Читать книгу Ein Kriminalfall für Luzifer - Christiane Siegert - Страница 4
Der Hörspielabend
ОглавлениеGerade noch rechtzeitig wurde Luzifer wach um seinen Hörspielabend nicht zu verpassen und vorher noch ein paar Vorbereitungen treffen zu können. Um ehrlich zu sein, war es Merlin, der Luzifer mit sanftem Anprusten weckte. Das Pferd wusste genau, dass Luzifer es sich nie verziehen hätte, wäre ihm sein Hörspielabend entgangen.
Luzifer war Merlin für das Wachprusten äußerst dankbar und machte sich sofort auf den Weg. Ganz leise schlich er aus der Box heraus zur Sattelkammer, quetschte sich in den Türrahmen und schaute um die Ecke um zu prüfen, ob jemand bereits in der Sattelkammer war. Für diesen Fall trat Plan B in Kraft und Luzifer würde sich hinter der Tür zur Sattelkammer verstecken. Doch zu Luzifers Enttäuschung war das heute nicht nötig. Noch war niemand da. Überhaupt war es heute verdächtig ruhig im Stall.
Wenn eh niemand da ist, kann ich mir das Schleichen auch sparen, überlegte Luzifer sich und betrat die Sattelkammer. Vom Boden sprang er auf einen Putzkasten, von da auf einen kleinen Sattelschrank und von da aus auf seinen Stammplatz, einen hohen alten Holzschrank. Irgendwer hatte Luzifer mal eine alte Pferdedecke dorthin gelegt und die rückte der Kater sich jetzt zurecht. Denn heute Abend sollte es so aussehen, als ob er gar nicht da wäre. Ein guter Detektiv musste schließlich über die Fähigkeit verfügen, bei Bedarf die perfekte Deckung zu finden. Zuerst schob er die Decke mit den Pfoten so hin, dass ein Wulst entstand, hinter dem er nicht zu sehen war. Das war ganz schön anstrengend, da Luzifer versuchte, mit den Vorderpfoten die Decke zusammenzuschieben, mit den Hinterpfoten aber auf der Decke stand und sich so selbst im Weg war. In seinem Eifer bemerkte er es jedoch nicht.
Ärgerlich zerrte er an der Decke, was sich jedoch als fataler Fehler herausstellte. Die Decke rutschte und Luzifers Hinterbeine rutschten mit. Zweimal direkt hintereinander verlor er beinahe das Gleichgewicht und wäre vom Schrank gefallen, hätte er sich nicht in letzter Sekunde mit den Vorderpfoten festkrallen können. Mühsam hangelte er sich wieder auf den Schrank, nicht bereit, sich geschlagen zu geben und werkelte so lange weiter, bis der Wulst der Decke ungefähr seinen Vorstellungen entsprach.
Die Zeit drängte, bald würden Britta und Stefanie kommen. Luzifer testete sein Versteck. Zuerst hockte er sich hin und stellte fest, dass er die Sattelkammer noch im Blick hatte. Folglich konnten auch ihn noch alle sehen, genau das aber wollte Luzifer vermeiden. Zweiter Versuch: Luzifer legte sich auf die Seite, drückte den Kopf in die Decke und schielte nach oben. Sehr gut. Wenn er sich ganz flach hinlegte, konnte er nichts mehr sehen. Dass von unten jeder, der einen Blick auf den Schrank warf, ein weißes Katzenohr über den Wulst schauen sah, konnte Luzifer schließlich nicht ahnen.
Jetzt, beschloss er, brauche ich nur noch eine Höhle. Zum Glück war die Decke bei Luzifers Gewerkel und Gezerre so verrutscht, dass bereits eine Ecke umgeklappt war. Vorsichtig pfotelte Luzifer die Ecke nach oben, schob seine Schnauze unter die Decke und arbeitete sich weiter vor, bis der ganze Kater verschwunden war. Jetzt konnte ihn wirklich niemand mehr sehen.
"Ja wo ist denn Luzifer?", hörte Luzifer die verwundert klingende Stimme von Britta. Luzifer war begeistert. Es war ihm gelungen, sich unsichtbar zu machen, Sherlock Holmes wäre stolz auf ihn. "Der kommt bestimmt noch, er hat noch nie einen unserer Hörspielabende verpasst", meinte Stefanie. Schranktüren wurden geöffnet und Luzifer hörte, wie die beiden ihre Sättel aus den Sattelschränken holten. Britta stellte klappernd die Boxen für ihr Smartphone auf und fragte: "Was hören wir heute?"
Stefanie war sich nicht ganz sicher und überlegte. "Ich weiß nicht, such dir einfach was aus. Hauptsache spannend!" Britta stöpselte ihr Smartphone ein, rückte die Lautsprecher zurecht und meinte: "Ich stell auf "random" und wir hören das Hörspiel, das mein Smartphone aussucht."
"Aber wenn wir das Hörspiel schon kennen, suchen wir uns ein neues aus", verlangte Stefanie.
Luzifer konnte nicht sehen, dass Britta zustimmend nickte. Das wurde ihm in diesem Moment auch klar und er ärgerte sich, dass sein Versteck doch nicht so gut war, wie er gedacht hatte. Nächste Woche, so nahm der Kater sich vor, musste er die Decke so zusammen schieben, dass er zwar sehen, aber nicht gesehen werden konnte.
Endlich ging es los. Gespannt lag Luzifer unter seiner Decke und lauschte. Worum würde es dieses Mal gehen? Mord? Totschlag? Wurde jemand vergiftet?
Der Erzähler begann mit der Einführung in das Hörspiel. Eine Frau war tot in ihrem Schlafzimmer aufgefunden worden. Die Tür von innen verschlossen, das Fenster ebenfalls von innen verriegelt. Keinerlei äußere Anzeichen von Gewalt. Die Polizei tippte auf Selbstmord.
An dieser Stelle war Luzifer schon lange klar gewesen, dass es natürlich kein Selbstmord gewesen war, nein der Frau war das Leben genommen worden. Aber wie?
Der Detektiv in dem Hörspiel bekam von dem Ex-Ehemann der Frau den Auftrag, diesen Fall zu lösen und machte sich auf den Weg zum Tatort um vor Ort die Ermittlungen aufzunehmen.
Pah, Anfänger, dachte sich Luzifer als der Detektiv endlich im Haus des Mordes angekommen war und erstmal die dämlichen Standard-Frage abspulte: Wer war ermordet worden? Gab es irgendwelche Feinde? Gab es eine Tatwaffe? Wo war der Mord begangen worden? Luzifer dagegen war schon mitten in seinen Ermittlungen.
Der Kater überlegte bereits, was er über den Fall wusste, während der Detektiv noch im Dunklen stocherte. Wie hätte Luzifer den Fall lösen können? Dem Kater fiel ein, dass er sich ja, da er eine Katze war, in der Todesnacht unter dem Bett der Frau hätte verstecken können. Dann wüsste er jetzt ganz genau, was der Frau zugestoßen war. Aber das ging nicht mehr. Schade. Bedauernd, dass seine Idee nicht realisierbar war, wandte Luzifer seine Aufmerksamkeit wieder dem Hörspiel zu. Der Detektiv war gerade damit beschäftigt, nach Spuren zu suchen. Luzifer spitzte die Ohren. Das war wichtig. So bekam Luzifer zusätzliche Informationen. Wenn er alles richtig kombinierte, würde er den Fall vor der Auflösung im Hörspiel lösen können. Und tatsächlich, Luzifers konzentriertes Zuhören wurde belohnt.
Der Detektiv fand was der Polizei entgangen war: Zwei kleine Löcher am Handgelenk, winzigklein. Sofort kombinierte Luzifer, dass es sich um zwei Einstichlöcher handelte. Sie konnten von einem Vampir, einer Spritze oder etwas ganz anderem kommen. Eine von Luzifers Vermutungen wurde sofort von dem Detektiv bestätigt, auch dieser tippte zunächst auf eine Spritze. Luzifer freute sich, dass er dem Detektiv voraus gewesen war. Der vermutete, dass der Frau mit der Spritze ein schnell wirkendes Gift verabreicht worden war. Das hatte auch Luzifer in Betracht gezogen. Der Vampir war nur seine erste Idee gewesen und keine gute, wie der Kater sich offen eingestand. Außerdem bissen Vampire immer in den Hals, das wusste schließlich jedes Kind und viel wichtiger: Es gab gar keine Vampire!
Nein, Gift hatte die Frau getötet, das war klar. Aber wieso zwei Einstichlöcher? , fragte sich Luzifer. Dieses Problem hatte auch der Detektiv im Hörspiel.
Der Kater überlegte angestrengt. Vielleicht wollte der Mörder sicher gehen und hat zweimal zugestochen, weil die Spritze sich beim ersten Versuch aus irgendeinem Grund nicht vollständig geleert hatte?
Luzifer beschloss, diese Theorie im Hinterkopf zu behalten, bis er sie aufgrund von weiteren Indizien bestätigen konnte oder verwerfen musste.
Luzifer ermittelte weiter und beschäftigte sich als nächstes mit dem Problem, wie der Mörder das Zimmer von innen verschließen und es dann hatte verlassen können. Für einen kurzen Moment war Luzifer sich sicher, dass der Mörder doch durch das Fenster geflohen war, hörte dann aber wie der Detektiv erklärte, das Zimmer der Toten läge im zweiten Stock und es gäbe keine Spuren im darunter liegenden Blumenbeet. Luzifer war ratlos. Was war die Lösung?
Das Hörspiel ging weiter. Ein zweiter Mord passierte, dieses Mal war es die Putzfrau. Sie hatte den Auftrag erhalten, das Zimmer aufzuräumen, nachdem die Leiche der Frau fortgebracht worden war. Es gelang der Putzfrau allerdings noch, "Ssschh" zu flüstern, ehe sie in den Armen des Detektivs verstarb. Auch bei ihr fand man die Löcher, dieses Mal im Bein. Im Bein, überlegte Luzifer, Löcher? "Sssch"? Da lag die Lösung, er wusste es. In diesen vier Wörtern. Sein Gehirn arbeitete auf Hochtouren, mit Erfolg.
Na klar, die Lösung lag doch auf der Hand. Der Detektiv rätselte noch immer, doch Luzifer war sich sicher: Eine Schlange hatte die beiden Frauen getötet und die Schlange versteckte sich unter dem Bett. Vermutlich war die Hand der Frau nachts aus dem Bett gerutscht, die Schlange hatte das als Angriff gesehen und zugebissen. Die Putzfrau hatte vermutlich das Bett frisch bezogen und die Schlage erneut aufgeschreckt, die wieder zugebissen hatte. Das war die einzige Erklärung, warum die Löcher bei der Putzfrau im Bein gefunden worden waren und bei der ersten Toten im Handgelenk. Eine Schlange erklärte auch die verschlossene Tür und alle anderen Probleme. Vermutlich war das Tier durch einen Lüftungsschacht oder eine Klimaanlage in das Zimmer gekommen. Ein ganz dummer Zufall, schlussfolgerte Luzifer. Beide Frauen waren einfach zur falschen Zeit am falschen Ort gewesen.
War doch ganz einfach, lobte sich Luzifer und vergaß dabei, dass er an eine Geschichte von Sherlock Holmes hatte denken müssen, die enge Parallelen zu diesem Fall aufwies. Luzifer hatte indirekt also Hilfe gehabt.
Stolz wartete der Kater jetzt auf das Ende und tatsächlich, mit der Schlange hatte Luzifer recht gehabt. Allerdings war er davon ausgegangen, dass der Mord kein Mord gewesen war, sondern beide Frauen nur aus Zufall getötet worden waren. Der Detektiv allerdings löste den Fall, indem er den Gärtner der Tat überführen konnte. Der Grund war eine Affäre gewesen, die die Frau hatte beenden wollen. Der Gärtner aber war dagegen gewesen und war, als die Frau sich nicht umstimmen lassen wollte, bis zum Äußersten gegangen.
Ein bisschen ärgerte Luzifer sich, dass er den Fall nicht ganz hatte lösen können, aber er war sehr zufrieden, dass er das mit der Schlange vor dem Detektiv gewusst hatte.
Fast wollte der Kater schon aufspringen und seinen Platz verlassen um zu Merlin zurück zu gehen, als ihm klar wurde, dass Stefanie und Britta noch da waren. Die beiden räumten gerade auf und unterhielten sich. "Man, das war aber spannend", meinte Britta.
"Ja", sagte Stefanie, "total. Nur Luzifer hat gefehlt."
"Das glaube ich nicht. Er hat sich irgendwo hier versteckt. Der Kleine wird immer besser. Eines Tages wird noch ein Detektiv aus ihm." Lachend verließen die beiden die Sattelkammer und knipsten das Licht aus. Freie Bahn! Luzifer lief schnurstracks zu Merlin, der schon auf ihn wartete. "Wie war's?", wollte Merlin wissen.
"Ui", antwortete Luzifer, "total spannend!" Er erzählte Merlin den Fall, legte ihm seine Überlegungen und die des Detektivs dar und berichtete über den Ausgang. "Das hast du aber gut gemacht", meinte Merlin.
"Find ich auch", sagte Luzifer selbstgefällig. "Warum kann nicht morgen schon wieder Mittwoch sein?" Merlin legte den Kopf schief und schüttelte seine dicke blonde Mähne. "Das würde dir dann auf Dauer auch langweilig werden." Da musste Luzifer ihm zustimmen.
"So kleiner Kater", meinte Merlin, "Schlafenszeit?"
"Schlafenszeit", bestätigte Luzifer. Merlin drehte sein Hinterteil zur Futterkrippe und Luzifer nutzte die Gelegenheit, sich zur Nachtruhe zu begeben.