Читать книгу Blutspende mit Folgen - Christine Engel - Страница 9
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Alanya war bereits eine Stunde vor dem verabredeten Termin von dem Labor des Berger Pharmakologiekonzerns. Sie wollte sichergehen und nicht zu spät erscheinen. Endlich ging die Tür an der Seite auf und der Wachmann von gestern erschien in der Tür. Er sah sich um und als er Alanya sah, lächelte er. »Und hast du das Geld?«
Alanya nickte und hielt es ihm hin. »Bitte. Wo ist mein Sohn?«
Der Mann zählte die Scheine und steckte sie ein, dann drehte er sich um und kehrte kurze Zeit später mit dem kleinen Jungen zurück. »Hier«, sagte er und reichte ihr das Kind.
Alanya sah Sammy an und erkannte, dass er ganz schrecklich geweint haben musste, denn die Augen waren immer noch rot.
Als er seine Mutter erkannte, streckte er die Arme aus. »Mama!«
Sofort nahm sie ihn in die Arme. »Vielen Dank«, sagte sie zum Wachmann. Dann drückte sie das Kind noch einmal fest an sich. »Mama ist ja da, mein kleiner Schatz. Alles wird wieder gut.«
Der Wachmann schüttelte den Kopf, ging wieder hinein und schloss die Tür. Pedanios stand im Schatten des gegenüberliegenden Gebäudes dicht an die Mauer gelehnt und beobachtete die Vorgänge. Er wusste nicht, was er mit der Beobachtung anfangen sollte. Die Morgensonne ging hinter den Häusern auf und begann unangenehm auf seiner Haut zu brennen, obwohl er ihr nicht direkt ausgesetzt war. Er musste dringend gehen. Er dematerialisierte sich und begab sich zu seinem Büro. Rasch stieg er in den Fahrstuhl und fuhr ins Erdgeschoss, wo er ins Labor ging. Dort wollte er sich einen Menschen suchen. Dr. Römer war der erste, der ihm dort über den Weg lief. »Guten Morgen Dr. Römer, Sie müssen mir einen Gefallen tun.«
Erschreckt, als er so plötzlich hinter ihm auftauchte, drehte sich der Arzt um und sah Dr. Curides an.
»Sie müssen die junge Frau von gestern beschatten, aber so, dass sie Sie nicht bemerkt. Verstanden!« »Aber ich wollte hier doch …«
»Verstanden?« Er legte eine Schärfe in seine Stimme, der sich der arme Mann nicht entziehen konnte.
Er atmete erschreckt ein, als er die Gefahr spürte, die plötzlich greifbar im Raum stand. »Wo befindet sie sich denn?«
»Sie können meinen Wagen nehmen, denn Sie müssen zum Berger Konzern rüber. Dort an der Bushaltestelle stand sie eben noch.«
»Na, wenn ich da bin, wird sie weg sein!«
Wütend biss Danny die Kiefer zusammen. »Nicht wenn Sie sich mal beeilen würden.« Er reichte dem Arzt seine Wagenschlüssel. »Sie müssen den ganzen Tag bei ihr bleiben und mir berichten, was geschieht. Aber sie darf Sie dabei nicht sehen. Verstanden?«
»Ja, aber ….«
»Das war ein Befehl! Ich würde es selbst machen, aber das geht leider nicht.«
Dr. Römer sah ihn nur an. So bestimmend hatte er Dr. Curides noch nie erlebt.
»Wenn es dunkel wird, bin ich wieder hier. Dann erwarte ich Bericht!«
Dr. Römer nickte und starrte den Leiter des Labors weiter an.
Er nickte und reichte ihm den Autoschlüssel. »Ich danke Ihnen!«
An der Bushaltestelle stand Alanya neben ihrem Sohn. »Sammy mein kleiner Liebling, was wollen wir denn heute machen?«
»Spielplatz!«
»In Ordnung, hast du denn schon etwas gegessen?«
Sammy schüttelte den Kopf.
»Na gut, dann holen wir uns unterwegs ein Brötchen und gehen zum Spielplatz. Was hältst du davon, wenn das Wetter mitmacht, gehen wir nachher in den Zoo?«
»Oh, ja!«
An der Ecke war ein Bäcker und Alanya betrat mit ihrem Sohn auf dem Arm hinein und holten sich jeder ein Brötchen. Sammy lehnte sich an ihre Schulter und kaute vergnügt, als er sie den Laden wieder verließen. Dann gingen sie zusammen zur Bushaltestelle und warteten einige Zeit, ehe der Bus vorfuhr. Dann stiegen die beiden ein und fuhren ein paar Stationen, ehe sie beim Park wieder ausstiegen. Sammy saß auf ihrem Schoß und schaute glücklich aus dem Fenster. Die ganze Zeit über hielt Alanya ihren Sohn fest an sich gedrückt. Nie wieder würde jemand ihn ihr wegnehmen.
Sammy kuschelte sich an seine Mutter und schaute raus. Trotz dieser schrecklichen Nacht hatte er scheinbar die Freude am Leben nicht verloren. »Guck! Ein LKW!« Sammy deutete auf einen großen Lastkraftwagen, der durch die Straße fuhr.
»Oh ja, der ist wirklich groß!« Alanya küsste ihn zärtlich auf den Kopf. Dann hob sie ihren Sohn hoch und stand auf. »Hier müssen wir aussteigen, mein Schatz!« Sie trug ihn zum Ausgang.
Sammy sah sich interessiert um, als sie ausstiegen.
»Runter«, bettelte Sammy, als sie ihn ein Stück in Richtung des Parks getragen hatte. Also stellte sie ihn auf die Füße und gemeinsam gingen sie langsam zum Park. Die Sonne schien warm und es versprach ein schöner Tag zu werden.
Erst gingen sie zum Schaukeln und dann zur Sandkiste. Sie genossen die Stunden in der Sonne im Park und als sie abermals Hunger bekamen, holten sie sich erneut ein Brot und einen Hotdog. Alanya sah in ihre Geldbörse. Das Geld reichte noch gerade, um mit ihm in den Tierpark zu gehen. Er hatte eine so schreckliche Nacht hinter sich, da wollte sie ihm wenigstens einen wundervollen Tag verschaffen.
»Jetzt noch in den Tierpark?«
»Ja«, er sprang hoch. »Tierpark, Tierpark!« Er hüpfte vor ihr her und sie freute sich, ihn so glücklich zu sehen. Es wärmte ihr Herz. Lächelnd folgte sie ihm.
Der Tierpark war leider sehr voll, da es der erste wirklich warme und trockene Tag in der letzten Zeit war und viele Menschen diesen Nachmittag nutzten, um mit ihren Kindern in einen Ausflug zu gehen. Trotzdem war es großartig zu sehen, wie der kleine Junge die Tiere streichelte und sich freute, wenn sie an ihm vorbeiliefen. Besonders der tauchende Eisbär gefiel ihm gut. An der Schauscheibe konnte man seine riesigen Pranken am Glas betrachten.
Sammy war mächtig beeindruckt über die Größe und wollte gar nicht weiter gehen. Kurz nach Mittag wurde er allerdings plötzlich quengelig. »Na, jetzt ist es dir doch ein wenig anstrengend, was?« Alanya lächelte ihren Sohn an. »Dann lassen wir den Spielplatz hier wohl doch besser aus.« Alanya hob den Jungen auf die Arme. »Hey, du fühlst sich auch ganz warm an. Vielleicht ist es wirklich etwas viel. Wir gehen besser nach Hause. Dann kannst du schlafen!« Sie drückte ihn liebevoll an sich und er ließ es geschehen, ohne zu verlangen, selbst zu laufen. Das machte Alanya schon erhebliche Sorgen. Sie fuhren mit dem Bus zurück und gingen die Straßen zum Wohnhaus entlang. Alanya wurden langsam die Arme schwer. Sonst lief Sammy die Strecke ja immer und jetzt musste sie ihn tragen.
Endlich waren sie im Treppenhaus angekommen, da kam Jack auch schon die Treppe herauf. »Miss, ich müsste Sie mal sprechen!«
»Bitte nicht jetzt. Ich bin völlig erledigt. Es tut mir leid. Morgen habe ich wieder etwas zum Essen für Sie, ja?« Entschuldigend lächelte sie ihn an.
Aber der alte Mann blieb drei Stufen unter dem Erdgeschoss auf der Kellertreppe stehen und winkte ab. »Nein, nein. Ich will gar nichts haben. Ich hatte heute schon genug. Es geht um deinen Besuch von gestern.«
»Ach, der kommt sicher nicht wieder!«
»Nicht?« Irritierte schaute er zu ihr hoch. Da hatte er aber heute Morgen etwas anderes gehört. Sie hatte ihm versprochen, ihn wiederzusehen. Aber dann schüttelte er den Kopf. »Das ist auch gut so, Alanya. Der ist nicht gut! Da ist etwas Seltsames an diesem Mann!«
»Ja, das habe ich auch schon gemerkt.«
»Treffen Sie sich nicht mehr mit ihm, ja? Ich meine es wirklich nur gut!« Jack blieb auf der Treppe zurück.
Sein Verhalten verwirrte sie und sie runzelte die Stirn. Dann aber nickte sie und ging die Treppe hinauf zu ihrer Wohnung. Dort schloss sie die Tür auf, stellte Sammy aber nicht auf den Boden, wie sonst, da er matt in ihren Armen hing. Sie brachte ihn zu seinem Bett, wo sie ihm seine Jacke, die Mütze und die Schuhe auszog.
Er glühte förmlich.
»Oh, du hast Fieber bekommen. Vielleicht von dem ganzen Weinen?« Besorgt strich sie ihm die feuchten Locken aus der Stirn. Dabei hatte er den Tag über nicht mehr geweint. »Ich hole das Thermometer und den Fiebersaft.« Sie ließ ihn im Bett liegen und ging rasch in das Badezimmer, um die beiden Sachen zu holen. Die Messung ergab, dass er neununddreißig Komma acht Grad hatte. Eindeutig Fieber. Aber das war nicht so ungewöhnlich, denn Sammy bekam leicht Fieber, wenn er viel weinte, oder auch wenn er so wie jetzt Zähne bekam. Das kannte Alanya schon. Daher hatte sie auch immer Fiebersaft im Haus. Sie gab ihm die seinem Gewicht entsprechende Dosis. Dann erst nahm sie die Windel, zog ihm die Hose und Unterhose aus und die Windel an. Heute würde sie ihn nicht in den Schlafsack stecken, sondern sie nahm eine Wolldecke und deckte ihn damit zu. Wenn ihm dann zu heiß wurde, konnte er sie selbst wegstrampeln. Nun streichelte sie ihm noch einmal über den Kopf und sagte dann: »Jetzt schlaf ein bisschen. Nur im Schlaf wird der Mensch gesund!« Sie küsste ihn liebevoll auf die Stirn, deckte ihn leicht zu und ging leise raus. Heute würde er eben ohne Nachtzeug schlafen.
Alanya ging ins Schlafzimmer und räumte dort auf. Ihr Blick fiel dabei auf das Bett. Wie konnte ein Mann so nett und freundlich sein, wenn er für Menschen arbeitete, die mit Kindern Experimente machten? Sie wusste ja, dass um sechs Uhr im Labor die Experimente beginnen sollten, und er musste dann ja auch zur Arbeit. Aber vielleicht hatte sie ihm auch Unrecht getan und er arbeitete woanders. Aber es passte zeitlich alles so gut zusammen. Sie wusste nicht mehr, was sie denken sollte. Sie ging zum Fenster und zog die Vorhänge zu, obwohl die Sonne noch nicht untergegangen war. Müde ließ sie sich auf das Bett fallen. Dabei fiel ihr Blick auf den Orangensaft. Überrascht griff sie nach der Packung. So eine Sorte hätte sie niemals gekauft, der war viel zu teuer. Woher hatte er ihn denn nur geholt? Müde stellte sie ihn wieder weg, lehnte sich auf dem Bett sitzend an die Wand und schloss nur für einen Moment die Augen.
Sammys Schreie weckte sie und sie saß schon bei dem ersten Laut senkrecht im Bett. Draußen war es noch hell, also konnte sie nur einen Augenblick eingenickt gewesen sein. Eilig sprang sie auf die Füße und lief zu ihm hin. Schon lag er in ihren Armen. Mit der Hand auf der Stirn stellte sie auch ohne Thermometer fest, dass das Fieber gestiegen war. »Verdammt Sammy, was hast du denn nur?«
Die Sorge um ihren Sohn krampfte ihren Magen zusammen. Ratlos sah sie sich um. Vielleicht konnten kalte Wadenwickel helfen, denn den Fiebersaft konnte sie ihm nicht noch einmal geben, denn das wäre zu viel gewesen, aber etwas anderes hatte sie nicht hier.
Sammy weint weiter und sein Weinen wurde immer lauter. Er schrie sich regelrecht in Rage. Dann brüllte er lautstark und ließ sich nicht mehr beruhigen.
Alanya hatte ihn an sich gedrückt, aber das brachte ihn nicht dazu, ruhiger zu werden. Immer wieder krampfte er sich in ihren Armen zusammen. Sie wiegte ihn und ging mit ihm durch den Raum, wie sie getan hatte, als er ein Baby war, aber auch das brachte keine Änderung.
Er hörte nicht auf zu schreiben.
Sie bemühte sich, ihre Stimme ruhig klingen zu lassen, damit er keine Angst bekam, und redete beruhigend auf ihn ein. Aber die Angst um ihn schnürte ihr mittlerweile die Kehle zu und nicht geweinte Tränen drückten ihr die Luft ab. Sie fühlte sich so hilflos und allein. Was sollte sie nur machen? Weiterhin redete sie beruhigend auf ihn ein. »Na, dann packen wir dich wohl wieder ein und gehen ins Krankenhaus! Ich weiß zwar nicht, wie ich das bezahlen soll, aber ich kann dich auch nicht einfach hier krank liegen lassen und nichts tun.« Sie legte ihn kurz wieder hin, um seine Jacke und ihren Mantel zu holen.
Kaum hatte sie in hingelegt, schrie er wieder lauter.
»Ich bin sofort wieder bei dir mein Sonnenschein«, tröstete sie ihn. Sie war gerade im Flur angekommen und hatte ihren Mantel angezogen und seine Jacke gegriffen, da hörte das Weinen auf und das Kind wurde ganz still. Erschreckt ließ Alanya die Jacke fallen und lief zu ihrem Sohn.
Er lag verkrampft und still in seinem Bett.
»Sammy! Sammy, sag doch was!« Sie riss ihn aus seinem Bett und hielt ihn in den Armen, aber er rührte sich nicht mehr. »Sammy, nein!« Sie legte ihn auf den Boden und horchte auf seinen Atem. Aber da war nichts. »Nein! Sammy nein! Du darfst nicht sterben!« Sie rüttelte ihn, aber er reagierte nicht. Da nahm sie ihn wieder hoch und drückte ihn ganz fest an sich. Der Schmerz trieb ihr nun die Tränen in die Augen. Sie sackte auf dem Boden zusammen und hatte ihren toten Sohn auf dem Arm. Sie wiegte sich mit ihm im Arm hin und her. So sitzend schrie und weinte sie ihren Kummer laut raus. Die Verzweiflung und der Schmerz waren nicht zu ertragen. Dann, nach einiger Zeit, stand sie wie betäubt auf und nahm seine Decke und seinen Teddy aus dem Bettchen. Sie wickelte ihn darin ein. Sie holte sein Lieblingsauto und steckte es in die Manteltasche. Währenddessen liefen ihr die Tränen unaufhaltsam über das Gesicht, aber sie merkte es nicht. Mit ihrem Bündel im Arm verließ sie ihre Wohnung und wanderte die Straßen entlang, die durch die untergehende Sonne immer dunkler wurden.
Die Männer an den Ecken brüllten ihr blöde Bemerkungen hinterher, aber die hörte sie gar nicht, denn sie sah nur ihr Kind.
Alanya ging zum Friedhof. Zu dieser Zeit war hier kein Mensch mehr, deshalb sah auch niemand, wie sie durch den Haupteingang hineinging und zu einer Ecke des Friedhofes wanderte. Dort legte sie Sammy auf den Boden und hob ein Loch mit ihren Händen aus. Dabei wurde ihr Mantel gänzlich mit Erde besudelt, aber das interessierte sie nicht. Sie legte das Kind in das so ausgehobene Loch hinein. Da öffnete der Himmel die Schleusen und es begann heftig zu regnen. Aber auch das fühlte Alanya nicht. Sie gab Sammy noch sein Lieblingsauto hinzu. Seinen Schlafteddy hatte er ja bereits unter der Decke bei sich. Zögerlich bedeckte ihn mit Erde. Als sie fertig war, blieb sie weinend vor dem Grab auf den Knien sitzen und wiegte sich hin und her. Der Schmerz in ihrer Brust brachte sie fast um den Verstand. Hätte sie ihn doch nur rechtzeitig zum Krankenhaus gebracht, denn schon im Tierpark war ihr aufgefallen, dass er heiß war. Aber nein, sie musste es selbst versuchen. Sie musste sparen. Jetzt war er tot und es war ihre Schuld!
Dr. Römer sah die junge Frau dasitzen. Innerlich war er zerrissen, denn er verspürte den Drang, ihr zu helfen, aber er hatte versprochen, sich nicht zu zeigen. Außerdem ging die Sonne gerade unter und Dr. Curides wartete auf seinen Bericht. Aber so wie die Frau drauf war, würde sie sicherlich noch eine Weile dortbleiben. Hastig verließ er den Friedhof und fuhr mit dem Wagen in die Tiefgarage des Labors zurück. Im Gebäude rannte er beinahe zu dem Büro von Dr. Curides und klopfte. »Hallo Doktor, sind Sie schon wieder da?«
Sofort wurde die Tür aufgerissen und er fiel allein durch den Luftzug fast in den Raum hinein. »Was gibt es Neues?« Dr. Curides trug ein schwarzes T-Shirt und sah eigentlich nicht so aus, als sei er gerade zurückgekommen, er sah eher so aus, als habe er geschlafen.
»Also, ich bin ihr gefolgt, wie Sie es wollten.«
Danny nickte ihm erwartungsvoll zu.
»Sie war mit dem Kind den Vormittag über im Park auf dem Spielplatz und danach sind sie noch ein paar Stunden in den Zoo gegangen. Dort hinein bin ich ihnen nicht gefolgt, sondern habe davor gewartet. Als sie wieder herauskamen, sind sie zu ihrer Wohnung in die …«
»Ich weiß, wo sie wohnt«, unterbrach Danny ihn ungeduldig.
»Äh, gut, dann war sie einige Zeit dort drinnen, ich habe sie immer wieder kurz am Fenster gesehen, daher weiß ich, dass sie auch dort war.«
Danny nickte entnervt. »Dann aber verließ sie die Wohnung wieder. Als sie wieder herausgekommen ist und hat sie wirklich entsetzlich ausgesehen. Sie war verweint und trug einen kleinen, in eine Decke gewickelten Gegenstand. Damit ging sie zum Friedhof neben dem Park in der Nähe ihrer Wohnung. Dort hat sie ein Loch gegraben und den Gegenstand hineingelegt. Sie hat etwas begraben, ist dann davor sitzen geblieben und hat kläglich geweint. Dort sitzt sie wohl immer noch.«
Danny wischte sich über das Gesicht. »Okay! Danke! Ich werde mich darum kümmern!«
»Kann es sein, dass sie ihren Sohn dort begraben hat? Vielleicht hat sie ihn ermordet und dann dort begraben.«
Danny schüttelte den Kopf. »Das glaube ich nicht. Aber um sicher zu sein, werden Sie noch einmal hinfahren, ausgraben, was dort begraben wurde und hier ins Labor bringen.«
»Was bitte soll ich tun? Das kann doch nicht ihr Ernst sein! Es ist bereits dunkel draußen und es regnet. Warum denn ich?« Entsetzt sah Doktor Römer ihn an. »Dr. Curides, darf ich Sie daran erinnern, dass ich hier nicht der kleine Laborabgestellte bin, sondern Arzt und nicht ihr Laufbursche. Mark könnte noch hier sein. Ich könnte ihm den Auftrag geben!«
Danny sah ihm intensiv in die Augen. »Darf ich Sie daran erinnern, dass ich es bin, der Ihren Gehaltsscheck ausstellt! Wenn ich verlange, dass Sie etwas ausgraben und untersuchen, dann werden Sie es verdammt noch einmal auch tun. Oder ich werde jemand anderen finden, der Ihren Posten sehr gerne ausfüllen wird. Habe ich mich klar ausgedrückt?«
Doktor Römer trat erschreckt einen Schritt zurück und stand damit wieder im Flur. Er nickte und eilte davon.
Wütend knallte Danny die Tür zu. Seine Selbstbeherrschung hing an einem seidenen Faden. Er hatte den ganzen Tag Emotionen verspürt, die nicht seine waren. Er war plötzlich fröhlich gewesen, obwohl er in ein Mikroskop geschaut hatte. Das machte er zwar gerne, aber so eine Freude bereitete es ihm normalerweise nicht. Dann hatte er plötzlich Angst gehabt und am späten Nachmittag hatte ihn Kummer und Schmerz gebeutelt. Was waren das für Gefühle? Seine waren es eindeutig nicht. Aber damit würde er sich später weiter beschäftigen. Jetzt würde er erst einmal sehen, was mit der Frau los war. Sofort, als Dr. Römer verschwunden war, dematerialisierte sich Pedanios und begab sich zum Friedhof.
Als er auf dem Friedhof Gestalt angenommen hatte, senkte er den Kopf und zog tief die Luft in seine Lungen, aber da es draußen war und es in Strömen goss, konnte er sie nicht riechen. Aber er konnte sie trotz des prasselnden Regens eindeutig weinen hören. Er drehte sich in die Richtung, aus der das Schluchzen kam. Auch diesen unerträglichen Kummer fühlte er aus der Richtung, in die er jetzt ging. Konnte es sein, dass es ihre Gefühle waren, die er schon den ganzen Tag über gespürt hatte? Es goss wie aus Kübeln und schon nach ein paar Minuten war seine Kleidung durchgeweicht bis auf die Haut.
Pedanios kam direkt auf sie zu, aber sie reagierte nicht auf seine Anwesenheit. Sie hockte auf den Knien neben diesem Erdhaufen und wiegte sich hin und her. Unaufhaltsam liefen die Tränen und die Regentropfen über ihr Gesicht. Der Schmerz, der eindeutig von ihr ausging, fraß sich geradezu durch seine Eingeweide. Es musste etwas Schreckliches geschehen sein, dass sie so litt. Sie hocke zusammengekauert auf dem Boden und bewegte sich vor und zurück.
Er trat hinter sie und nahm sie vorsichtig in die Arme. »Hey Honey, was ist denn los?«
Aber Alanya reagiert in keiner Weise auf ihn, weder auf seine Stimme noch auf seine Berührungen. Sie wirkte völlig apathisch und ließ es einfach zu, dass er sie in die Arme nahm.
Der Regen hatte auch ihre Kleidung völlig durchnässt. Ihre Haut fühlte sich fürchterlich kalt an. Wenn Dr. Römer recht hatte, saß sie hier bestimmt schon über eine Stunde, dann war es kein Wunder, dass sie so kalt anfühlte. Sie musste völlig unterkühlt sein.
Pedanios verstand nicht wirklich, was hier geschehen war. Kopfschüttelnd hob er die junge Frau auf die Arme. Widerstandslos ließ sie es geschehen. Das Verhalten von ihr hier hatte nichts mehr mit der jungen lebendigen Frau von gestern Abend zu tun. Besorgt stellte er fest, dass sie keinerlei Regung zeigte. Er dematerialisierte sich mit ihr auf dem Arm und kehrte so in seine Wohnung im Brother-Building zurück. Er erschien mit Alanya auf dem Arm im Wohnzimmer seiner Wohnung und sah auf sie hinunter. Sie hatte die Augen geschlossen, zitterte erbärmlich und hatte von dem Ortswechsel auf diese Art und Weise nichts mitbekommen. Er musste sie dringend aus diesen nassen Anziehsachen herausbekommen und ihre Körpertemperatur erhöhen. Rasch ging er mit ihr ins Badezimmer. Dort hielt er sie am Oberkörper fest, ließ aber ihre Beine hinunter, damit sie sich hinstellte. Aber die Beine gaben unter ihrem kraftlosen Körper nach und er musste sie weiterhin an sich drücken, damit sie aufrecht stehen blieb. Sie so haltend, zog er ihr mühsam den Mantel aus, erst den einen Arm und dann den anderen. Ärgerlich, dass es so kompliziert war, schüttelte er ihn schließlich zu Boden, aber der Pullover ließ sich nicht so einfach ausziehen. Erneut wurde ihr Körper von Schüttelkrämpfen gepackt.
»Verdammt, das geht einfach zu langsam.« Er fasste den Pullover oben am Kragen und ließ seine Fingernägel länger werden, dann zerschnitt er einfach den Pullover und das T-Shirt, welches sie darunter trug, mit dem Nagel und warf es beiseite. Schon stieg ihm ihr Geruch verstärkt in die Nase und er atmete tief ein. Wie konnte jemand nur so gut duften?? Augenblicklich spürte er das Verlangen nach ihr in sich aufsteigen. Das durfte doch jetzt nicht wahr sein. Er hielt sie hier halb erfroren in den Armen und konnte fast nur daran denken, wie sie sich letzte Nacht angefühlt und geschmeckt hatte. Energisch drängte er diese Gedanken jetzt zurück und konzentrierte sich weiter darauf, ihr die Hose zu öffnen, aber auch hier scheiterte er kläglich, da der Stoff so nass war. Woraufhin er auch diese Hose, ohne weiter zu zögern, einfach zerrissen und beiseite warf. Jetzt war sie nur noch BH und Höschen bekleidet. So trat er mit ihr unter die Dusche und schaltete das warme Wasser an. Dabei war ihm egal, dass er selbst noch in Kleidung, Mantel und Stiefeln dastand und nun ebenfalls durchweichte. Es war wichtig, dass sie warm wurde. Wenn der Bericht von Römer richtig war, war sie bereits seit Sonnenuntergang auf dem Friedhof gewesen und das hieß, dass sie viel zu lange dort im Regen gewesen war. Es war kein Wunder, dass sie bei den Temperaturen, die derzeit draußen herrschten, so unterkühlt war. Außerdem schien sie einen Schock zu haben, da sie in keiner Weise auf ihn reagierte. Das warme Wasser ließ sie erschauern, aber er fühlte, wie es sie erwärmte. Das Zopfgummi rutschte aus ihren Haaren und wurde in den Abfluss gespült, ehe er es aufhalten konnte, aber er bereute es nicht, denn so konnte er auch aus den Haaren das kalte Regenwasser heraus spülen. So stand er gut eine halbe Stunde mit ihr unter dem warmen Wasserstrahl, ehe er das Wasser abschaltete, sich ein Handtuch nahm und sie darin einwickelte. Er legte sie im Schlafzimmer auf sein Bett und trocknete sie ab. Er deckte sie noch liebevoll mit der Bettdecke zu, ehe er sich selbst ein Handtuch holte, sich entkleidete und abtrocknete. Die Sachen ließ er einfach auf den Schlafzimmerboden fallen. Dann nahm er sich saubere und trockene Sachen aus dem Schrank, um sich wieder anzuziehen. »Ich gehe mal kurz weg! Ich bin aber gleich wieder bei dir, r Honey«, sagte er zu der hilflosen Gestalt in seinem Bett, obwohl sie weit davon entfernt war, zu verstehen, was er sagte. Danny verließ seine Wohnung und ging durch den Flur zum Aufzug, um in das Labor hinunterzufahren.
Dort fand er Dr. Römer im Untersuchungsraum.
Dieser wollte gerade mit der Obduktion der Leiche eines Kleinkindes beginnen.
»Oh, dann brauche ich wohl nicht mehr zu fragen, ob der Gegenstand in der Decke das Kind war.« Römer sah auf und atmete erschreckt ein, da er das Herankommen des Mannes nicht gehört hatte. »Oh Gott! Müssen Sie mich immer so erschrecken?« Er holte tief Luft. Dann aber nickte er. »Ja, in der Tat«, bestätigte er. »Ich kam mir schrecklich vor, als ich das Kind dort ausgegraben habe. Aber sie hat ihn nicht getötet, falls Sie das jetzt beunruhigt hätte, Dr. Curides.«
»Nein, das hätte es nicht!« Er hatte in seinem Leben bereits so viele Menschen getötet und darunter waren teilweise auch Kinder gewesen, dass er ihr daraus sicher keinen Vorwurf gemacht hätte. »Was haben Sie bisher herausgefunden?«
»Sie wissen schon, dass ich bereits seit heute Morgen hier bin?«
Danny nickte genervt.
»Ich arbeite hier ja gerne und sehe auch die Notwendigkeit der Forschung, deshalb macht es mir nichts aus Überstunden zu machen, aber ich arbeite bereits seit fast vierzehn Stunden. Kann diese Autopsie nicht bis morgen früh warten? Dann wäre ich auch ausgeschlafen. So könnte mir schon mal ein Fehler unterlaufen.«
Dr. Curides schüttelte energisch den Kopf. »Nein, das kann es leider nicht! Sie werden sich einfach noch besser konzentrieren müssen. Ich muss jetzt wissen, was vor sich geht. Außerdem möchte ich niemand anderen mit hineinziehen und ich vertraue auf ihre Fachkenntnis.«
Aufseufzend drehte der Arzt sich wieder zu der kleinen Leiche des Kindes herum. »Okay, dann wollen wir mal.« Er schaltete das Diktiergerät ein. »Es handelt sich hier um einen kleinen Jungen amerikanischer und südamerikanischer Abstammung. Er war vielleicht ein bis zwei Jahre alt. Todesursache sind keine äußerlichen Einwirkungen, sondern es scheint mir nach ersten Erkenntnissen ein heftiger Muskelkrampf gewesen zu sein. Der Körper ist immer noch völlig unnatürlich verbogen und da die Leichenstarre noch nicht nachgelassen hat, kann man die verkrampften Muskeln immer noch erkennen. Aber Genaueres kann ich erst sagen, wenn ich mir die Organe genauer angesehen habe.« Er schnitt dem toten Jungen die Kleidung vom Körper und gab sie in einen separaten Beutel. Dann besah er sich die Extremitäten des Kindes genauer. Er deutete auf die Armbeuge. »Hier sind einige Einstichstellen zu erkennen. Sehen Sie!«
Danny beute sich vor und konnte ebenfalls die Einstichstelle erkennen. Sie war gerötet und deutete nicht gerade auf einen sanften Umgang mit dem Kind hin.
»Vielleicht war ich mit dem Urteil, die Mutter hat ihm nichts getan, doch etwas zu vorschnell. Vielleicht hat sie ihm etwas gespritzt, was diese Verkrampfung ausgelöst hat.«
Danny trat zurück. »Das glaube ich nicht, sie hat ihn heute Morgen vom Berger Pharmakologiekonzern abgeholt. Vielleicht haben die damit zu tun.«
Entsetzt sah Doktor Römer ihn an. »Dann könnte dieses Kind hier eine Testperson des Konzerns gewesen sein. Das wird dann aber eine Menge Konsequenzen nach sich ziehen, wenn das stimmen sollte! Ich habe schreckliche Gerüchte über den Konzern gehört.«
»Ich bin ganz Ohr!«
»Sind Sie sicher, dass er von dort abgeholt worden ist?«
Danny nickte bestätigend. »Sie haben sie doch selbst vor dem Konzern begonnen zu beschatten. Welche Gerüchte Doktor?«
Dr. Römer starrte den anderen Arzt an. »Ich habe davon gehört, dass der Berger Konzern Menschen als Testpersonen bezahlt. Aber dass er auch Kleinkinder dafür missbraucht, ist mir neu.« Er dachte kurz darüber nach. »Aber sie hat so dringend Geld gebraucht, als sie bei mir war, gestern. Dann hat sie wohl auch ihren Sohn verkauft, um Geld zu erhalten! Das finde ich unverantwortlich!« Missbilligend verzog er den Mund.
Danny wurde nachdenklich, schüttelte aber den Kopf. »Nein, sie hat Geld bezahlt, als sie ihn dort abgeholt hat. Wenn sie ihn verkauft hätte, hätte sie das Geld erhalten. Sie hat das Geld gestern verdient, um ihn ihren Sohn zurückzubekommen.« Er erinnerte sich auch daran, was sie gesagt hatte, und seine Beobachtungen passten zu dieser Aussage. Nachdenklich sah er Römer an. Der Mann hatte trotzdem recht. Die Sache war wirklich seltsam. »Bitte finden Sie heraus, was für Versuche mit dem Kind durchgeführt worden sind, damit wir gegen die Sache vorgehen können. Und dokumentieren Sie Ihre Ergebnisse, sodass sie auch vor Gericht Bestand haben würden. Gegebenenfalls werden wir die FDA einschalten!«
Dr. Römer nickte. »Das werde ich tun, aber wollen Sie wirklich die Aufsichtsbehörde der Pharmakologie benachrichtigen?«
»Sicher, wenn es nötig ist!«
»Ich wollte damit fragen, ob Sie sich sicher sind, dass Sie sich mit dem Konzern anlegen wollen, denn das wäre die Konsequenz. Wenn diese nicht schon deshalb zustande kommt, weil wir hier eindeutig eine Testperson des Konzerns vor uns haben.«
Ohne zu zögern, sagte er nickend: »Ich erwarte Ihren Bericht!« Dann verließ er das Labor.
Pedanios ging noch im Gemeinschaftsraum vorbei. Aus dem Kühlschrank holte er sich nun synthetisches Blut heraus und goss es in ein Glas, welches er aus dem Hängeschrank geholt hatte. Er trank das Glas leer und verzog sofort das Gesicht. Der Geschmack war ekelhaft, aber er würgte das Blut hinunter! Danach erst kehrte zu seiner Wohnung und ins Schlafzimmer zurück.
Sie lag immer noch in der gleichen Position im Bett. Aber sie hatte wieder zu zittern begonnen. Er war doch nur einen Moment weg gewesen, um zu hören, was Dr. Römer bisher hatte und um etwas zu essen. Schließlich wollte er verhindern, dass er sie schon wieder anfiel.
Schon war er wieder bei ihr am Bett und legte ihr die Hand auf die Stirn. Sie fühlte sich schon wieder so kalt an. Er hatte jetzt eine warme Körpertemperatur, da das synthetische Blut noch durch seinen Organismus lief. Also konnte er sie mit seinem Körper wärmen. Geschwind zog er sich wieder aus und stieg er zu ihr ins Bett. Seine Hände stießen an das nasse Handtuch. Er hatte sie mit dem Handtuch zugedeckt. Da er sie vorhin nicht der kalten Luft hatte aussetzen wollen, aber jetzt war es durch die Feuchtigkeit kühl geworden. Rasch entfernte er es und auch den BH und das Höschen, denn diese beiden Kleidungsstücke waren ebenfalls nass. Allerdings musste er sie dabei auch zerschneiden, denn alles andere hätte Zeit gekostet und die wollte er nicht verschwenden. Er ließ die Sachen einfach neben dem Bett auf den Boden fallen. Dann deckte sie und sich selbst wieder zu. Er drehte sich auf die Seite und zog sie mit dem Rücken voran an seine Brust heran. So konnte er sie am besten wärmen, außerdem fühlte es sich gut an, sie so vor sich liegen zu haben.
Sie seufzte erleichtert auf, als sie seine Wärme fühlte.
Danny fühlte, dass sie langsam wieder warm wurde. Es schien ihr wieder besser zu gehen, obwohl sie immer noch nicht wieder ansprechbar war. Aber er fühlte auch keine Schmerzen oder Traurigkeit mehr von ihr. Zärtlich streichelte er ihre Schulter und mit der anderen Hand ihren Bauch. Sie fühlte sich einfach so gut an, wie sie so dicht an ihm lag. Ihr Honigduft stieg ihm in die Nase und ihr Po drückte gegen seinen Schritt. Sofort fühlte er, wie er wieder hart wurde. Entsetzt über sich selbst rückte er ein Stück ab. Sie lag hier fast bewusstlos, hatte gerade ihren Sohn verloren und allein begraben und er konnte nur daran denken, mit ihr zu schlafen und von ihr zu trinken. Er war eben doch das Monster war, welches Eva damals in ihm gesehen hatte.
Eigentlich sollte er jetzt arbeiten, denn das medizinische Problem, mit dem er sich derzeit befasste, war wichtig und noch immer war die Lösung nicht in Sicht. Aber er konnte sich sowieso nicht darauf konzentrieren, also konnte er auch hier mit ihr einfach liegen bleiben.