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Didrik wirft das Fahrrad auf den Gartenweg, zieht den Schlüssel aus der Tasche und öffnet die Haustür. Niemand ist zu Hause. Er schleudert die Schuhe von den Füßen, daß sie in verschiedene Richtungen fliegen, wirft die Schultasche in eine Ecke, nimmt sich nicht einmal Zeit, die Jacke auszuziehen, reißt die Tür zu seinem unaufgeräumten Zimmer auf. Erst als er beim Klavier angekommen ist, beruhigt er sich.

Und in dem Augenblick, als Didriks Hände die Tasten berühren, geschieht etwas Phantastisches: Aus dem klobigen, plumpen Möbelstück mit Rissen im Lack dringen die reinsten, klarsten Töne. Diese Töne vereinigen sich zu langen Melodien, die bis unters Dach klingen. Didrik spricht mit dem Klavier, indem er mehrere Tasten anschlägt, und das Klavier antwortet Didrik, indem es seine verborgenen Töne klingen läßt. So kann Didrik sich stundenlang mit dem Klavier unterhalten. Er spielt leidenschaftlich und singt laut, denn im Haus ist niemand, der ihn hören könnte. I love you, I love you, I love you . . .

Da fliegt die Tür auf, und herein rauscht Ebba, ihr Freundschaftsbuch in der Luft schwingend.

»Wo kommst denn du her?« faucht Didrik.

»Ich wohne hier«, antwortet Ebba, legt sich auf den Fußboden und schlägt eine Seite ihres Freundschaftsbuches auf. »Ich muß dich was fragen.«

Die einzige Möglichkeit für Ebba, ihren Bruder zu treffen, besteht darin, sich ihm aufzudrängen. Sie wird nie in sein Zimmer eingeladen. Er erzählt ihr nie etwas.

»Mußt du unbedingt hier sein?« fragt Didrik gequält.

»Ich hab’ keine Lust, alleine drüben zu sitzen«, antwortet Ebba. »Nun hör mal, was ist deine Lieblingsfarbe?«

»Blau«, seufzt Didrik. Ebba schreibt »blau« in ihr Freundschaftsbuch. Didrik klimpert lustlos weiter.

»Dein Lieblingssänger?«

»Stevie Wonder«, antwortet Didrik.

»Das kann ich nicht schreiben, sag mir jemand anderen.«

»Auf keinen Fall«, protestiert Didrik.

»Weißt du, daß er blind ist?« fragt Ebba.

»Mmh.«

»Du kannst nicht so gut spielen wie er – und dabei auch noch mit geschlossenen Augen!« ärgert Ebba ihn.

Didrik starrt seine jüngere Schwester an. Dann kneift er die Augen zu, legt die Hände auf die Tasten und spielt. Ebba betrachtet zweifelnd ihren Bruder, wie der versucht, die richtigen Tasten zu treffen. Plötzlich reicht es ihr, sie klappt das Freundschaftsbuch zu, schiebt sich den Stift hinters Ohr und geht.

»Tschüs, ich verstehe sowieso nichts davon«, sagt sie und wirft die Tür hinter sich zu.

Erleichtert spielt Didrik weiter. Und nun geschieht es wieder. Wenn er in Ruhe und Frieden spielen kann, ist es, als hörte die Zeit auf zu existieren. Der Klavierschemel wird zu einem fliegenden Teppich und erhebt sich hoch in den Himmel, um über den Wolken zwischen herrlichen Winden zu tanzen . . .

Unverhofft wird die Tür erneut aufgerissen. Didrik erwacht aus seinen Träumen und wird unsanft auf die Erde zurückgeholt. Diesmal steht Papa in der Tür.

»Was machst du?« fragt er, und er sieht dabei müde aus.

»Klavier spielen«, antwortet Didrik.

Papa seufzt. Im Arm hält er eine Tüte mit Lebensmitteln. »Vielleicht kannst du mir statt dessen helfen, Essen zu machen?«

Didrik bleibt auf seinem Klavierschemel sitzen. »Ich spiele«, wiederholt er.

»Ich bin der Meinung, daß du damit jetzt mal aufhören solltest, Didrik«, sagt Papa freundlich.

Didrik hockt regungslos auf dem Schemel und atmet heftiger. Warum läßt man ihn nie in Ruhe Klavier spielen?

»Du klimperst ja doch nur. Wenn du wenigstens deine Lektionen üben würdest! Weißt du, was mich deine Klavierstunden kosten?«

Didrik kann nicht einmal mehr seufzen. Sein ganzer Protest besteht in einem ungeduldigen Gesichtsausdruck. Papas Bedingung dafür, daß sie das Klavier behalten, besteht darin, daß Didrik Unterricht nimmt und »ordentlich« zu spielen lernt, das heißt nach Noten. Aber Didrik möchte viel lieber das spielen, was ihm selbst einfällt. Er hat schon mindestens 10 Lieder verfaßt, doch es zählen anscheinend nur die Klavierstunden. Papa erklärt, »das Geklimper« sei »uninteressant«, und redet immer mal wieder davon, das Klavier zu verkaufen. Er findet, daß Didrik genausogut Fußball spielen könnte.

»Du solltest rausgehen und was Vernünftiges tun. Na los!« sagt Papa aufmunternd.

Didrik sitzt stumm da und starrt auf die Klaviertasten. Seine Backen röten sich. Papa merkt nichts davon, er dreht sich um und geht in die Küche. »Ich bin heute etwas früher nach Hause gekommen, weil ich das Mittagessen machen will. Ich werde dazu ein eigenes Curry herstellen! Wußtest du, daß Curry nicht ein Gewürz ist, sondern eine Mischung aus einer ganzen Menge verschiedener Stoffe? Das habe ich auch nicht gewußt, aber jetzt habe ich gelernt, wie man es macht. Willst du sehen, wie man Curry herstellt?«

Papa baut alle Zutaten in der Küche auf, glücklich wie ein Kind. »Kommst du?« fragt er und bindet sich die Schürze auf dem Rücken zu.

In Didriks Zimmer ist es immer noch still.

»Didrik?« ruft Papa. »Na, jetzt brauchst du doch nicht mehr sauer zu sein. Hilf mir lieber!« sagt er vergnügt, während er auf Didriks Zimmer zugeht.

Er öffnet die Tür. Das Zimmer ist leer.

»Was?«

Das Fenster steht offen. Didrik hat sich davongemacht.

Didriks Geschichte

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