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Kapitel 1

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„Oh verdammt!“, Charlotte fluchte, während sie den Topf mit der überkochenden Kokosmilch von der Herdplatte zog. Sie war heute extra früher aus der Redaktion nach Hause gekommen, um ihre Willkommensüberraschung vorzubereiten. Charlotte kochte gerade einen Kokosmilchpudding mit Vanillegeschmack. Das war Sannes Lieblingsessen. „Na großartig“, stieß Charlotte wütend aus, als sie sah, wie sich die übergelaufene Milch zu einem schwarzen Rest auf der Herdplatte einbrannte. Schnell drehte sie den Herd aus und hob den Deckel vom Topf. Heißer Dampf stieg ihr ins Gesicht und Charlotte kniff die Augen zusammen. Als sie den Topfinhalt umrührte, sah sie, dass die Milch noch nicht am Boden festgebacken war. „Na, dann kann ich wenigstens den Rest noch verwenden“, sagte sie seufzend. Sie warf einen Blick auf die Küchenuhr. 16:25 Uhr. Charlottes Schwester Sanne, eigentlich Susanne, und ihr Freund Christoph sollten jede Minute zuhause ankommen. Und tatsächlich, in diesem Moment hörte Charlotte, wie die Haustür aufgeschlossen wurde. „Juhuuu“, klang Sannes helle Stimme fröhlich durch den Flur. „Juhuuu“, echote Charlotte ebenso fröhlich zurück und steckte den Kopf aus der Küchentür. Sanne wuchtete ächzend ihren Koffer in die Diele, dicht gefolgt von Christoph. Er schleppte einen noch größeren Koffer in die Wohnung, gefolgt von einem Handgepäckskoffer sowie zwei Tüten, die er schwitzend auf dem großen Koffer abstellte. Eine der Tüten kippte laut scheppernd wieder vom Koffer. Charlotte lief in den Flur und nahm beide grinsend in die Arme. „Willkommen zurück!“, sagte Charlotte strahlend. Dann, als ihr ein aufdringlicher Schweißgeruch in die Nase stieg, sagte sie naserümpfend: „Aber vielleicht geht ihr lieber schnell noch duschen.“

Nachdem Sanne und Christoph geduscht hatten und ihre Koffer ausgepackt waren, überreichte Sanne Charlotte eine kleine Geschenktüte. „Hui, was ist denn da drin?“, fragte Charlotte neugierig und griff in die Tüte. Ihre Finger umschlossen mehrere kleine, kegelförmige Gegenstände. Sie zog die Hand hervor und hielt ein weißes Muschelarmband zwischen den Fingern. „Oh das ist aber hübsch, vielen Dank!“, sagte Charlotte fröhlich und legte es an. „So, und jetzt erzählen wir dir erst mal, was so abgeht auf den Bahamas“, sagte Sanne grinsend und zog Charlotte am Arm ins Wohnzimmer. Gemeinsam fläzten sich die drei im Wohnzimmer auf die Couch. „Also es fing schon mal damit an, dass unser Flieger zu spät losgeflogen ist“, begann Christoph und seufzte theatralisch.

Eine halbe Stunde später hatten alle drei während dem Erzählen den Kokosmilchpudding gegessen. Sanne stand auf und lief in die Küche. Kurz darauf kehrte sie mit einer Sektflasche zurück. Es war Reif auf der Flasche, also musste sie sie vor dem Duschen noch in die Tiefkühltruhe gelegt haben. Irritiert zog Charlotte die Augenbrauen zusammen. „Gibt’s ‘nen Anlass? Außer natürlich, dass euer Flieger nicht abgestürzt ist?“, feixte sie, denn Sanne hatte leichte Flugangst. Doch Charlottes Schwester ignorierte geflissentlich den Seitenhieb und wippte auf den Fußspitzen. Sie sah aus, als müsste sie unbedingt etwas loswerden. „Wir haben Neuigkeiten“, stieß sie dann schnell hervor und sah zu Christoph hinüber. Charlotte sah von einem zum anderen und riss erwartungsvoll die Augen auf. Dann sagten Sanne und Christoph unisono: „Wir sind verlobt!“ Und mit einem lauten Plopp ließ Sanne den Korken aus der Flasche knallen. „Hey, Wahnsinn!“ Charlotte lachte, erhob sich und umarmte beide. „Wurde ja auch Zeit!“ Einen kurzen Augenblick lang durchzuckte sie der Gedanke, dass sie selbst keinen festen Freund hatte. Und das mit 29. Ihre vier Jahre ältere Schwester stand dagegen nun bereits vor der Hochzeit. ‚Ach, jetzt hör‘ auf, dich selbst zu bemitleiden‘, dachte Charlotte und wischte den Gedanken beiseite. Christoph sprang auf und holte drei Sektflöten aus der Küche. Dann goss er ihnen ein. „Prost! Auf euch!“, sagte Charlotte lächelnd und sie stießen an. Sanne nahm einen großen Schluck, dann zog sie ihr Handy hervor. „Ich zeig‘ dir mal die Schnappschüsse, die direkt nach dem Antrag gemacht wurden.“ Sie hielt Charlotte ihr Telefon unter die Nase. Charlotte erkannte auf dem leicht unscharfen Foto ihre Schwester und Christoph, die mit angespannten Gesichtern in die Kamera blickten. Der Umgebung nach musste das Bild in einem Restaurant entstanden sein. „Hier, das war direkt nach dem Antrag. Ich seh‘ ja echt ein bisschen aus wie ein angeschossenes Reh. Ich war total geschockt. War aber echt romantisch, hätt‘ ich gar nicht gedacht vom Christoph“, grinste Sanne. „Hey hey“, protestierte dieser. „Macht man ja in der Regel nur ein Mal.“ „Wollen’s hoffen“, stichelte Sanne, immer noch grinsend. Charlotte fragte jetzt an Christoph gewandt: „Und, wie hast du’s gemacht? Wenn man fragen darf.“ Christoph hielt sein Sektglas in ihre Richtung und sagte: „Du darfst. Eigentlich ganz klassisch, ich hab’ den Ring in den Nachtisch gedrückt, als wir beim Essen waren. Ich hab’ kurz ‘nen Löffel vom Tisch geschubst und als sie sich danach runtergebeugt hat, zack, war der Ring drin. Wenn du genau hinschaust, siehst du wahrscheinlich noch braune Schokoladenmousse-Reste an ihren Fingern.“ Charlotte nahm das Smartphone nun in die Hand und zoomte das Foto größer. Dann grinste sie Christoph bestätigend an. „Und habt ihr schon überlegt, wann und wie und wo?“ Ihre Schwester zuckte die Schultern und Christoph antwortete: „Naja, eins nach dem anderen. Jetzt müssen wir erst mal schauen, wann wir beide zeitgleich Urlaub bekommen können. Und dann fängt der übliche Planungswahnsinn an.“ Er lehnte sich im Sessel zurück und stieß Luft aus. „Da freue ich mich schon tierisch drauf“, sagte er sarkastisch. „Ach komm‘, so schlimm wird’s schon nicht werden“, sagte Sanne und tätschelte ihm das Knie. Dann drehte sie sich zu Charlotte um. „Und, was gibt’s hier so Neues?“ „Ach, eigentlich nicht viel“, sagte Charlotte und winkte ab. „Im Vergleich zu eurem Sommer war meiner hier eher lahm.“ Dann erzählte Charlotte, wie sie öfter Herrn Nilsson im Zoo besucht hatte.

Herr Nilsson war ein kleines Totenkopfäffchen. Es war die letzten Monate von Sanne und gelegentlich auch von Charlotte in ihrer WG aufgepäppelt worden. Mittlerweile war Herr Nilsson wieder in seiner tierischen Eingliederungsgruppe im Stuttgarter Zoo, der Wilhelma. Dort sah ihn Sanne während ihrer Arbeitszeiten als Tierpflegerin praktisch jeden Tag. Charlotte hatte dem kleinen Langfinger während Sannes Karibik-Urlaub öfter einen Besuch abgestattet. „Und, wie geht’s dem kleinen Stinker?“, fragte Sanne fröhlich. „Ach, so wie immer. Ärgert deine Kollegen und klaut den anderen Affen das Essen.“ Sannes Gesichtsausdruck wechselte urplötzlich von fröhlich zu erschrocken. „Oh mann, ich muss noch unseren Eltern Bescheid geben. Da ruf‘ ich jetzt am besten gleich an. Und dann trommeln wir noch die Mischpoke zu einer kurzfristigen Verlobungsparty für Sonntag zusammen“, sagte Sanne eifrig. Dann lief sie in den Flur, um ihr Festnetz-Telefon zu holen. „Verlobungsparty? Übermorgen?“, fragte Charlotte jetzt Christoph, da Sanne schon mit dem Hörer am Ohr durch die Wohnung lief. Christoph schürzte die Lippen, schloss die Augen und nickte einmal. „Du kennst doch Sanne. Spontan ist ihr zweiter Vorname.“

Mord im Zoo

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