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VERDI SETZT SEINE IDEEN DURCH

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Um derartiges in Zukunft zu vermeiden und um seine Vorstellungen bei der Aufführung seiner neuen Opern gegen die herrschenden Zustände durchzusetzen, reklamierte Verdi in seinen Vertrag mit dem Teatro La Fenice in Venedig für die Uraufführung des Ernani (9. März 1844) eine Klausel hinein, die ihm bis dahin Unübliches zusicherte:

[Art.] 10. Die Künstler, die die neue Oper des Maestro Verdi ausführen werden, werden vom Maestro selbst aus dem [Sänger-]Verzeichnis der Truppe ausgewählt.{51}

Kein Komponist hatte bislang solche Forderungen gestellt und durchgesetzt. Dennoch handelte es sich nur um den ersten Schritt in diese Richtung, denn das Verdi vertraglich zustehende Recht räumte ihm nicht die freie Wahl geeigneter Sänger ein, sondern nur deren Auswahl aus den für die Spielzeit engagierten Künstlern. Zu diesem Zeitpunkt war noch kein Stoff festgelegt, Verdi machte die Sujetwahl von den zur Verfügung stehenden Sängern abhängig, ein Verfahren, das er noch etliche Male anwenden sollte. Durch das Erwähnen einer Idealbesetzung (Ronconi) suggerierte er seine Wünsche:

Ich bitte Ew. Hochwohlgeboren, mich, sobald Sie können, die Namen der Mitglieder der Truppe wissen zu lassen.

So bald als möglich werde ich dem Direktorium das Sujet der Oper mitteilen, das auch von den Sängern, die mir zur Verfügung stehen, abhängig ist. Hätte ich zum Beispiel einen Künstler mit der Kraft eines Ronconi{52}, dann würde ich Re Lear{53} oder Il corsaro{54} wählen, doch da es wahrscheinlich vorteilhaft sein wird, sich auf die Primadonna zu stützen, könnte ich mich vielleicht entweder für die Fidanzata d’Abido{55} oder für etwas anderes entscheiden, bei dem die Primadonna die Hauptperson ist.{56}

Die Wahl fiel nach einigem Hin und Her auf Ernani. Das Teatro La Fenice – zu jener Zeit eines der erstrangigen Häuser Italiens – hatte für diese Stagione sechs erste Sänger unter Vertrag (zwei prime donne, zwei erste Tenöre, zwei erste Bässe). Die Vertragsklausel kam insofern zum Tragen, als der Tenor Domenico Conti bei der Saisoneröffnung mit Verdis I lombardi alla prima crociata (26. Dezember 1843) vom Publikum ausgebuht wurde, worauf Verdi auf seinem Recht bestand, das Eintreffen des in Turin engagierten Tenors Carlo Guasco abzuwarten und die Premiere des Ernani zu verschieben. Und als der Bassist Vincenzo Meini kurz nach Probenbeginn seine Partie abgab, weil sie ihm zu tief lag, konnte Verdi auf das Engagement eines ihm geeignet erscheinenden neuen Bassisten, Antonio Selva, drängen.{57}

Hinsichtlich der Sänger und ihrer Stimmen hat sich bis heute nichts geändert (sieht man einmal davon ab, daß Ernani heutzutage ähnlich schwer wie Trovatore zu besetzen ist). Was die Orchesterbesetzung anlangt, gibt es allerdings enorme Unterschiede: Die alten Blasinstrumente waren anders gebaut und klangen völlig anders. Bereits in den 1940er Jahren hatte Arturo Toscanini darauf hingewiesen, daß in seiner Jugend die Hörner ganz anders geklungen hatten als die modernen Instrumente. Man kann davon ausgehen, daß – ganz abgesehen von der Klangqualität – ein modernes Horn die Klangstärke von vier Hörnern aus dem 19. Jahrhundert besitzt, und daß eine moderne Flöte fast die Klangintensität einer Trompete aus dem 19. Jahrhundert erreicht.

1984 wurde auf Initiative des Verdi-Forschers Marcello Conati in Modena eine Ernani-Inszenierung realisiert, die szenisch und musikalisch die Verhältnisse zu Verdis Zeit nachempfand. Anlaß war das Erscheinen der kritischen Edition der Ernani-Partitur. Für die Produktion wurde ein wissenschaftliches Komitée ins Leben gerufen, dem außer Claudio Gallico, dem Herausgeber der kritischen Edition, der Verdi-Forscher Julian Budden sowie Pierluigi Petrobelli, der Direktor des Istituto di Studi Verdiani, angehörten. Bühnenbilder, Kostüme und Beleuchtung wurden wie zu Mitte des 19. Jahrhunderts gestaltet, und was ganz wesentlich war: Das Orchester saß wie zu Zeiten der Uraufführung auf derselben Höhe wie das im Parkett sitzende Publikum, die Streicherbesetzung entsprach jener der Uraufführung. Allerdings hatten die Streichinstrumente Stahlsaiten und keine Darmsaiten wie 1844 aufgezogen. Dies wäre 1984 nicht nur wegen der spieltechnischen Umstellung unmöglich gewesen, sondern auch, weil die Darmsaiten dazu neigen, ständig zu reißen. Und schließlich waren die Mundstücke der Blechbläser wesentlich kleiner als heute. Man konnte eine Aufführung erleben, die in jeder Hinsicht verblüffende Ergebnisse zeitigte. Unter anderem klang das Vorspiel zum 3. Akt nicht mehr so, als ob es von einer dörflichen Blaskapelle gespielt würde – eine Wirkung, die sich mit modernen Instrumenten oft einstellt –, sondern wie ein aus Blasinstrumenten zusammengesetzes Kammerensemble.{58}

Giuseppe Verdi als Interpret seiner Werke und Verdis Opern als Gegenstand von Interpretation

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