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D. Berührungspunkte von Europäischem und Internationalem Wirtschaftsrecht

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Berührungspunkte bzw. Schnittstellen der beiden Rechtsmaterien ergeben sich bereits daraus, dass die Zulässigkeit regionaler Integrationsabkommen und damit auch die Unionsverträge grundsätzlich nach den multilateralen WTO-Abkommen, vor allem anhand von Art. XXIV GATT und Art. V GATS zu beurteilen sind, die die Anforderungen an regionalen Integrationsgemeinschaften – wenn auch nur sehr unbestimmt und schwierig durchsetzbar – festlegen. Zwar stellen die Unionsverträge nach außen wirtschaftsvölkerrechtliche Abkommen i.S.v. Art. XXIV GATT und Art. V GATS dar, dennoch ist der Rückgriff auf allgemein völkerrechtliche Normen etwa zur Auslegung des unionalen Binnenrechts grundsätzlich ausgeschlossen. Nach seinem Selbstverständnis ist das Unionsrecht nicht als Teil des Völkerrechts anzusehen, sondern es nimmt für sich in Anspruch, normhierarchisch über dem Völkerrecht zu stehen, sodass das Völkerrecht nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs als „integrierender Bestandteil“[60] im Rang unterhalb des Primärrechts und oberhalb des Sekundärrechts steht. Die Unionsverträge haben im Unterschied zu gewöhnlichen internationalen Verträgen eine eigene Rechtsordnung geschaffen, die in die Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten aufgenommen worden ist und von ihren Gerichten anzuwenden ist.[61] Dieses Wesen offenbart sich regelmäßig in der Rechtsprechung internationaler Schiedsgerichte, die in Anerkennung dessen das Unionsrecht nicht als Völkerrecht, sondern – entsprechend der Behandlung innerstaatlichen Rechts in internationalrechtlichen Kontexten – als Faktum (bzw. als Recht des beklagten Staates) begreifen.[62]

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Vor diesem Hintergrund überschneiden sich das Europäische und Internationale Wirtschaftsrecht in erster Linie dort, wo die Union, aber auch die Mitgliedstaaten nach außen handeln bzw. gehandelt haben, insbesondere im Bereich der (Waren-)Handels- und Investitionsschutzpolitik, und diese außenhandelspolitischen Aktivitäten Rückwirkungen in die Unionsrechtsordnung zeigen. Dies manifestiert sich beispielsweise im Rahmen der Mitgliedschaft der Union in der WTO, deren Recht die Union sowie die EU-Mitgliedstaaten gemäß Art. 216 Abs. 2 AEUV bindet und damit Implikationen innerhalb des Unionsrechts schafft; nicht nur allgemein im Hinblick auf die Gewährleistung der mitgliedstaatlichen Einhaltung von WTO-Recht durch die Union, sondern auch konkret hinsichtlich der Einbeziehung von WTO-Recht in den Prüfungsmaßstab des Gerichtshofs.

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Darüber hinaus folgen dem außenhandelsrechtlichen Kompetenzzuwachs der Union gemäß Art. 207 Abs. 1 AEUV mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1.12.2009 vielfältige rechtliche Problemkonstellationen u.a. in Form der außenhandelsrechtlichen „Relikte“ der Mitgliedstaaten, die in der Zeit ante-Lissabon selbst etwa im Bereich der ausländischen (Direkt-)Investitionen zahlreiche völkerrechtliche Investitionsschutzabkommen (BITs) abgeschlossen haben. Diese erlangen nunmehr dahingehend eine unionsrechtliche Dimension, dass angesichts der Kompetenzverschiebung zugunsten der Union die grundsätzliche unionsrechtliche Zulässigkeit von mitgliedstaatlichen BITs sowohl in intra- als auch extra-EU Konstellationen in Frage gestellt wird. Jedenfalls hat der Gerichtshof mit seiner Achmea-Rechtsprechung die Diskussion über die unionsrechtliche Zulässigkeit der Errichtung von Schiedsgerichten aufgrund von intra-EU BITs aufgrund von Bedenken hinsichtlich Bewahrung der Autonomie der Unionsrechtsordnung beendet, wobei wiederum offen ist, inwiefern diese Rechtsprechung auf intra-EU Streitigkeiten auf Grundlage des Energiecharta-Vertrages übertragbar ist.[63]

Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht

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