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aa) Un-/Geschriebene Rechtfertigungsgründe
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Darüber hinaus hat der Gerichtshof mit Einführung der zwingenden Erfordernisse des Allgemeinwohls i.S.d. Cassis de Dijon-Formel die Dogmatik der Grundfreiheiten zum einen über die geschriebenen Rechtfertigungsgründe (vgl. Art. 36 AEUV, Art. 45 Abs. 3 AEUV, Art. 52 AEUV (i.V.m. Art. 62 AEUV) und Art. 65 Abs. 1 lit. b AEUV) hinaus erweitert, zum anderen dahingehend geprägt, dass klargestellt wurde, dass Waren, die in einem Mitgliedstaat rechtmäßig hergestellt und in den Verkehr gebracht wurden, grundsätzlich unionsweit frei zirkulieren dürfen.[16] Aus kollisionsrechtlicher Sicht kommt damit das Herkunftslandprinzip zum Tragen, das zur gegenseitigen Anerkennung „zulasten“ des Rechts des Bestimmungs- oder Aufnahmestaates verpflichtet. Allerdings findet andererseits die Verpflichtung zur gegenseitigen Anerkennung ihre Grenzen, soweit eine Maßnahme des Bestimmungs- bzw. Aufnahmestaates notwendig ist, um zwingenden Erfordernissen gerecht zu werden.[17] Dabei handelt es sich bei den zwingenden Erfordernissen – wie bereits angedeutet – nicht um tatbestandliche Einschränkungen, sondern um zusätzliche Rechtfertigungsgründe, die das Bestimmungslandprinzip gegenüber dem Herkunftslandprinzip stärken.[18] Für die Einordnung eines Maßnahmenziels als zwingendes Erfordernis des Allgemeinwohls kommt es allgemein darauf an, dass ein Belang in der Unionsrechtsordnung rechtlich Anerkennung gefunden hat, z.B. im Rahmen der Unionsgrundrechte o.ä.
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Hinweis:
Während die Dassonville-Formel i.V.m. der Cassis de Dijon-Formel (ebenso wie die Keck-Formel) speziell für die Warenverkehrsfreiheit konzipiert ist, findet auf die übrigen Grundfreiheiten, nämlich die Arbeitnehmerfreizügigkeit, die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit sowie die Kapital- und Zahlungsverkehrsfreiheit, die sogenannte Gebhard-Formel Anwendung.
Nach der vollständigen Gebhard-Formel ergibt sich „[a]us der Rechtsprechung des Gerichtshofes (…), dass nationale Maßnahmen, die die Ausübung der durch den Vertrag garantierten grundlegenden Freiheiten behindern oder weniger attraktiv machen können, vier Voraussetzungen erfüllen müssen: Sie müssen in nichtdiskriminierender Weise angewandt werden, sie müssen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein, sie müssen geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten, und sie dürfen nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Zieles erforderlich ist (…).“
Daraus wird ersichtlich, dass die Gebhard-Formel nicht nur den grundfreiheitlichen Beschränkungsbegriff näher bestimmt, sondern darüber hinaus sowohl das den Grundfreiheiten innewohnende Diskriminierungsverbot als auch Rechtfertigungselemente nach dem Vorbild der Cassis de Dijon-Formel enthält.