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II. Historische Entwicklung der unionalen Wirtschaftsintegration
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Seinen historischen Ursprung findet das Unionsrecht in der Vergemeinschaftung der Kohle- und Stahlindustrie im Rahmen der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl im Jahre 1951 durch die westeuropäischen Staaten Frankreich, Deutschland, Italien, Belgien, die Niederlande und Luxemburg. Mit dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft (EWG-Vertrag; seit dem Vertrag von Maastricht EG-Vertrag; seit dem Vertrag von Lissabon AEUV) im Rahmen der Römischen Verträge vom 27.3.1957 wurde dieser Integrationsverbund im Rahmen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft, basierend auf einer Zollunion und unter dem Leitbild des „Gemeinsamen Marktes“, ausgebaut und gestärkt. Mit der Einführung eines gemeinsamen Zolltarifs gegenüber Drittstaaten und der Beseitigung von Binnenzöllen wurde am 1.7.1968 die Integrationsstufe der Zollunion verwirklicht.[7] Nachdem bereits infolge der Dassonville-Rechtsprechung des Gerichtshofs aus dem Jahr 1974 die Marktöffnung im Hinblick auf nicht-tarifäre Handelshemmnisse innerhalb der EWG erhöht werden konnte, die positive Integration durch Rechtsangleichung allerdings (vor allem aufgrund des Einstimmigkeitserfordernisses für derartige Maßnahmen) ins Stocken geraten war, priorisierte die Europäische Kommission die Entwicklung eines vollumfänglichen Binnenmarktkonzepts, was im Jahre 1985 in die Entwicklung des sogenannten Weißbuchs über die Vollendung des Binnenmarktes mündete. Dieses legte die Defizite der Verwirklichung des „Gemeinsamen Marktes“ offen und enthielt eine Reihe von Vorschlägen zur Harmonisierung von wesentlichen Rechtsvorschriften, die dem Funktionieren des Binnenmarktes entgegenstanden. Infolgedessen gab die am 1.7.1987 in Kraft getretene Einheitliche Europäische Akte (EEA) für die Vollendung des Binnenmarktes, d.h. einem Raum ohne Binnengrenzen, einen Zeitplan zur Durchführung der vorgeschlagenen konkreten Maßnahmen zur Beseitigung von Handelshemmnissen bis zum 31.12.1992 vor (wenngleich der Frist keine rechtliche Wirkung zukam). Die EEA bewirkte im Wesentlichen die Umstellung vom Einstimmigkeits- zum Mehrheitserfordernis für binnenmarktrelevante Rechtssetzung und gab die Schaffung des Binnenmarktes nunmehr verbindlich vor.[8] Die Umsetzung des Binnenmarktkonzepts betraf insbesondere die Beseitigung materieller Schranken im Bereich der Waren- und Personenkontrollen sowie die Beseitigung nicht-tarifärer Hemmnisse technischer Art. Heute ist das Binnenmarktkonzept bzw. das Ziel seiner Verwirklichung verbindlich in Art. 3 Abs. 1 S. 1 EUV sowie in Art. 26 Abs. 2 AEUV niedergelegt, während hauptsächlich die Harmonisierungskompetenz des Art. 114 AEUV die Anforderungen an eine unionale Rechtsangleichung regelt (siehe u.a. Fall 9, Rn. 569 ff.) und gemäß Abs. 1 S. 2 vorgibt, dass Harmonisierungsvorschriften vom Rat und Europäischen Parlament im Rahmen des ordentlichen Gesetzgebungsverfahrens erlassen werden, das gemäß Art. 289, 294 AEUV grundsätzlich die qualifizierte Mehrheit im Rat als Abstimmungserfordernis verlangt (siehe zur historischen Entwicklung der europäischen Wirtschaftsintegration inner- und außerhalb der Union Fall 1, Rn. 77 ff.).