Читать книгу Ein Kriminalfall für Luzifer - Christiane Siegert - Страница 8
Luzifer denkt nach
ОглавлениеZusammengerollt, den Schwanz über die Augen gebettet - Luzifer nannte es seine "Denker-Position" - kuschelte er sich zurecht. So konnte er am besten überlegen und im schlechtesten Fall darüber einschlafen, das war ihm schon öfters passiert.
Okay, also weniger Hafer, begann er zu grübeln. Wahrscheinlich ist Merlin einfach zu fett und Miriam hat ihn auf halbe Portion gesetzt oder so etwas in der Art, schlussfolgerte er. Futterprobleme, pah, als ob das was wirklich Interessantes wäre.
Seinen ersten Fall hatte Luzifer sich wirklich anders vorgestellt. Aber es war zur Zeit das Einzige, was ihn wenigstens ein bisschen beschäftigte und als Detektiv, so wurde ihm in diesem Moment klar, musste er jeden Fall wahrnehmen, um seine Fähigkeiten weiter auszubauen. Die Theorie hatte Luzifer drauf, Verstecken, Beschatten, Anschleichen, alles kein Problem. Jetzt wurde es Zeit für die Praxis!
Wie würde Sherlock Holmes das denn machen?, überlegte Luzifer und wandte seine Gedanken den Hörspielen zu. Er ging noch einmal alle durch, an die er sich erinnerte und dachte über die einzelnen Ermittlungsschritte nach und verglich sie dann mit seinem momentanen Stand der Ermittlungen. In Gedanken erstellte er eine Checkliste, die er Punkt für Punkt abarbeitete.
Also, begann Luzifer, als erstes lässt sich Sherlock Holmes immer alles über den Fall erzählen. Habe ich auch gemacht. Zweitens: Wenn er die Lösung nicht bereits aus dem Erzählten herausfiltern kann, was mir nicht gelungen ist, begeht Sherlock Holmes den Tatort und sammelt Beweise."
Das hatte Luzifer noch nicht gemacht und er überlegte laut: "Mhhh, ob mir das was bringt? Tatort ist ja Merlins Box und der Futtertrog, oder? Den Hafer hat Merlin aber eh gefressen, was soll ich da also finden?" So richtig konnte er sich mit dem Fall einfach nicht anfreunden, er erschien ihm zu lapidar. Doch dann beschloss Luzifer, diesen lächerlich leichten Fall zur Übung zu nehmen, bis eine wirklich große Herausforderung für ihn kam. So sprang er wieder von seinem Schrank herunter, lief in Merlins Box und untersuchte sie gründlich. Er fand Stroh und Heu, nichts ungewöhnliches in einer Pferdebox. Die Tränke war auch noch fest an der Wand befestigt und, wie er es sich gedacht hatte, im Futtertrog herrschte gähnenden Leere. Das war nichts, dachte sich Luzifer, wie hab ich mir auch denken können, dass ich hier einen Hinweis finde? Er überlegte. Ich muss weitersuchen, aber wie? Und vor allem wo?
So einfach, wie er es sich gedacht hatte, war der Fall doch nicht zu lösen. Luzifer bemerkte mit Überraschung, wie er immer mehr Spaß an der Sache fand. Sein Ehrgeiz war geweckt und der Kater überlegte, wo es weitere Hinweise geben könnte. Da fiel es ihm ein: die Futterkammer. Jeder Reiter hatte dort seine eigene Futtertonne stehen, weil im Stall jeder sein Futter selbst zusammen- und in Eimern vor die Boxen stellte. Die wurden dann morgens und abends verfüttert, also das Futter darin, nicht die Eimer. Gesagt, getan. Luzifer schöpfte neue Hoffnung und hüpfte munter in Richtung Futterkammer davon.
Darin angekommen, stand der Kater vor dem nächsten Problem, das er nicht bedacht hatte. Na toll, dachte sich Luzifer, welche dieser blöden Tonnen ist jetzt die von Miriam?
Die Futterkammer war aus Luzifers Sicht das einzige, was noch langweiliger war als sein momentanes Leben. Mäuse konnten sich hier zu gut verstecken, es war zu dunkel und roch immer irgendwie komisch. Deshalb hielt er sich nie dort auf, was sich jetzt als Nachteil herausstellte.
Vor Luzifer standen, u-förmig angeordnet, 25 Futtertonnen, alle blau mit schwarzem Deckel. Ratlosigkeit überkam den Kater. Was sollte er jetzt machen? Wie heraus bekommen, welche Tonne Miriam gehörte?
Ich muss einfach jede untersuchen!, beschloss Luzifer. Heureka, ich hab's! Man bin ich doof, ich bin doch ein Kater und als solcher hab ich eine gute Nase. Vielleicht kann ich ja erschnuppern, welche Tonne Miriam gehört.
Luzifer machte sich an die Arbeit, sprang auf die erste Tonne und untersuchte sie durch intensives Beschnuppern. Sein Geruchssinn protestierte. Für einen kurzen Moment glaubte der Kater, nie wieder etwas riechen zu können. Der intensive Geruch von Eukalyptus war ihm in die Nase gedrungen. Empört sprang er auf die nächste Tonne und atmete ein paar Mal tief durch, bis der ekelhafte Geruch nicht mehr ganz so stark in seiner Nase festhing.
Na die kann ich schon mal ausschließen, dachte sich Luzifer und fuhr mit seiner Untersuchung fort.
Die Tonne, auf die Luzifer sich geflüchtet hatte, roch nicht weiter interessant und auch die folgendem Tonnen konnte er von seiner Liste streichen. Der jeweilige Geruch stimmte nicht.
Luzifer hoffte, entweder Mirams oder Merlins Geruch zu bemerken. Vielleicht roch auch der Hafer von Merlin anders? Dieser Gedanke erwies sich jedoch als völlig falsch. Hafer roch einfach nach Hafer.
Zum Glück kam gerade niemand in die Futterkammer, er hätte ein seltsames Bild vorgefunden. Den Stallkater, der gerade dabei war, von Tonne zu Tonne zu gehen, sich auf jeden einzelnen Deckel setzte, den Kopf senkte und intensiv zu schnüffeln begann. Im besten Fall hätte derjenige gedacht, Luzifer suche eine Maus, im schlechtesten Fall, der Kater sei verrückt geworden.
Luzifer schnüffelte weiter. Vielleicht ja die Pferdeleckerli? Die wurden in der Regel auch in den Tonnen aufbewahrt. Bei Merlins' Leckerli hatte Miriam einen wirklich sehr seltsamen Geschmack. Merlin bekam immer Rote Bete mit Kirscharoma und das war sehr geruchsintensiv. Diese Spur erwies sich als erfolgsversprechend. Hinten in der Ecke erschnüffelte Luzifer eindeutig den penetranten Kirsch-Geruch. Eigentlich mochte er den überhaupt nicht, doch jetzt erleichterte genau dieser ihm die Arbeit gewaltig. Zwei Tonnen kamen in Frage. Vor diesen saß Luzifer nun und überlegte, welche Miriam gehörte. Das musste sich doch herausfinden lassen!
Mit einem Sprung saß er auf einer der Tonnen und stimmte ein herzzerreißendes Katergejammer an. Es dauerte keine zwei Minuten, da standen zwei Reiter vor ihm. Luzifer machte sein liebstes Katzengesicht, tänzelte auf der Tonne herum und jammerte erneut. Einer der beiden sagte: "Nana, Luzifer, was hast du denn?" "Miaauu", ertönte die Antwort.
"Also Luzi, mein Kleiner ...", begann der eine Reiter. Den Rest des Satzes bekam Luzifer vor lauter aufkommender Wut nicht mehr mit. Er hatte sich wohl verhört! Seinen schönen Namen abzukürzen, das ging dem Kater gegen den Strich. "Luzi", das würde sich Luzifer aber merken und dem lieben Pferd dieses Verniedlichers heute Nacht mal einen Besuch abstatten, oder besser der Decke des Pferdes und sie zerkratzen! Das schwor er sich.
In der Zwischenzeit redete der Reiter weiter, als sei nichts gewesen. "Katerchen, wenn du dein Futter suchst, dann sitzt du auf der falschen Tonne, eins weiter nach rechts. Die gehört Miriam", drang die Stimme des Reiters in Luzifers Gedanken.
Oh, das war wichtig gewesen, gut das dieser Hinweis Luzifer nicht entgangen war. "Mau?" Luzifer wechselte auf besagte Tonne und sah fragend zu den beiden hoch und bekam die gewünschte Bestätigung. "Ja ich bin mir sicher."
"Pruuuuuu Mau." Luzifer schmeichelte sich an der Hand des Reiters entlang und überlegte: "Ok, ich hab die richtige Tonne, aber wie schaffe ich es jetzt, dass sie mir einer der beiden aufmacht? Ich muss doch reinsehen können." Luzifer begann zu schnurren, rieb seinen Kopf an den Händen des einen Reiters und mauzte leise. "Der ist aber heute komisch drauf, das macht er doch sonst nie", wandte sich der eine Reiter an den anderen.
"Ach, so sind Katzen nun mal. Meine zuhause hat auch manchmal ihre fünf Minuten. Komm, wir machen ihm die Tonne einfach auf. Dann kann er reinschauen und gibt Ruhe, sonst heult er hier noch Stunden rum."
"Bingo", dachte sich Luzifer und wechselte wieder auf die andere Tonne. Wo er drauf saß, das konnte nicht aufgemacht werden, das war ihm glasklar.
"Als ob er uns verstanden hätte", meinte einer der beiden Reiter. "Schau mal, er hat sich auf die andere gesetzt."
Sieh an, dachte sich Luzifer, Menschen sind doch nicht so blöd, wie sie aussehen.
Einer der beiden hob den Deckel der Tonne. Neugierig schaute Luzifer über den Rand und blickte in gähnende Leere. Nicht ein Haferkorn lag darin. Der Kater schüttelte nachdenklich den Kopf.
"Na siehst du Luzi, nichts drin, noch nicht mal Futter für Merlin. Miriam bringt bestimmt heute Abend einen Sack Hafer mit und für dich eine frische Dose."
Sack Hafer? Luzifer überlegte. Konnte das die Lösung des Rätsels sein? Er sprang von der Futtertonne und begab sich wieder in die Sattelkammer auf seinen Schrank um in Ruhe zu überlegen. Er hatte eine Theorie, soviel war ihm klar, aber damit konnte er noch nicht zu Merlin. Jetzt wollte Luzifer es ganz genau wissen. Sherlock Holmes löste seinen Fall auch erst dann auf, wenn er zu 100% die Lösung hatte. Auch wenn dabei gelegentlich mal ein Mensch sterben musste. Aber die Gefahr bestand bei Merlin definitiv nicht. Bis der verhungert war, würde es noch ein Weilchen dauern.
Sich mit einer bloßen Vermutung abgeben, pah, das wäre Sherlock Holmes im Traum nicht eingefallen, also fiel es Luzifer noch viel weniger ein. Zwar riskierte er im Gegensatz zu einem Sherlock Holmes nicht seinen Job, wenn sich seine Theorie als falsch herausstellen sollte, wohl aber seinen Katerstolz und das ging mal gar nicht. Mit diesem Gedanken überkam ihn die Müdigkeit, in seine alte Fleecedecke gekuschelt schlief Luzifer ein. Und ärgerte sich, als er wieder aufwachte. Er wollte doch einen Plan haben, stattdessen hatte er im Traum nach Mäusen gejagt und diese noch nicht einmal bekommen.
Konzentrier dich, Luzifer, konzentrier dich!, ermahnte er sich selbst und fasste in Gedanken noch einmal alles zusammen, was er bis jetzt in Erfahrung gebracht hatte. Nach kurzem Überlegen wurde ihm klar, dass sein einziges Mittel um diesen Fall lückenlos aufklären zu können, die Observation war. Er musste Miriam genau observieren und feststellen, ob wirklich nur der nicht vorhandene Hafer daran Schuld war, dass Merlin heute so wenig bekommen hatte. Er würde heute Abend wenn Miriam kam, dabei sein und sie auf Schritt und Tritt verfolgen. Aber bis dahin hatte Luzifer noch etwas Zeit.