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2. Unionsrechtliche Bewertung der intra-EU BITs

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Aus unionsrechtlicher Sicht ist für die Bewertung von intra-EU-BITSs zunächst zu beachten, dass das Unionsrecht lediglich Anwendungsvorrang, nicht aber Geltungsvorrang vor dem mitgliedstaatlichen Recht hat. Während ein Geltungsvorrang dazu führen würde, dass das Unionsrecht als höherrangiges Recht mitgliedstaatliches Recht als niederrangiges Recht „brechen“ und damit außer Kraft setzen würde, verlangt der Anwendungsvorrang zugunsten des Unionsrechts, dass mitgliedstaatliche Stellen nationales Recht unangewendet lassen, soweit das Unionsrecht diesem entgegensteht.

Die intra-EU BITs von A sind damit infolge der EU-Mitgliedschaft grundsätzlich nicht unwirksam geworden. Vielmehr ist A verpflichtet, die Vorschriften der BITs unangewendet zu lassen, soweit das Unionsrecht diesen entgegensteht. Dies gilt insbesondere für etwaige Schiedsklauseln, die nach der Achmea-Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht mit der Autonomie des unionalen Gerichtssystems gemäß Art. 344 i.V.m. Art. 267 AEUV vereinbar ist (siehe dazu Fall 10, Rn. 626 ff.).[50]

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Hinweis:

Die Prüfung der Vereinbarkeit von BIT-Schiedsklauseln mit Art. 344 und Art. 267 AEUV würde an dieser Stelle zu weit führen. Zudem ist diese Bewertung maßgeblich von der konkreten Ausgestaltung der Schiedsklausel abhängig. Die Zulässigkeit der Errichtung von Schiedsgerichten aufgrund einer BIT-Schiedsklausel ist vielmehr Gegenstand des Fall 11.

Mangels eines effektiven Streitbeilegungsmechanismus‘ zur Durchsetzung von Rechten könnte man zwar von einer de facto-Unwirksamkeit von intra-EU BITs sprechen. Dies gilt allerdings grundsätzlich nur für die Zeit der EU-Mitgliedschaft von A. Nach dem EU-Austritt besteht der unionsrechtliche Anwendungsvorrang mangels unionsrechtlicher Bindungswirkung nicht mehr, soweit das Austrittsabkommen etwa für eine Übergangszeit nichts anderes regelt.

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Hinweis:

Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, dass die intra-EU BITs gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot gemäß Art. 18 AEUV, nach dem jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist, verstoßen.[51] Eine unionsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung könnte darin liegen, dass Investoren eines bestimmten EU-Mitgliedstaats im Rahmen eines intra-EU BITs bestimmte Vorteile gewährt werden, ohne dass diese auf Investoren aus anderen Mitgliedstaaten ausgeweitet werden. Dies würde einen Verstoß gegen das Meistbegünstigungsprinzip darstellen. Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs zu Doppelbesteuerungsabkommen zwischen zwei EU-Mitgliedstaaten umfasst Art. 18 AEUV jedoch nicht auch den Meistbegünstigungsgrundsatz.[52] Eine unionsrechtlich unzulässige Ungleichbehandlung durch intra-EU BITs scheidet daher aus. Auch diese Rechtsfrage wird ausführlicher in Fall 11 des Fallbuchs besprochen.

In Anbetracht der Tatsache, dass die intra-EU BITs von A nach dessen Austritt zu extra-EU BITs werden, stellt sich sodann allerdings sodann die Frage nach der Zulässigkeit von extra-EU BITs aus Sicht der Vertragspartei, die EU-Mitgliedstaat verblieben ist (s.u. II.).

Im Ergebnis sind die BITs von A mit dessen EU-Mitgliedschaft de jure nicht unwirksam geworden, sondern unterliegen lediglich dem unionsrechtlichen Anwendungsvorrang, der jedoch mit dem EU-Austritt entfällt.

Klausurenkurs im Europäischen und Internationalen Wirtschaftsrecht

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