Читать книгу Zur Fremdrechtsanwendung im Wirtschaftsstrafrecht - Christina Konzelmann - Страница 56
ОглавлениеTeil 3 Die Dogmatik der Fremdrechtsanwendung › III. Fremdrechtsanwendung in Literatur und Rechtsprechung › 2. Die Untersuchung Nowakowskis
2. Die Untersuchung Nowakowskis
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1971 nahm sich Nowakowski der Untersuchung über die Anwendung des inländischen Strafrechts auf außerstrafrechtliche Rechtssätze an.[1] Er gelangte dabei zu dem Ergebnis, dass die Rechtsordnung, auf die durch normative Tatbestandsmerkmale verwiesen wird, nicht einheitlich bestimmt werden könne, sondern vielmehr vom Geltungsbereich der jeweils angesprochenen Normen abhänge. Mithilfe des inländischen Rechts müsse zunächst ermittelt werden, ob sich der Schutz der Strafdrohung auf ausländische Rechtsgüter erstrecke und sodann sei zu klären, ob und inwieweit diese Interessen am Tatort beeinträchtigt werden können. Sofern es von positivrechtlichen Bestimmungen abhänge, ob die von der Strafdrohung geschützten Interessen rechtens überhaupt bestehen, müsse jenes Recht herangezogen werden, das im Einzelfall darüber entscheidet. Das zur Ermittlung heranzuziehende Tatortrecht sei dabei jenes Recht, das durch die Vorschriften über den Geltungsbereich berufen wird und bei zivilrechtlichen Fragen damit das IPR.[2] Dabei gelte es stets, die Schranke des ordre public zu beachten.[3]
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Damit stehe der Beurteilung des betreffenden Lebenssachverhalts einer Auslandstat nach ausländischem Recht auch nicht der Grundsatz entgegen, dass der deutsche Strafrichter nur deutsches Strafrecht anwenden dürfe. Die Vorschriften des internationalen Strafrechts schalten den räumlichen Geltungsbereich außerstrafrechtlicher Rechtssätze nicht aus. Vielmehr bestimme gerade der Geltungsbereich dieser Rechtssätze, dass bei Auslandssachverhalten ausländisches Recht angewendet werden könne. Dies liege darin begründet, dass die Beurteilung, ob ein schützenswertes Rechtsgut vorliegt, nicht durch das Strafrecht vorgenommen werde. Zwar werde der Begriff „Rechtsgut“ oft so definiert, dass er von vornherein nur auf die strafrechtliche Tatbestandsmäßigkeit bezogen sei. Rechtsgüter seien aber vielmehr Lebens- und Interessenbereiche des Einzelnen und der Allgemeinheit, die wegen ihrer sozialen Bedeutung geschützt werden, wobei die Strafdrohung nur eine mögliche Form des Schutzes darstelle. Das Strafrecht habe jedoch nicht die Funktion, den schon anderwärts gegebenen Rechtsgüterschutz zu überlagern und zu verstärken, sondern sei davon losgelöst autonom, weshalb die Begriffe, die es gebrauche, auch nicht notwendig mit denen des Zivil- oder Verwaltungsrechts übereinstimmen müssten. Zu beachten sei jedoch immer das „Prinzip der Einheit der Rechtsordnung“. Die Verletzung von Interessen, die das Strafrecht sanktioniere, sei in der Regel auch außerhalb des Strafrechts als Unrecht gekennzeichnet und unter Strafandrohung gestellt. Darum liege es nahe, das internationale Strafrecht nur auf die Sanktionsnormen zu beziehen, die das Strafrecht im eigentlichen Sinne ausmachen. Die Bestimmung, ob und in welchem Umfang das geschützte Rechtsgut am Tatort als solches anerkannt ist, werde von der Rechtsordnung entschieden, die durch die jeweiligen Normen des IPR oder über den Geltungsbereich der in Frage kommenden öffentlich-rechtlichen Bestimmungen ausgewiesen sei.[4]