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Frage 4: Welche Arten von Abkommen zur Regelung der zukünftigen Beziehungen zwischen der Union und A sind vorstellbar? Welche Vor- und Nachteile bieten die einzelnen Möglichkeiten? Welche unionsrechtlichen und wirtschaftsvölkerrechtlichen Voraussetzungen sind dabei zu beachten? I. Darstellung der möglichen Abkommensarten einschließlich etwaiger Vor- und Nachteile 1. Option 1: Aushandlung eines Freihandelsabkommen

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Die Aushandlung eines Freihandelsabkommens würde im Vergleich zum WTO-Regime zu einem deutlich höheren wirtschaftlichen Integrationsgrad zwischen A und der Union führen. Das Abkommen könnte etwa nach dem Vorbild des EFTA-Abkommens oder des CETA-Abkommens als tiefer gehendes und umfassenderes Freihandelsabkommen ausgestaltet sein.

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Vorteil eines Freihandelsabkommens zwischen A und der Union wäre zum einen ein privilegierter Zugang zum Binnenmarkt aufgrund der vollständigen Liberalisierung des Warenhandels zwischen A und der Union durch Abschaffung der Binnenzölle. Dass der Dienstleistungshandel von einem Freihandelsabkommen grundsätzlich nicht umfasst ist, ist in der Bewertung als Vor- oder Nachteil für A davon abhängig, welche Bedeutung dieser Bereich für die Volkswirtschaft von A hat. Jedenfalls sind Produktionsfaktoren wie der freie Personenverkehr im Rahmen von Freihandelsabkommen grundsätzlich nicht liberalisiert, sodass A den Zugang von Arbeitnehmern und Gesellschaften aus der Union zum einheimischen Markt unter Einhaltung der einschlägigen WTO-Vorschriften beschränken kann. So kann A insbesondere verhindern, dass inländische Marktteilnehmer nicht dem freien Wettbewerb mit EU-An-/Zugehörigen „ausgesetzt“ sind. Des Weiteren hätte ein Freihandelsabkommen den Vorteil, dass A nicht mehr an die binnenmarktrechtliche Harmonisierungsgesetzgebung der Union gebunden wäre. Infolge des generellen Wegfalls der primär- und sekundärrechtlichen Bindungswirkung gegenüber A wäre A auch der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (GHEU) nicht mehr unterworfen. Schließlich würde A nicht mehr dem mit der Zollunion einhergehenden Außenhandelsregime der Union unterfallen, sodass A seine Außenhandelspolitik, etwa die Festlegung eigener Zölle oder die Vereinbarung von Handels- und Wirtschaftsabkommen mit Drittstaaten, autonom bestimmen könnte.

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Auf der anderen Seite verlöre A aber auch den Zugang zum Binnenmarkt, soweit er nicht Waren betrifft. Auch wäre ein Freihandelsabkommen mit dem Erfordernis von Ursprungsregeln verbunden, d.h. dass zwischen den verbleibenden 27 EU-Mitgliedstaaten (EU27) und A wieder Zollkontrollen stattfinden müssten. Darüber hinaus birgt die Wiedererlangung einer selbstbestimmten Außenhandelspolitik den nicht zu vernachlässigenden Nachteil, dass etwa die Erstellung eines eigenen Zolltarifs einschließlich einer dafür erforderlichen Nomenklatur oder die Verhandlung von Handels- und Wirtschaftsabkommen mit Drittstaaten erhebliche finanzielle und zeitliche Verwaltungs- und Verhandlungsressourcen binden.[21] Insbesondere verfügen die EU-Mitgliedstaaten infolge des gemeinsamen Außenhandelsregimes über kein einschlägiges eigenes Gesetzesrecht zur Regelung anwendbarer Zollsätze oder Einfuhrkontingente.[22] So müsste A zum einen etwa eigene Zolltarife für sämtliche nach A eingeführte Waren festsetzen, zum anderen durch den Abschluss eigener Wirtschafts- und Handelsabkommen mit Drittstaaten seine Außenhandelspolitik neu definieren. Auch wenn die von A vor oder während der EU-Mitgliedschaft abgeschlossen bilateralen Investitionsschutzabkommen nicht unwirksam geworden sind (siehe Frage 5), gelten die bisher in ausschließlicher Zuständigkeit von der Union abgeschlossenen Handels- und Wirtschaftsabkommen nicht auch für A nach dem EU-Austritt. A müsste folglich die im Rahmen der Union vorangetriebene regionale Wirtschaftsintegration, insbesondere im Bereich des Warenhandels eigenständig „aufholen“, um nicht – angesichts der weiter fortschreitenden globalen Integration – in eine außenhandelspolitische Isolation zu geraten.

Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht

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