ereignisse dokumentieren und einen Ikonenstatus erlangen können. Dazu gehören Bilder von Terroranschlägen wie am 11. September 2001 in den USA ebenso wie Bilder von entführten Personen wie dem damaligen Arbeitgeberpräsidenten Hanns Martin Schleyer von 1977 oder Fotos von Verstorbenen wie dem Studenten Benno Ohnesorg von 1967 oder dem geflüchteten Kind Aylan Kurdi, dessen Leiche 2015 an den Strand von Bodrum angespült worden ist. Die erste Mondlandung von 1969 ist ebenso präsent wie das Bild des ostdeutschen Grenzsoldaten, der 1961 über den Stacheldraht der innerdeutschen Grenze sprang und dabei sein Gewehr weggeworfen hat.

Sogenannte Photo-Icons konzentrieren sich auf „Schlüsselbilder aus der Geschichte des Mediums, die bezogen auf Technik, Ästhetik oder sozialen Gebrauch die konventionelle Fotografie ‚vorangetrieben‘ haben“ (Koetzle 2005, S. 7). Hier finden sich Fotos von berühmten Schauspielern und Popstars, Bilder von Kriegen und Katastrophen, historische und politische Aufnahmen sowie Dokumente der Fotokunst (Koetzle 2012). Einige Bilder sind zu Ikonen geworden (vgl. Paul 2008). Sie haben einen Platz im kollektiven Gedächtnis ihrer Betrachter bekommen. Dabei handelt es sich nicht um Heiligenbilder der unterschiedlichen Religionsgemeinschaften, sondern auch um Aufnahmen von Persönlichkeiten und Gegenständen aus der Kunst, der Werbung, dem Sport und der Politik.

Es geht dabei auch um Phänomene der Kulturindustrie.

 Als Werbeikone gilt z. B. die Coca-Cola Flasche.

 Der VW-Käfer wird als Designikone klassifiziert.

 Als Ikonen der Vernichtung werden die 1945 entstandenen Bilder der Leichenberge aus befreiten Konzentrationslagern in Deutschland bezeichnet.

 Zu den Politikerikonen gehören visuelle Darstellungen u.a. von Mao Zedong oder Che Guevara.

 Ereignisikonen umfassen Katastrophen wie den Absturz des Luftschiffs Hindenburg und der gewaltsame Angriff auf das Kapitol in Washington am 6. Januar 2021 durch Anhänger des damaligen Präsidenten Donald Trump.

 Als Ikonen der Popkultur werden Künstler wie die Beatles, Madonna und Michael Jackson klassifiziert.

Ikonenstatus erhalten insbesondere Verstorbene, die in jungen Jahren ums Leben gekommen sind. Musiker wie Robert Johnson (1911-1938), Brian Jones (1942-1969)), Jimi Hendrix (1942-1970), Janis Joplin (1943-1970), Jim Morrison (1943-1971), Curt Cobain (1967-1994) und Amy Winehouse (1983-2011) starben bereits im Alter von 27 Jahren und wurden ebenfalls zu (Bild-)Ikonen (vgl. Seim/Spiegel 2009).

Derartige Aufnahmen besitzen für die Rezipienten eine spezifische Botschaft, die eine weitergehende Bedeutung enthalten können und somit über die eigentliche Verwendung der Gegenstände oder Darstellung der abgebildeten Personen bzw. Ereignisse hinausgehen. In diesem Kontext wird auch auf symbolisch aufgeladene Mythen des Alltages (Barthes 1964) verwiesen, die im kollektiven Bildgedächtnis erhalten bleiben.

Aufnahmen von Protesten können ebenfalls einen Ikonenstatus erhalten. Der Mann, der 1968 in Bratislava mit entblößter Brust vor einem sowjetischen Panzer demonstrierte, als eine Kanone auf ihn gerichtet wurde, gehört ebenso dazu wie der sogenannte Tank Man, der sich 1989 auf dem Tiananmen-Platz in Peking ebenfalls vor einen Panzer stellte:

„Hier hatte sich einen Tag nach der gewaltsamen Niederschlagung eines Volksaufstands auf dem Platz ein einzelner Mann einer Panzerkolonne entgegengestellt. Die Bilder des Vorfalls erlangten internationale Bekanntheit.“ (Schankweiler 2019, S. 25)

Derartige Aufnahmen symbolisieren Schankweiler (2019, S. 27) zufolge den Kampf gegen starke Autoritäten. Die „David-gegen-Goliath-Bildformel, in der sich eine einzelne heldenhafte Person einer Übermacht entgegenstellt, ist äußerst stabil und gehört regelrecht zum Repertoire von Protestkulturen“.

Die Umweltorganisation Greenpeace folgt ebenfalls diesem Muster, indem sie die Bilder zeigt, auf denen ihre Schlauchbootaktivisten im Kampf gegen die großen umweltbelastenden Schiffe auf den Weltmeeren vorgehen (vgl. Schicha 2001b). Insgesamt lassen sich Bilder von Protesten auf Demonstrationen vielfältig nutzen. Einerseits können die Demonstranten ihr eigenes Protesthandeln durch die entsprechenden Aufnahmen dokumentieren und weiterverbreiten, um weitere Anhänger zu generieren (vgl. Venema 2020). Die Bilder können andererseits der Überwachung und daraus resultierenden Strafverfolgung der Demonstranten durch den Staat dienen. Sie haben zum Teil als Schlüsselbilder den Eingang in die Geschichtsbücher gefunden.

Bildethik

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