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Kapitel 3 Zwergenauftrag

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Die Schlote rauchten und vernebelten den Blick zum Horizont. Schwarz vor Kohle blieben die Häuser unansehnlich zurück. Die Farben hatten sich mit den Jahren unter dem Ansturm von Ruß und Qualm zurückgezogen. Waffen, exportiert in ferne Länder jenseits der Meere, speisten die Kriege mit brauchbarem Mordstahl. Bedauernswerterweise steckte er heute in der Brust eines prominenten Adligen. Dieser Umstand war peinlich, denn es war das dritte zu beklagende Opfer, schon der Dritte der mit Stahl von Hugwar Holzhammer das Leben ausgehaucht wurde. Die Marke war unverkennbar und für jedermann gut ersichtlich. Eigentümlich, wie schnell man von einem gefeierten Meister zu einem angeblichen Mörder wurde. Die Stadt vergab keine Fehler, selbst dann nicht, wenn man nicht einmal selbst die Hand am Parier führte. Ein Vetter dritten Grades brachte schon früh am Morgen die gute Nachricht. Er verbarg nicht seinen Hohn, als er feist grinsend die Nachricht übermittelte. Dieser Hundsfott aus entfernter Verwandtschaft neidete ihm schon immer seinen Erfolg – das war überall im Schmiedeviertel bekannt – dennoch hielt dies dem Mob nicht ab, sich zu versammeln und laut brüllend durch die engen Gassen zu marodieren. Als sie auf der Schwelle antrafen, war der Haufen bereits so angeheizt, dass sie unverzüglich, mit auf dem Weg aufgeklaubten Steinen, nach seinen prachtvollen Scheiben warfen. Löchrig, wie sie in der Zwischenzeit geworden waren, offenbarten sie Hugwar bedauerlicherweise jedes einzelne Wort: "Hängt den Mörder, wir sind nicht mehr sicher!" schrie der dickliche Bürger lauthals. Dabei war unschwer zu übersehen, um wen es sich handelte: "Vierteilen, vierteilen!" schrie der kleine Mann, seine Wangen waren aufgrund der ungewohnten Kraftanstrengung stark gerötet. Es handelte sich bei dem Unruhestifter um Trumin, ein Verwalter der Berenzbank. Ein fauler und hinterhältiger Kerl, der sein Leben damit verbrachte andere Wesen in den Ruin zu treiben.

Der Rest der aufmarschierten Truppe war nur dahergelaufener Pöbel – Hugwar kannte sie nicht einmal vom Sehen. Sicher waren einige von ihnen Sympathisanten oder gar Mitglieder der Anti – Zwergen Koalition – eine rassistische Bewegung, die in den Slums immer mehr Zuspruch fand.

Sie hassten Zwerge, und jedes Vergehen, das in diesem Topf Scheiße nach oben sprudelte, veranlasste die Koalition sich zu sammeln und gegen die Zwergenminderheit in Friedstatt vorzugehen. Die Stadtwache hatte Müh und Not für Recht und Ordnung zu sorgen, da die Stadt in diesen Tagen einer schwellenden Wunde glich. Überall entstanden Zwistigkeiten zwischen den unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen – ein Pulverfass. Verworren und unübersichtlich. Irrational – all zu menschlich.

Hugwar stellte sich auf die Zehenspitzen, die Häuser waren einfach nicht gemacht für kleine Zwerge wie ihn. Der Auftritt der Stadtwache war immer pompös, aber nicht zahlreich. Jemand schrie: Platz, Platz für die Wache! Erst reagierte die aufgebrachte Menge nicht. Einige spuckten verächtlich aus, und machten keine Anstalten ihren Platz zu verlassen. Erst als ein übergroßer, domestizierter Ork seinen Weg durch die Gasse fand, verstummte die Menge und machte freimütig Platz. Der Greifer war an die drei Fuß hoch und hatte Arme wie uralte Ammentannen. Der Dicke verschwand verängstigt zwischen ein paar Gemüseständen und stahl sich ins Dunkel einer der zahlreichen Gassen.

Die anderen schwiegen und bestaunten regungslos den Koloss, der jetzt direkt vor Hugwars Haus stand. Selbst die Marktschreier verstummten in Ehrfurcht.

Der Hauptmann trat durch die Menge, sein Federbusch wippte herausfordernd auf seinem Topfhelm. "Könnt ihr mir verraten was ihr hier treibt?" Seine Stimme übertönte alles. Er war ein Vibri – ein Wesen aus einer längst vergangenen Zeit. Die Stimme diente diesem wunderlichen Akzent der Natur als Waffe und so war es nicht verwunderlich, dass die Umstehenden vor Schmerz gekrümmt ihre Ohren zuhielten. Hugwar sprang vom Fenster zurück, denn der letzte Rest Scheibe sprang klirrend aus dem Rahmen. Niemand sagte ein Wort. Es herrschte respektvolle Stille. Einige Propagandisten nahmen wieder ihre Arbeit auf, jedoch verhalten und mit gebührlichem Respekt.

Hauptmann Luzerieanie deutete auf die Leute vor sich, ein weiterer Greifer hatte sich den Weg durch die gaffende Menge gebahnt. Jetzt wurden sie ihrer Berufsbezeichnung gerecht. Jeder einzelne der übergroßen Orks griff sich mehrere der Unruhestifter und klemmte sie wie ein Laib Brot unter den muskulösen Arm. Die Inhaftierten ächzten, leisteten aber keinen nennenswerten Widerstand. Niemand wollte sich zerdrücken lassen wie eine Flunder. Die Stadtwache hatte hinter ihnen Stellung bezogen, niemand konnte diesem gepanzerten Ring entkommen. "So, und hat sich der Aufwand gelohnt?" Luzerieanie beugte sich zu einem der Gefangenen und klopfte ihm mit seiner Gerte sanft auf die Wange. "Nein!" stöhnte der Mann angestrengt hervor.

"Will ich meinen!" Mit einem gewinnenden Lächeln wendete sich der Hauptmann der neugierigen Menge zu. "Und weiter machen Leute – hier gibt es nichts mehr zu gaffen!" Seine Stimme war wohlklingend und so erreichte er die Menge. Die Kinder nahmen dankbar ihr Spiel wieder auf tollten ausgelassen davon und auch die Schreier schrien wieder lauthals mit klarer Stimme. Mit einer minimalen Geste zu Hugwar, der im Fenster stand und die Szene von oben mit Unbehagen beobachtete, deutete er an, dass alles in Ordnung sei. Sie waren Freunde, und so war dieser spontane Einsatz ein selbstverständlicher Freundschaftsdienst. Die Orks zogen ab und mit ihnen der Tross. Erleichtert schloss Hugwar den fensterlosen Rahmen. Was war zu tun? Wie sollte er sich aus der Affäre ziehen? Das Geschäft lief bis vor kurzem wie geschmiert, nur leider kamen die Leichen einiger Kaufleute und verbannter Adlige dazwischen – sein Ruf war beschädigt und die Verkaufszahlen rückläufig. Er konnte sich nicht immer auf den Schutz der Stadtwache verlassen – denn auch bei Ihnen herrschte Uneinigkeit und Zwist wie mit Zwergen zu verfahren sei. Er konnte stichhaltig beweisen, dass er an den Morden nicht beteiligt war – und der Stadtrat schien ihm auch Glauben zu schenken. Dennoch blieb ein Makel, schließlich waren es seine Waffen, die diese wohlverdienten Bürger aus dem Verkehr zog.

Hugwar erreichte seine geliebte Schmiede, die Blasebalge fauchten eigentümlich, die Hämmer schlugen wohlklingend die Rohlinge in Form und es roch lieblich nach Kohlefeuer. Seine Mitarbeiter grüßten ausgelassen, als er die Schmiede nachdenklich betrat. Die Hitze zwischen den engen Gassen war am heutigen Tag unerträglich. Draußen standen eine lange Tafel und ein kleiner Verkaufsstand an dem sie Messer feilboten, mehr als Alltagsgegenstände war hier nicht loszuschlagen – das Geschäft lief merklich schlechter. Der einfache Mann hatte einfach kein Gold mehr.

Für alle war es schwierig. Im Umland entbrannten Konflikte und wer konnte, floh. Alle strandeten sie hier, hier in der freien Stadt Friedstatt und mit sich nahmen sie die Dunkelheit in ihren Herzen. Wie ein schleichender Schatten legte sich ganz allmählich das Böse auf die Stadt, kroch blind um die Häuser und suchte gierig nach Schuldigen. Hugwar blinzelte mit tränenvollen Augen durch den Rauchschleier, der die Sonne abschirmte. Der Krug Wasser war wohltuend kalt, gierig trank er ein paar Schlucke dieser Köstlichkeit. Beranka saß hinter dem Verkaufsstand und wischte sich beständig den Schweiß von der Stirn. Diese Geste wirkte fast manisch. In diesem Jahr war es brüllend heiß, selbst für einen Minen erfahrenen Stollenzwerg ein Kraftakt. Was war zu tun?

Sollte er vielleicht seine Marke ändern? Den Stempel, das Markenzeichen der Familie Holzhammer? Warum hinterließ der Mörder ausgerechnet seine Waffen? Dieser Unbekannte wollte ohne Zweifel seinem Ansehen schaden und den glimmenden Hass gegen das kleine Volk schüren, bis er hohe Flammen schlug die alles verzehrten. Aber ohne stichhaltige Beweise blieb das ganze Szenario eine kühne Annahme. Luzerieanie hatte ihm dazu geraten, einen Assassinen anzuheuern. Vielleicht konnte einer der lebenden Schatten Licht ins Dunkel bringen. Erfahrungen mit diesen zwielichtigen Gestalten konnte Hugwar nicht vorweisen. Die Zwerge blieben in der Regel in ihren – sprichwörtlich – verrauchten Viertel unter sich. Tavernen gab es hier in der Umgebung zu Hauf. Für Kurzweil war in nächster Nachbarschaft gesorgt und so fühlte sich niemand veranlasst, das angestammte Viertel zu verlassen. Warum auch? Hier gab es alles – viel Rauch, der Klang der Schmieden und beißender Kohlegestank. Hier konnte sich jeder anständige und halbwegs normale Zwerg wohlfühlen.

Das klang vielleicht selbstherrlich, aber die Zwerge waren ein stolzes Volk mit einer mehr als tausendjährigen Geschichte. Doch Eines vermissten sie schmerzlich – ihre Stollen, Bergwerke und unterirdischen Städte. Sie fühlten sich wohl unter der Erde und waren verzückt von den glänzenden Erzadern, deren Venen tief ins Erdinnere reichten, ins glühende Zentrum der Welt. Sie folgten dem Pfad, hypnotisch angezogen von dem glänzenden Erz, das ihnen freimütig den Weg wies. Doch leider trafen sie dort unten auf etwas, was niemand erwartete. Ein mächtiger, gnadenloser Feind, der in den tiefen Eingeweiden der Welt lauerte und ihnen auf kurz oder lang die Schätze streitig machte und das Volk der Zwerge vertrieb. Es gab unzählige Geschichten über den Exodus seiner Zeit.

Aus der Realität wurden Geschichten, aus Geschichten Märchen. Daraus wurden, mit der Zeit, Mythen und Legenden, die heute jedes Menschenkind kannte und für die Zwerge nicht mehr waren als dunkle Erinnerung aus einer längst vergessenen Zeit.

Heutzutage rauchten in jeder größeren Stadt die Schlote der Zwerge und verdunkelten, in Angedenken an die stumme Nacht unter der Erde, den Himmel. Der Unmut über die unbequemen Nachbarn wurde der Gier der Menschen nach Stahl untergeordnet. Waffenfähiger Stahl, war ein begehrtes Handelsgut, aus diesem Grund nahm man die mannigfaltigen und gesundheitsschädlichen Belästigungen durch die direkte Nachbarschaft der Schmieden zähneknirschend hin. Die Bürger husteten ihre Flüche heimlich still und leise – aber nicht so in Friedstatt. Hier gab es nicht nur Menschen, sondern Orks, Elfen, Trolle, Wargs, Nebelmenschen, Visions, Magier, Piraten und Sklavenhändler und alles andere, was auf Udün krauchte. Immer mehr Anwohner fühlten sich durch die unstete Geschäftigkeit der Zwerge belästigt und dieser Trend war nicht mehr gutzureden.

Hugwar trank seinen letzten Schluck des köstlichen und erfrischenden Nass. Er hatte einen Entschluss gefasst, heute Nacht jemanden anzuheuern. Es musste doch möglich sein das Geheimnis, ohne viel Aufhebens um seine eigene Person, zu lüften. Es war dunkel, die Grillen zirpten, und die Schatten der schiefen Häuser kühlten die von der Tagessonne gereizte Haut. Nur langsam bewegte sich Hugwar fort von den Häusern, die er kannte. Eine friedliche Burg inmitten des Chaos von Friedstatt. Da war sie, die goldene Brücke. Die in einem eleganten Bogen die Viertel miteinander verband. Eine Wache lehnte dort. Der Mann schlummerte weltvergessen unter dem Licht einer fahl leuchtenden Laterne. Niemand grüßte oder hielt ihn an auf seinem Weg zum Vergnügungsviertel. Die allabendlichen Pilgerschlangen waren bereits vor Stunden verebbt. Die passionierten Säufer hatten längst ihren Stammplatz in ihrer Lieblingskaschemme gefunden. Nur einmal stieß ihn ein besoffener Trehlus an. Seine roten Augen glühten den Zwerg herausfordernd an, Hugwar imitierte notdürftig einen höfischen Knicks und verschwand schnell, bevor der Trehlus sich besann und die Situation ausartete. Hilfe konnte man sich zu solcher späten Stunde nicht gewiss sein. Trehlus waren brutale Schläger, gerne und ausgiebig benutzen sie ihre messerscharfen Zähne die weit über ihre wulstige Unterlippe reichten. Hugwar tastete nach seinem Beutel, er vergewisserte sich, dass er noch an Ort und Stelle weilte. Trehlus waren auch bekannt für ihre diebische Natur. Der Beutel Erz wog schwer in seiner messenden Hand. Erz aus den Minen von Dombar. Ein unermesslicher Schatz, und sicher mehr als genug für einen gedungenen Spitzel.

Der Zwerg betrat die Spelunke.

"Zum toten Geier", prangte der wenig einladende Name über dem Eingangsportal. Der Saal war voll. Rauchgeschwängert, es roch nach Schetwar und Lulmenkraut, der Qualm trieb, selbst dem krisengeschüttelten Zwerg die Tränen in die Augen.

Ein grobschlächtiger Kerl mit nur einem Auge huschte, wider seiner Statur, graziös durch die vollbesetzten Tischreihen. Kronleuchter glommen schwach, Feuer brannte fröhlich in den Kaminen – denn nachts wurde es hier an der Küste unvermutet kalt. Der Einäugige bemerkte den Zwerg, der unschlüssig herumstand. Er winkte und zeigte in eine schattige Ecke unter der Stiege, die zum ersten Stock führte. Sicher kein heimeliger Platz, da einige Gäste sich auf der Treppe gerne mal übergaben oder die Damen einfach mal vor Suff und Erregung etwas verloren, aber auf alle Fälle ein Platz etwas Abseits, mit gutem Blick auf das rege Treiben in der Schankstube. Das Wirtshaus war brechend voll und der Wirt ein Arschloch. Er bellte immer nur und warf die Krüge auf die Tische, dass der Schaum nur so spritzte. Warum diese Schenke „Zum toten Geier“ hieß, war auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Erst als der Zwerg es sich gemütlich machte und seine Beine dankbar auf einen Schemel ablegte und genüsslich an seinem Pfeifchen zog, wurde ihm dieser Umstand mit einem beiläufigen Blick klar. Ein riesiger, ausgestopfter Geier schwebte über ihren Köpfen. Er drehte sich knarrend in der zugigen Luft und für einen Moment schien er sehr lebendig. Der Zwerg beobachtete eine ganze Weile das lustige Treiben des bunten Völkchens, das die Taverne für diese Nacht bewohnte. Aber einen Assassinen sah er nicht. Einige prügelten sich, andere stritten um eine Hure, andere verschwanden unter den Tischen. Einer pisste sogar gegen eine Säule, was ihm sofort Schimpf und Schande einbrachte und einen kräftigen Tritt des Rausschmeißer Ork, der ein Gesicht zog, als wollte er den armen Kerl gleich auffressen. Der Attentäter auf den guten Geschmack flog regelrecht durch die Flügeltüren, die ihm zum Abschied lebhaft nachwinkten. Hugwar war entzückt, so etwas hatte er noch nie erlebt. Grinsend genoss er seine Pfeife. Eine Frau wankte zielsicher auf ihn zu, ihrem Erscheinungsbild nach zu urteilen eine billige Hure. Sie roch unanständig und ihr verklebtes Haar hing tief über ihre hageren Schultern. "Na Zwerg? Mal `ne geile Nummer ziehen?" Sichtlich bestürzt, verzog er angewidert sein Gesicht. "Nein, Danke!"

"Ha, ist sich der Spitzbart zu gut um mit der Mathilde ordentlich zu pimpern?!" sie war laut, und viele der Gäste beobachteten die Szene bereits neugierig. Ihr Mundgeruch war unerträglich. "Nein, nur verheiratet!"

"So, so, – na dann!" sie schniefte laut und mit einem Grunzen zog sie etwas hoch und spie es auf den Tanzboden. Niemand wagte genau hinzuschauen.

Mathilde verzog sich jedenfalls und griff sich den nächstbesten Gast an die Eier, der gerade zur Tür hereinstolperte. Armer Kerl – dachte Hugwar und konnte sich ein heimliches Lächeln nicht verkneifen. Der Mann schaute recht verzweifelt, als er Mathilde auf den zweiten Blick genauer betrachtete und – oder – roch. Der Einäugige hastete vorbei. Schnell griff der Zwerg ihn am Arm. Verschwörerisch zog er ihn an sich heran: "Ich bin neu hier und kenne mich nicht aus.", zischelte er verkrampft.

"Was ihr nicht sagt!", der Kerl grinste, nicht ein Zahn zeigte sich. "Ich suche Hilfe, einen Mann, einen Assassinen – mir sagte jemand ich würde hier so einen Mann finden."

Klutt, so hieß der Bartennder, legte sein Tablett ab und wischte sich die Hände an seiner verschmierten Schürze ab. "Lasst mich nachdenken – nein! Fehlanzeige!"

Klutt griff schon wieder nach dem Tablett und wollte davoneilen. "Halt, halt, hier für eure Mühen!" – Hugwar gab ihm nur zögerlich zwei Kronen. Klutt hielt kurz inne und deutete nach oben: "Dort ist der Mann – viel Spaß." Zufrieden ließ er seine Münzen in die Tasche gleiten, an dem Portemonnaie vorbei. Strich sich noch einmal durch das wirre Haar und verzog sich zufrieden grinsend. So einfach also? Hugwar verlor keine Zeit. Oben angekommen zeigte sich dasselbe Bild wie unten. Mit einem Unterschied: An der Stirnseite des Saales gab es einige Tische, die durch Trennwände separiert waren. Hugwar bahnte sich seinen Weg zielsicher zu eben diesen Tischen. Da saß er. Ein schwarz gekleideter Mann, scheinbar noch sehr jung. Sein Turban war prächtig anzusehen. Seine Rüstung lag neben ihm. Ein bildschönes Mädchen saß auf seinem Knie und kicherte albern, als er zärtlich an ihrer nackten Brust spielte. Neugierig sah er den Neuankömmling an. "Herr, – ich hoffe ich störe nicht, aber ich brauche eure Hilfe." wisperte der kleinlaut.

Etwas unsicher sah Hugwar zu dem Mädchen, dass sich gar nicht stören ließ, auch als die Hand des Assassine unbeirrt in ihrem Schoß verschwand. "Ihr könnt gehen Kleines, aber vergesst mich nicht." Der Assassine lachte und die Hure warf ihm verliebte Blicke und eine Kusshand zu, ehe sie ins Untergeschoss verschwand. "Schöner Pelz, glaubt mir, den schönsten den Finger berühren können!"

Hugwar lächelte schief und setzte sich auf die gegenüberliegende Bank. "Ihr scheint es mit der Eile ehrlich zu meinen!" Der Assassine staunte nicht schlecht über die empfundene Dreistigkeit des Zwerges.

"Ich brauche euren Rat und Hilfe – der Name meiner Familie steht auf dem Spiel."

"Sagt mir doch erstmal, wer ihr überhaupt seid?"

"Entschuldigt, ich bin Hugwar Holzhammer, Besitzer der Eisenschmiede zu Friedstatt – Bewahrer des Erzes."

Der Assassine bedauerte gerade gefragt zu haben – so konnten Zwerge stundenlang ihren Stammbaum herunterbeten.

"Halt, Halt – reicht!" Gutmütig reichte er dem Zwerg einen Humpen Bier, welches der Einäugige gerade auf den Tisch wuchtete. "Ich bin Bagatosh, Schwert der schwarzen Gilde zu Minzerath."

Der Zwerg nickte nur beiläufig: "Ich kann euch gut bezahlen – sehr gut." Hugwar löste seinen Lederbeutel von seinem Gürtel und stellte ihn provozierend vor Bagatosh ab. "Was ist das?" der Assassine rührte sich nicht, sondern gab sich recht unbeteiligt. Er platzierte seinen Krug neben den Beutel, um ihn vor neugierigen Blicken abzuschirmen.

"Lumenerz aus den Minen von Dombar.", erwiderte der Zwerg hastig.

"Ihr seid unvorsichtig kleiner Mann, das kann einem hier schnell den Kopf und – oder – Beutel kosten." Der Zwerg nickte hektisch.

"Nun – um was für eine Tat handelt es sich? Wen soll ich umlegen bei so einem königlichen Lohn?"

"Niemanden – ihr sollt lediglich herausfinden, wer für die Morde in den vergangenen Wochen verantwortlich ist. Für all diese Gräueltaten wurden meine Schwerter benutzt und zu allem Übel am Tatort zurückgelassen. In voller Absicht wie mir scheint."

Bagatosh verstand. Bei diesem Häufchen Elend handelte es sich also um den berühmte Zwergenschmied, der hier in der Stadt in aller Munde war. Seine Schwerter waren legendär und jeder der etwas auf sich hielt, wollte so eine erlesene Klinge besitzen.

"Nun, denn!" Bagatosh ließ sich seine Erkenntnis nicht anmerken, "dann reden wir doch mal über den wirklichen Preis!"

Bagatosh verließ als letzter den Gasthof. Er sah verträumt in den Nachthimmel. Es war schon paradox, der Fachmann für das schnelle Ableben war von nun an auf der Suche nach einem Mörder. Die letzten leisen Töne des Dudelsacks begleiteten ihn eine Weile auf seinem Weg nach Haus. Er vermisste die endlosen Weiten von Sorrugat. Hier war es eng, der Gestank nach Pisse beinahe unerträglich – von anderen Gerüchen ganz zu schweigen. Keine freie Sicht, überall nur beklemmende Mauern, Unrat und Tod. Nun, auf letzteres verstand er sich wenigstens. Die Auftragsbücher waren innerhalb von Tagen voll. Doch diesem speziellen Fall gab er Vorrang, nicht ausschließlich wegen der königlichen Bezahlung, nein, auch weil ihm die Handschrift des Mörders, dem er jetzt nachstellte, ungemein imponierte. Es musste sich um einen Meister seines Faches handeln. Schnell, todbringend, leise – er hinterließ in der Vergangenheit keine verwertbaren Spuren. Himmel! Nicht mal die Sterne konnte man in dieser gottverdammten Stadt sehen, stellte Bagatosh resigniert fest.

Geschichten aus Friedstatt Band 1: Glutherz

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