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I. Allgemeines Völkerrecht

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Die Relevanz des allgemeinen Völkerrechts im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht folgt vor allem daraus, dass die internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen in erster Linie völkervertragsrechtlich in Form von bi-, pluri- oder multilateralen Abkommen zwischen den souveränen Staaten ausgestaltet sind. Die völkerrechtlichen Handels- und Wirtschaftsabkommen werden damit im Sinne von Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut zur praktisch bedeutsamsten Quelle des Wirtschaftsvölkerrechts. So beruht beispielsweise sowohl die Gründung der Europäischen Union als auch die Errichtung der WTO auf völkerrechtlichen Verträgen. Dabei ist jedoch nicht ausgeschlossen, dass sich die Rechtsnatur der jeweils neu gestalteten Rechtsordnungen von der Qualität des Gründungsaktes löst und sich zumindest im Verhältnis zu den Vertragsparteien bzw. Mitgliedstaaten von traditionellen völkerrechtlichen Verträgen unterscheidet.[39] Im Falle der Unionsverträge als Rechtsordnung sui generis hat dies zur Folge, dass die allgemein völkerrechtlichen Auslegungsregeln nach der Wiener Vertragsrechtskonvention (WVK) im unionalen Binnenbereich grundsätzlich keine Anwendung finden (siehe Fall 1, Rn. 104 ff.).

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Die rechtliche Ausgestaltung der internationalen Handels- und Wirtschaftsbeziehungen erfolgt grundsätzlich durch die Nationalstaaten selbst als originäre Völkerrechtssubjekte, die aufgrund der ihnen zukommenden Souveränität in Bezug auf das jeweilige Staatsgebiet (Gebietshoheit) und die jeweilige Bevölkerung (Personalhoheit) entsprechende zwischenstaatliche und völkerrechtlich bindende Übereinkünfte u.a. wirtschaftsrechtlicher Art schließen können. Demgegenüber geht die wirtschaftliche Tätigkeit in internationalen Wirtschaftsbeziehungen weit überwiegend von trans- oder multinationalen Unternehmen aus, die mangels Völkerrechtssubjektivität nicht Vertragspartei von völkerrechtlichen Abkommen sein können. Dies bedeutet wiederum nicht, dass Private im Rahmen von völkerrechtlichen Verträgen keine eigenständigen, unmittelbar anwendbaren Rechte erhalten können. So werden private Investoren in bilateralen Investitionsschutzabkommen regelmäßig etwa mit Klagerechten ausgestattet, die diese zur Initiierung von Investor-Staat-Streitbelegungsverfahren berechtigen. Unmittelbare Rechtswirkung der wirtschaftsvölkerrechtlichen Abkommen zugunsten Privater ist allerdings regelmäßig von den Vertragsparteien nicht gewollt, sodass – zumindest in neuerer Zeit – eine unmittelbare Anwendbarkeit von völkerrechtlichen (Handels-)Abkommen explizit ausgeschlossen wird. Ansonsten bedarf es einer Auslegung konkreter Vorschriften hinsichtlich ihrer hinreichenden Bestimmtheit und Unbedingtheit.

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Maßgebliche Bedeutung erlangt das allgemeine Völkerrecht im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht darüber hinaus regelmäßig im Rahmen von kodifiziertem Völkergewohnheitsrecht, etwa der WVK oder auch den Regeln über die Deliktshaftung der Staaten wegen der Verantwortlichkeit für völkerrechtswidriges Handeln, die in den ILC Draft Articles niedergeschrieben sind. So hat etwa die UN-Völkerrechtskommission (International Law Commission [ILC]) mit den ILC Draft Articles eine Verschriftlichung der Regeln zur deliktischen Staatenverantwortlichkeit erreicht, die mit der Resolution 56/83 von der Generalversammlung der Vereinten Nationen am 12.12.2001 angenommen wurde. Eine völkervertragsrechtliche Grundlage i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. a IGH-Statut für die völkerrechtliche Verantwortlichkeit von Staaten für völkerrechtswidriges Handeln oder Unterlassen existiert damit allerdings nicht. Verbindlichen Charakter erhält die völkerrechtliche Staatenverantwortlichkeit weiterhin vielmehr „lediglich“ als Gewohnheitsrecht i.S.v. Art. 38 Abs. 1 lit. b IGH-Statut (siehe Fall 16, Rn. 932).

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