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2.3 Bild und Text

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‚Bild schlägt Wort‘ ist die prägnante Bezeichnung einer These, die behauptet, dass die visuellen Eindrücke das gesprochene Wort dominieren und die Erinnerungsleistung von Medieninhalten stärker durch das Bild als durch den Text geprägt wird. Die Metapher der sogenannten Text-Bild-Schere besagt, dass die Aufnahmen z. B. beim Fernsehkonsum einen stärkeren Eindruck hinterlassen als der gesprochene Text. Ursprünglich sollten die Bilder nur unterstützend dazu beitragen, dass der Text besser verstanden wird. In empirischen Experimenten, bei denen TV-Magazinbeiträge rezipiert wurden, hat sich herausgestellt, dass sich die Aufmerksamkeit der Rezipienten stärker auf die gezeigten Bewegtbilder gerichtet haben als auf die Worte im Film. Die bildlichen Eindrücke konnten besser behalten werden als die Wortbeiträge. Dies galt besonders dann, wenn es keinen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Wort und Bild gab. Dann erinnerten sich die Zuschauer häufig kaum an den Text, während der Inhalt der Bilder gut behalten wurde. Dennoch fühlte sich das Publikum subjektiv gut informiert. Insofern war hier auch eine Schere in Bezug auf die Wahrnehmung zu konstatieren (vgl. Wember 1991).

In der Entwicklung des Menschen ist vor der Sprache zunächst die visuelle Wahrnehmung ausgeprägt. Berger (1996, S. 7) formuliert diese Tatsache wie folgt: „Sehen kommt vor Sprechen. Kinder sehen und erkennen, bevor sie sprechen können.“ Dabei folgt die Informationsaufnahme unmittelbar: „Bilder sind schnelle Medien, viel schneller als Worte. Denn sie können uns einen komplexen Sachverhalt sehr direkt vermitteln, ohne wirklich viel erklären zu müssen.“ (Doswald 2002, S. 7)

Visuelle Kommunikation ist für die effektive Verarbeitung von Informationen zentral. Bilder lassen sich schneller wahrnehmen als verbale Botschaften. Sie erfordern eine geringere kognitive Anstrengung und können gut erinnert werden. In diesem Kontext wird von einem „Bildüberlegenheitseffekt (Picture Superiority Effect)“ (Bernhardt/Liebhardt 2020, S. 20) ausgegangen.

Die Präsentation mit Bildern ist deshalb eingängiger als sprachliche Kommunikation, weil die in ihr enthaltene Interpretation des Geschehens nicht ohne weiteres widerspruchsfähig ist. Bilder erwecken hingegen den Eindruck einer unmittelbaren Wirklichkeitswiedergabe.

Die Logik der Texte unterscheidet sich von der Logik der Bilder, da die Textlogik argumentativ und die Bildlogik assoziativ verläuft. Bild und Text sind deshalb aber nicht zwingend konkurrierende menschliche Ausdrucksformen, da sie sich wechselseitig aufeinander beziehen können und demzufolge für die Erfassung des Gesamtzusammenhangs voneinander abhängig sind (vgl. Müller/Geise 2003, Schicha/Vaih-Bauer 2015). Im Bild werden sämtliche visuellen Elemente gleichzeitig erfasst, während die sprachliche Schilderung „Handlungsakte und Ereignisse einer Geschichte nacheinander erzählt“ (vgl. Pandel 2008, S. 15).

Bilder besitzen den weiteren Vorteil, dass sie unmittelbar verständlich sind, nicht in Fremdsprachen übersetzt werden müssen und somit einen konstruktiven Beitrag zur globalen Verständigung leisten können (vgl. Tappe 2016). Dennoch sind für die Entschlüsselung und Bewertung von Bildern weitere visuelle und ethische Kompetenzen erforderlich.

Bildethik

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