Читать книгу Ein Kriminalfall für Luzifer - Christiane Siegert - Страница 3
Vom Wunsch Detektiv zu sein
ОглавлениеLuzifer saß auf dem dicken Ast seiner Lieblingseiche und schaute auf sein Reich. Vor ihm lag sein Parkplatz, den er den Menschen großzügig zur Verfügung stellte, schließlich hatte er kein Auto. Dahinter stand das langgestreckte Stallgebäude, direkt daneben die Reithalle. Etwas abgelegen davon stand Jochens Haus, der immer behauptete, der Reiterhof würde ihm gehören, aber Luzifer wusste es besser.
Sein Zuhause wurde zur rechten Seite hin vom Wald begrenzt. Den mochte der Kater gar nicht, weil es da tagsüber immer ein bisschen unheimlich war und nachts ging Luzifer da schon gar nicht hin. Das allerdings hätte er niemals offen zugegeben.
Hinter seinem Aussichtsplatz lag die Bundesstraße, die das Gelände des Reiterhofs und den Wald begrenzte, und vor ihm lagen Wiesen und Weiden für die Pferde. Ja, alles hatte seine Ordnung, leider. Der Kater seufzte tief. Ihm war langweilig. Schuld daran war die Jahreszeit, denn die wollte dieses Jahr so gar nicht Luzifers Vorstellungen entsprechen. Eigentlich hatten sie Winter, nur fehlte davon zur Zeit noch jede Spur und der Kater konnte sich für das momentan anhaltenden nasse und feuchte Wetter absolut nicht begeistern.
Die Mäuse waren bei dem Regen vermutlich alle ertrunken, hier draußen hatte Luzifer jedenfalls schon lange keine mehr gesehen und anstatt wie letztes Jahr im Schnee toben und "Alle-suchen-Luzifer" spielen zu können, musste er jetzt aufpassen, nicht im Matsch zu versinken.
Wieder einmal verfluchte der Kater sein zu ruhiges Leben und war froh, dass heute wieder Mittwoch war. Dieser Tag bot ihm im Moment die einzige Abwechslung, denn jeden Mittwochabend konnte er in der Sattelkammer dank zweier hörspielbegeisterter Reiterinnen seine geliebten Kriminal-Hörspiele verfolgen. In denen passierte immer etwas und Luzifer konnte sich vorstellen, wie er, der große Detektivkater, mit seinem Lieblingsdetektiv Sherlock Holmes höchstpersönlich die heißesten Kriminalfälle löste und so gleichzeitig seine detektivischen Fähigkeiten schulte.
Es begann, wieder einmal, zu regnen. Luzifer beschloss, bevor er, wieder einmal, nass werden würde, den Heimweg anzutreten und bei Merlin, seinem besten Freund, den Rest des Tages zu verbringen. Theoretisch war es nicht weit, er musste nur den Baum runter, über den Parkplatz und schon wäre er im Stall. Aber Luzifer wollte ein bisschen Abwechslung in sein Leben zu bringen. Eine kleine Trainingseinheit, nichts Spektakuläres, die dennoch seine detektivischen Fähigkeiten trainieren würde. Ein kurzer Blick zum Stall hinüber und Luzifer entwickelte einen Plan. Anschleichen würde er sich, heimlich und unbemerkt, wie sein großes Detektiv-Vorbild.
Mit diesem Vorsatz sprang der Kater von seinem Baum und machte sich auf den Weg. Auf leisen Pfoten pirschte sich Luzifer an sein Ziel heran, nutze das Gebüsch am Rand der Hofeinfahrt als Tarnung und ignorierte dabei, dass die Büsche im Winter keine Blätter hatten. Vorsichtig spähte er zwischen den Ästen in Richtung Stalltür. Ahhh, da kam Tonja und wollte zu ihrem Auto. Bewegungslos verharrte Luzifer und wartete ab, bis er sicher war, dass Tonja in ihrem Auto saß und ihn weder gesehen hatte noch jetzt sehen konnte. Freie Bahn. Luzifer schlich weiter, erreichte die Stalltür, drückte sich daran vorbei, hörte jemanden kommen und huschte hinter einen Heuballen. Bewegungslos verharrte der Kater, bis die Schritte verklungen waren. Bevor er sein Versteck verlies, beobachtete er die Stallgasse ganz genau. Erst als Luzifer sicher war, dass niemand mehr kam, lief er auf Zehenspitzen zu Merlins Box und huschte hinein. Geschafft!
Mit einem Brummeln begrüßte Merlin den patschnassen Kater. "Pscht, nicht so laut, du machst meine ganz Tarnung zunichte!", flüsterte Luzifer und schüttelte sich ausgiebig. Merlin beäugte Luzifer nachdenklich von allen Seiten, ignorierte tapfer, dass der Kater ihm Wasser in die Nüstern spritzte und meinte dann: "Tarnung? Müsstest du dann nicht schwarz sein oder rasengrün oder wenigstens eine Brille tragen?" Luzifer war beleidigt. Merlin hatte keine Vorstellung, was er geleistet hatte. Höchste Zeit, dass er Merlin darüber aufklärte. "Ich bin den ganzen Weg von der Hofeinfahrt bis in deine Box geschlichen, ohne dass mich jemand bemerkt hat! Durch die Büsche hab' ich mich gequetscht, hinter Heuballen musste ich mich verstecken. Als Detektiv würde ich mich super machen." Stolz warf Luzifer sich in die Brust. Einen Kater wie ihn gab es kein zweites Mal!
Merlin wuschelte seinem Freund mit dem Maul durchs Fell. "Ein sehr nasser Detektiv", stellte Merlin fest. "Du wärest vermutlich trocken geblieben, wenn du gerannt wärest statt zu schleichen. Dir muss echt langweilig sein, wenn du freiwillig nass wirst."
"Da sagst du was!", stimmte Luzifer aus vollem Herzen zu um gleich darauf zu protestieren: "Das Nass ist eklig und es wird nicht besser, wenn du auch noch mit deinem Maul darin rumfuhrwerkst. Hör auf!"
Während der Kater sich putzte jammerte er noch ein wenig über das schlechte Wetter und seine Langeweile im Allgemeinen. Merlin hörte ihm geduldig zu und bemitleidete ihn. Danach fühlte Luzifer sich sehr getröstet. Er suchte seinen Lieblingsschlafplatz auf, hielt ein ausgiebiges Nickerchen und träumte von seinen Abenteuern als Katerdetektiv.