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Kapitel 7

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Nachdem Charlotte das Zimmer ihres Chefs verlassen hatte, ging sie in ihr Büro. Ihr Kollege Sebastian saß dort und war auf seinen Monitor konzentriert. Sebastian war ebenfalls Redakteur bei der Weinstadt Woche und war der Typ Mann, der nichts anbrennen ließ. Da er regelmäßig ins Fitnessstudio ging und auch sonst großen Wert auf ein gepflegtes Äußeres legte, war seine Erfolgsquote bei Frauen ziemlich hoch. Im vergangenen Frühjahr hatte er auch versucht, bei Charlotte zu landen. Dabei war er allerdings zu weit gegangen und hatte sie am Rand eines Fußballspiels regelrecht bedrängt. Doch das hatte für ihn bittere Konsequenzen gehabt. Als Charlotte nun in ihr gemeinsames Büro eintrat, blickte er auf. „Ach, hi, da bist du ja“, sagte er, betont lässig. Seit er von Richling abgemahnt wurde, Charlotte nicht noch einmal zu belästigen, wahrte er eine gewisse Distanz zu ihr. „Jep, hi. Da bin ich“, sagte sie, ebenfalls etwas unterkühlt. „Ähm hör‘ mal, bevor du es von Richling erfährst: Ich bin wieder an einer Art... ungeklärtem Todesfall dran.“ Sebastian fiel der Unterkiefer herunter. Im Nu war seine Zurückhaltung vergessen und er verschränkte seine Oberarme vor der Brust. „Nicht wahr. Schon wieder? Seit wann wird im Remstal so viel gemordet? Und wieso bist du schon wieder an dem Mord dran?“ In jeder Frage schwang Eifersucht und Missgunst mit. Insbesondere beim Wörtchen „du“. Sebastian hatte es immer noch nicht verwunden, dass er nicht mehr für Aktuelles schreiben durfte, sondern sich nur noch um die Sport-Berichte kümmern sollte. Das war die Strafe von ihrem Chefredakteur gewesen, nachdem Sebastian Charlotte gegenüber übergriffig geworden war. Charlotte atmete tief durch, setzte sich an ihren Rechner und drückte den Power-Knopf. Dann drehte sie sich in ihrem Stuhl zu Sebastian um und sagte: „Nicht dass ich dir eine Rechtfertigung schulde, aber meine Schwester hat die Leiche gefunden. Irgendjemand scheint sie belasten zu wollen. Du brauchst also nicht zu denken, dass ich mich drum reiße, schon wieder in so was involviert zu sein. Ich will nur meiner Schwester helfen.“ Abrupt drehte sie sich wieder um. Sebastian hatte die Augen aufgerissen; seine Angriffslust war jetzt deutlich gedämpft. „Ach, ok, das... ist ja krass“, sagte er langsam. „Also... wenn du irgendwie Hilfe brauchst...“, schob er hinterher. „Nein danke, das schaff‘ ich schon alleine“, unterbrach Charlotte ihn schroff. Darauf hatte sie nun wirklich keine Lust. Sebastian zuckte die Achseln und sein Tonfall wurde wieder abweisend: „Dann nicht. Wer nicht will, der hat schon.“ Damit drehte er sich von Charlotte ab und konzentrierte sich demonstrativ auf seinen Bildschirm. Charlotte funkelte Sebastians Rücken einen Augenblick wütend an, doch dann drehte sie sich ebenfalls zu ihrem Rechner um. Als sie ihr Outlook-Postfach öffnete, sah sie, dass sich übers Wochenende einige Mails angehäuft hatten. Genervt begann sie, die ersten Nachrichten zu sortieren. Schließlich hielt sie inne und lehnte sich in ihrem Stuhl zurück. ‚Womit verschwende ich hier eigentlich meine Zeit?‘, überlegte sie wütend. ‚Ich muss doch Sanne helfen!‘ Charlotte atmete tief durch und versuchte, ihre wirren Gedanken zu sortieren. ‚Aber wie kann ich ihr helfen?‘ Nochmal zum Zoo zu fahren und mit den Angestellten zu reden war eine dumme Idee. Zu groß war die Gefahr, dort Jankovich über den Weg zu laufen. Wie beim letzten Mal. Aber... dieses Mal saß sie ja an der Quelle! Charlotte griff sich ihr Handy und wählte Sannes Nummer. Nach dem 5. Klingeln nahm ihre Schwester ab. „Ja hallo?“ „Hi, ich bin’s nochmal.“ Charlotte warf einen Blick über die Schulter und war sich sicher, dass Sebastian mit gespitzten Ohren jedes Wort verfolgte. „Ich würde gerne... ein bisschen recherchieren. Könntest du mir vielleicht weiterhelfen? Wer kannte ihn?“ Charlotte war sich sicher, dass Sanne verstand, wer mit „ihn“ gemeint war. „Oh gut, gut“, sagte Sanne und klang erleichtert. „Ich hatte schon die Befürchtung dass du dich ausklinkst, nachdem dieser Jankovich aufgetaucht ist. Also, der Konstantin war meines Wissens mit keinem hier wirklich befreundet. Aber da er die Nachtaktiven gepflegt hat, wird er wahrscheinlich eher mit den Kollegen zu tun gehabt haben, die zur gleichen Tageszeit im Zoo gearbeitet haben. Die müssten ja jetzt auch alle Zuhause sein, die schlafen tagsüber.“ „Macht Sinn. Aber wie heißen die denn? Und wie komme ich an die Adressen ran?“ Sanne schwieg und überlegte. „Wir haben eine Mitarbeiterliste in den Büros bei den Umkleiden. Ich versuche mal, da ranzukommen und dir die Namen zu besorgen. Ich melde mich wieder.“ „Alles klar, danke. Dann mal viel Erfolg.“ Charlotte legte auf und machte halbherzig weiter damit, ihre Emails zu sortieren. Nach einer halben Stunde, die Charlotte wie eine halbe Ewigkeit vorkam, klingelte endlich ihr Handy. Sanne meldete sich: „Ja hi, also ich hab’ was gefunden, ich hab’s grade eingescannt und schick’s dir auf dein Postfach, ok? Aber, gell, vertraulich behandeln. So was dürfte ich eigentlich niemals rausgeben.“ Im selben Moment erschien das kleine Briefumschlagsymbol unten rechts auf Charlottes Monitor. Gespannt klickte Charlotte auf die Mail und öffnete sofort die PDF im Anhang. Es standen fünf Namen auf der Liste, und daneben stand jeweils eine Adresse mitsamt Telefonnummer. „Das sind aber nicht viele“, sagte Charlotte verwundert. Sanne entgegnete: „Ja, ich weiß, aber mehr hab’ ich auf die Schnelle nicht gefunden. Probier’s mal bei denen, ich schau mal, ob ich noch mehr finde.“ Im Hintergrund konnte Charlotte hören, wie jemand die Tür zu dem Zimmer öffnete, in dem Sanne sich aufhielt. „Ich melde mich“, sagte Sanne abrupt und legte auf.

Jankovich und Specht standen im Büro des Zoodirektors. Der ältere Herr saß zusammengesunken hinter seinem Schreibtisch. Er sah so aus, als habe er sich die Haare gerauft: Einzelne Strähnen seiner weißen Haare standen in alle Richtungen ab. Jankovich fragte: „Herr Robertin, eine Mitarbeiterin von Ihnen hat uns von einer Ulrike Sandner erzählt. Können Sie uns etwas über sie erzählen?“ Irritiert blickte Robertin Jankovich an. „Aber... aber was hat den Frau Sandner jetzt damit zu tun?“ Beruhigend sprach Jankovich weiter. „Wir gehen nur einem Hinweis nach, das müssen wir leider. Bei jedem Suizid müssen wir Fremdverschulden ausschließen. Und Ihre Kollegin meinte, dass Herr Brechnow vielleicht eine Beziehung zu Frau Sandner hatte. Das würden wir gerne überprüfen.“ „Nein, bitte“, warf der Direktor flehend ein. „Die Frau Sandner ist so vom Schicksal geschlagen, der möchte ich das hier jetzt nicht auch noch zumuten. Die muss doch erst noch den Tod ihres Vaters verkraften.“ Seufzend atmete Robertin aus und fuhr sich mit der Hand über sein müdes Gesicht. Jankovich und Specht gewährten ihm eine kurze Sprech-Pause. Währenddessen setzte sich Jankovich auf einen Stuhl am Tisch des Direktors. Dann legte er eine Hand auf den Schreibtisch, wie um Robertin symbolisch die Hand zu reichen. Sanft sprach er: „Es ist wirklich wichtig, dass wir klären, unter welchen Umständen Herr Brechnow zu Tode kam. Vielleicht weiß Frau Sandner ja etwas, das uns weiterhelfen könnte?“ Der Direktor nickte apathisch, richtete seinen Kopf auf und sah Jankovich in die Augen: „Ich kann Ihnen leider nicht sagen, wo genau Frau Sandner steckt. Ihre Wohnadresse kann ich Ihnen natürlich geben, aber sie ist auf Kur, besser gesagt in einer Rehaklinik, nachdem der Tod ihres Vaters sie so mitgenommen hat. Wo genau sie ihre Reha macht, weiß ich nicht. Warten Sie mal...“, Robertin begann, in seinen Schubladen zu kramen. „Irgendwo... hab’ ich das doch... sie, wissen Sie, sie hat mir nämlich zwischendrin mal eine Karte geschrieben. Wo hab’ ich die denn...? Ach, da!“ Beinahe triumphierend zog er eine Postkarte aus dem Chaos. Als er sie Jankovich über den Tisch reichte, sah dieser, dass die Hand des Mannes leicht zitterte. Er tat so, als ob er es nicht bemerken würde und griff nach der Karte. Sie zeigte ein abstraktes, braunes Gemälde, das hauptsächlich aus Schlieren in verschiedensten Brauntönen bestand. Jankovich drehte die Karte um. Auf der Rückseite der Karte stand:

„Lieber Herr Robertin,

ich wollte mich nur melden, um Ihnen ein Lebenszeichen zu schicken. Mir geht es den Umständen entsprechend, aber ich muss sagen, ich komme nur schwer zurecht, seit mein Vater tot ist. Ich weiß Sie möchten gerne wissen, wann ich wieder zur Arbeit erscheinen kann, aber das kann ich Ihnen leider noch nicht sagen. Ich melde mich aber, sobald ich Ihnen dazu konkret etwas sagen kann.

Herzlichst

Ihre Ulrike Sandner.“

Jankovich reichte Specht die Karte, damit auch er sie sich durchlesen konnte. Nachdem er fertig war, reichte Specht dem Direktor die Karte wieder. Dann sagte er: „Gut, die Adresse von Frau Sandner finden wir selber heraus, machen Sie sich keine Umstände.“ Wieder nickte der alte Mann. Jankovich fiel noch etwas anderes ein: „Sagen Sie, an der Decke der Futterküche war ein Haken befestigt... ist der normalerweise dort angebracht oder ist er... neu?“ Der Direktor reagierte bestürzt. „Nein... nein, wir haben normalerweise keine Haken an den Decken. Oh Gott... ist er... hat Konstantin...“ Jankovich hob beschwichtigend die Hände. „Bitte Herr Robertin, machen Sie sich darüber keinen Kopf. Das ist einfach nur für uns wichtig, um... nachvollziehen zu können, wie es passiert ist.“ Daraufhin erhob sich Jankovich und hielt dem Direktor seine Hand entgegen. „Danke Ihnen. Wir hoffen, Sie nicht weiter belästigen zu müssen. Aber wir melden uns, wenn wir noch etwas wissen müssen. Falls Ihnen noch etwas einfällt, was für den Tod von Herrn Brechnow wichtig sein könnte, lassen Sie es mich bitte wissen.“ Mit diesen Worten reichte Jankovich Robertin seine Visitenkarte über den Tisch.

Als die beiden Kommissare zu ihren Autos liefen, sagte Specht: „Dann bringen wir mal in Erfahrung, wo die Dame auf Kur ist. Ich telefonier‘ die Krankenkassen ab und frag‘ nach, wer von denen Ulrike Sandner versichert.“ Specht hatte einen Parkplatz in der Nähe von Jankovich gefunden, und als beide auf Höhe ihrer Autos waren, rief Specht übers Autodach zu Jankovich herüber: „Ach ja... wie war das nochmal mit Frau Bienert? Charlotte meine ich natürlich. Was genau hat sie zu dir gesagt?“ Jankovich schüttelte grinsend den Kopf und sagte: „Wir sehen uns auf dem Revier, Hubert.“ Dann stieg er in seinen Alpha Romeo und steckte den Zündschlüssel ein. ‚Vielleicht sollte ich Ihnen das immer wieder in Erinnerung rufen‘, hatte sie gesagt und dabei so geklungen, als würde sie sich wieder in die Ermittlungen einmischen wollen. Jankovich wusste nicht, ob er sich darüber ärgern oder freuen sollte.

Mord im Zoo

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