Читать книгу Ein Kriminalfall für Luzifer - Christiane Siegert - Страница 5

Luzifers Schlafplatz

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"Luzifer, nicht schon wieder! Komm da raus!", rief Miriam empört. Sie stand vor ihrem Pferd und musterte mit missbilligendem Blick das Hinterteil von Merlin. Unter dessen Decke wölbte sich eine Kugel. Luzifer hatte es sich mal wieder bequem gemacht. "Warum muss er sich ausgerechnet Merlin aussuchen?", wandte sie sich fragend an ihre Freundin Maja, die ebenfalls neugierig in Merlins Box getreten war. "Naja, es handelt sich eben um einen besonderen Kater", erklärte Maja, "normale Stallkater oder -katzen hat schließlich jeder. Aber welcher Reitstall hat schon einen Kater, der als besten Freund ein Pferd hat, nachts auf dessen Rücken schläft und jeden Mittwoch in der Sattelkammer Detektivgeschichten mithört? Auch wenn Luzifer wohl glaubt, dass ihn auf seinem Schrank keiner sieht." Miriam musste grinsen. Luzifer war wirklich ein spezieller Kater. Jeden Mittwoch amüsierten sich die Reiter aufs Neue, wenn Luzifer kurz vor 18.00 Uhr mit völlig unbeteiligtem Gesicht in die Sattelkammer schlich, jeden, der ihm begegnete völlig ignorierte und dann auf seinen Schrank sprang. Gestern war es wieder soweit gewesen. Der halbe Stall hatte sich in der Box gegenüber der Sattelkammer versteckt um Luzifer zu beobachten. Britta und Stefanie hatten anschließend absolut überzeugend ihre "Wo-steckt-bloß-Luzifer?"-Nummer abgezogen, um den Kater auf gar keinen Fall zu enttäuschen.

"Kennst du schon seine neuste Geschichte?", fragte Miriam Maja. Als die den Kopf schüttelte, erzählte Miriam: "Gestern Morgen saß er patschnass im Gebüsch und hat dort gewartet, bis Tonja in ihr Auto gestiegen ist. Luzifer hat wohl gerade geübt, nicht gesehen zu werden." Maja fing bei dieser Vorstellung an zu lachen. Sie konnte sich bildlich vorstellen, wie Luzifer bei Regen im Gebüsch gesessen und gewartet hatte. Es wäre egal gewesen, wie lange Tonja gebraucht hätte, Luzifer wäre nicht eher zum Stall gegangen, bis sie weggefahren wäre. Da kannte der Kater nichts.

Miriam kam ein Gedanke: Ob Luzifer sich auch unter Merlins Decke versteckte, weil er dachte, dort würde ihn keine sehen? Sie musterte gemeinsam mit Maja nachdenklich den Deckenhügel. "Was jetzt?", fragte Miriam ratlos.

"Schmeiß Luzifer einfach runter", schlug Maja vor. Entsetzt schüttelte Miriam den Kopf. "Das letzte Mal als ich das gemacht habe, hatte Merlin drei dicke Kratzer auf'm Poppes und war stinksauer auf mich. Das mache ich nie wieder." Maja grinste und meinte: "Nimm das doch nicht so persönlich." Nicht persönlich nehmen, Maja hatte da gut reden. Miriam mochte es, wenn sie in den Stall kam und Merlin ihr aus seiner Box zuwieherte. Wenn das Pferd aber beleidigt war, drehte es sein Hinterteil zur Boxentür, drückte dagegen und Miriam kam gar nicht erst in die Box rein.

Miriam fing ihre abschweifenden Gedanken wieder ein und wandte sich erneut ihrem eigentlichen Problem zu und das hieß "Kater unter Pferdedecke".

"Ob es wohl Decken mit eingebauter Katzenkuhle gibt?", überlegte Miriam laut, "oder heißt es "eingenähter"? Dann würde die Decke nicht immer so ausbeulen."

"Egal ob "eingenäht" oder "eingebaut" für Luzifer kommt eh nur eine "Katerkuhle" in Frage", wendete Maja ein, "aber was ich eigentlich sagen wollte: So eine Decke mit Katerkuhle wäre eine Sonderanfertigung und somit sauteuer. Du und Luzifer werdet weiterhin mit Decke ohne Kuhle leben müssen." Miriam grinste und wendete sich dem Deckenhügel zu. Vielleicht würde Luzifer sich bequemen, von Merlin herabzusteigen, wenn sie ein bisschen Süssholz raspelte. Darauf stand der Kater. In Gedanken formulierte Miriam ihren Satz, überdachte ihn noch einmal und sagte dann: "Luzifer, hättest du bitte die Güte, unter Merlins Decke hervorzukommen und vor allem von ihm runter? Wir würden gerne ausreiten."

Unter der Decke hatte Luzifer bereits zu Beginn des Gesprächs seine Ohren gespitzt und Miriam interessiert und zufrieden zugehört. Miriam wusste einfach, wie ein Kater von Luzifers Stand gerne behandelt wurde. Tatsächlich dachte er darüber nach, sein lauschiges Plätzchen zu verlassen, aber ein bisschen würde er Miriam noch zappeln lassen. Auf die erste Aufforderung zu reagieren, welche Katze machte das schon? Miriam streichelte den Deckenhügel und redete bewundernd weiter. "Wie schaffst du es nur immer, da drunter zu kommen? Ist eine großartige Leistung von dir. Und warum immer Merlin? Der gefällt dir, oder?"

Luzifer dachte bei sich, dass er beide Fragen leicht beantworten könne, aber dass bekanntlich Katzen, speziell natürlich Kater, ihre Geheimnisse niemals verrieten und auch bei so netten Personen wie Miriam nur selten eine Ausnahme machten.

Aber eigentlich, überlegte er, könnte ich das ruhig machen und eine von Miriams Fragen beantworten. Schließlich versteht sie mich ohnehin nicht.

Die Lösung war ganz einfach: Für Luzifer hatte Merlin einfach die perfekte Größe. Alle anderen Pferde im Stall waren für den Kater einfach zu hoch, er hatte das ausreichend und mit nicht wenigen Misserfolgen getestet. Nur bei Merlin konnte Luzifer vom Futtertrog bequem auf den Rücken des Haflingers springen und unter die Decke krabbeln. Wie Luzifer es allerdings schaffte, unter die Decke zu krabbeln, das würde er niemals irgendjemandem sagen oder zeigen, das stand fest.

Luzifer bewegte sich unter der Decke und beschloss, dass Miriam heute Glück hatte. Er musste sowieso mal wohin, also durfte sie auch ausreiten. Über Merlins Schweifansatz kam unter der Decke zuerst ein rosa Näschen mit prächtigem Schnurrbart hervor, dann ein dicker, schneeweißer Katerkopf mit zwei bernsteinfarbenen Augen, es folgten die Brust und Vorderbeine, ebenfalls schneeweiß. Merlin drehte sein Hinterteil zum Futtertrog, Luzifer stieg würdevoll hinein, sprang von dort auf den Boden und marschierte mit hoch erhobenem Puschel-Schwanz, selbstverständlich auch schneeweiß, in Richtung Stalltür und hinaus. Lange brauchte er für den Weg nicht, denn das Stallgebäude beherbergte nur 25 Pferde und Merlin stand in der vierten Box auf der rechten Seite.

Miriam atmete auf. So leicht war es nicht immer, Luzifer davon zu überzeugen, ihr Merlin zu überlassen. Maja schaute dem Kater nach, wie er als weißer Punkt über die matschigen Wiesen hüpfte und überlegte laut: "Wenn es dieses Jahr noch schneit, müssen wir ihn bunt anmalen oder er bekommt ein Leuchthalsband. Den Mist wie im letzten Jahr mach ich nicht nochmal mit."

"Lass ihn das bloß nicht hören, sonst ist er sauer. Von wegen Halsband", antwortete Miriam. Maja schüttelte missbilligend den Kopf. Miriam tat immer so, als würden Tiere verstehen, was die Menschen sagten. Deshalb redete sie auch so viel mit ihrem Merlin und hatte Luzifer quasi adoptiert als der Kater angefangen hatte, bei Merlin in der Box zu übernachten. Mit so einer Gefühlsduselei konnte Maja nichts anfangen, deshalb meinte sie: "Ach, das versteht er doch eh nicht."

Miriam ging auf diesen Kommentar nicht ein. Was Tiere und das Verständnis für sie betraf, waren Maja und sie einfach zu unterschiedlicher Meinung. Luzifer und ein Halsband? Wie stellte Maja sich das vor? Er würde das als persönliche Beleidigung auffassen, dessen war Miriam sich sicher. Aber was machte sie sich überhaupt Gedanken über ungelegte Eier? Wenn das Wetter so blieb, würde niemand Luzifer im Schnee suchen müssen. Bei Temperaturen um 18 Grad bestand dafür absolut keine Gefahr.

"Wenn sich das Wetter in den nächsten paar Tagen nicht ändert, wird's mal wieder nichts mit "Weiße Weihnacht"", seufzte Miriam und wechselte damit das Thema. Maja bestätigte das bedauernd und ging zu ihrer Stute um sie zum Putzen zu holen. "Wir treffen uns gleich am Putzplatz", rief Maja Miriam zu, bevor sie in der Box ihrer Stute verschwand. Miriam griff nach Merlins Halfter, dass an der Box hing, betrat die Box und zog das Halfter dem Pferd über. Dann öffnete sie die Boxentür und führte Merlin zum Putzplatz. Dort band sie ihn fest und meinte: "Na dann auf Merlin, lass dich mal schön machen. Viel Zeit haben wir ja nicht mehr, sonst kannst du nicht pünktlich als Nachtlager dienen." Während des Putzens stand Merlin ganz still und genoss es, gestriegelt zu werden.

Maja kam kurz darauf hinzu und band ihre Stute Januarmond neben Merlin an. Während Maja und Miriam ihre Pferde putzten unterhielten sie sich. Maja fragte Miriam zum 100ten Mal, was ihr an ihrem Haflinger Merlin so gut gefiel. Für Maja kamen nur "richtige" Pferde in Frage, groß, sportlich gebaut, mit denen man auf schicken Turnieren schicke Preise holen konnte. Miriam erklärte Maja zum ebenfalls 100ten Mal, dass Merlin für ihre Reitbedürfnisse einfach perfekt war, was Maja zum 100ten Mal nicht verstand. Um sich nicht weiter rechtfertigen zu müssen sagte Miriam: "Deine zappelige Januarmond will ich nicht geschenkt. Das letzte Mal als wir ausgeritten sind, ist sie durchgegangen."

Maja protestierte energisch: "Aber nur, weil Luzifer auf dem Hintern von Merlin saß. Er musste ja unbedingt mit ausreiten. Das hat meine Stute erschreckt."

Jaja, dachte Maja bei sich, Luzifer ist Schuld oder das Wetter oder das gemein-gefährliche Killer-Eichhörnchen. Maja will sich einfach nicht eingestehen, dass ihre Stute nen Sprung in der Schüssel hat. Merlin drehte sich zu Miriam um und schubste sie vorsichtig, als wolle er ihr zustimmen. "Manchmal glaube ich, du kannst Gedanken lesen", flüsterte Miriam Merlin leise zu. Merlin schüttelte den Kopf sodass die Mähne von links nach rechts flog. Miriam musste laut lachen. "Ich bin fertig, Maja. Sauberer kriege ich den Zottelpelz nicht."

"Na dann los." Gemeinsam sattelten sie die Pferde, ritten hinaus in den Wald und nutzten die Regenpause.

Ein Kriminalfall für Luzifer

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