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2. Wirtschaftsvölkerrechtliche, insb. WTO-rechtliche Voraussetzungen

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Aus WTO-rechtlicher Sicht sind vor allem die einschlägigen Vorschriften betreffend wirtschaftliche Integrationsabkommen zu beachten, d.h. für den Warenhandel Art. XXIV GATT bzw. für den Dienstleistungshandel Art. V GATS, die sich in ihren materiellen Anforderungen an regionale Handelsabkommen stark ähneln. Art. XXIV GATT erlaubt grundsätzlich die Errichtung von Freihandelszonen bzw. Zollunionen, soweit die eingeführten Zölle und Handelsvorschriften für den Handel in ihrer Gesamtheit nicht höher oder einschränkender als vor der Bildung der jeweiligen Integrationsgemeinschaft sind (Art. XXIV:5 lit. a, b GATT) sowie das jeweilige Abkommen annähernd den gesamten Handel betrifft (Art. XXIV:8 lit. a, b GATT). Die Auslegung der dargelegten Begrifflichkeiten ist aufgrund ihrer Unbestimmtheit vergleichsweise schwierig. Nach dem Appellate Body in Turkey – Textiles ist „annähernd der gesamte Handel“ nicht das gleiche wie „der gesamte Handel“, bedeutet aber gleichzeitig deutlich mehr als „some of the trade“.[25] Zudem sind für die Bewertung sowohl quantitative als auch qualitative Aspekte heranzuziehen.[26] In qualitativer Hinsicht ist etwa fraglich, inwiefern der Ausschluss ganzer Sektoren von der Binnenliberalisierung zu einer Unzulässigkeit eines in Rede stehenden Freihandelsabkommens gemäß Art. XXIV:5 lit. b, 8 lit. b GATT führt. So ließe sich etwa im Falle des Ausschlusses landwirtschaftlicher Erzeugnisse von der Binnenliberalisierung argumentieren, dass von Mitgliedern regionaler Integrationsabkommen nicht erwartet werden sollte, eine den Agrarhandel umfassende Vollharmonisierung im Rahmen eines Freihandelsabkommens durchzuführen, um die Anforderungen des Art. XXIV: 5 lit. b, 8 lit. b GATT zu erfüllen, wenn doch der Agrarhandel nach dem WTO-Recht ohnehin besonderen Regeln (siehe das Übereinkommen über die Landwirtschaft [LwÜ] [vgl. Art. 2 LwÜ]) unterliegt.[27] In quantitativer Hinsicht wird regelmäßig angenommen, dass ein Integrationsabkommen, das mindestens 90% des Handelsvolumens abdeckt, der Anforderung von „annähernd der gesamte Handel“ genügt.[28]

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Für Dienstleistungsabkommen gelten gemäß Art. V GATS vergleichbare Anforderungen, nämlich die Erstreckung auf einen beträchtlichen sektoralen Geltungsbereich (Art. V:1 lit. a GATS) sowie keine Erhöhung des allgemeinen Niveaus der Hemmnisse für den Dienstleistungshandel in den jeweiligen (Teil-)Sektoren (Art. V:4 GATS). Hinsichtlich des Kriteriums des „beträchtlichen sektoralen Geltungsbereichs“ konkretisiert die Fußnote 1 zu Art. V GATS, dass diese Bedingung die Zahl der Sektoren, das betroffene Handelsvolumen und die Erbringungsformen (modes of supply i.S.v Art. I GATS) betrifft; insbesondere soll keine Erbringungsform in einem Integrationsabkommen ausgeschlossen sein.

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Gemäß Art. XXIV:7 GATT bzw. Art. V:7 GATS besteht zudem eine Notifizierungsplicht für regionale Integrationsabkommen. Durch den Transparenzmechanismus für Regionale Handelsabkommen von 2006 wurde diese Notifizierungspflicht im Hinblick auf den maßgeblichen Zeitpunkt präzisiert. Danach sollen die WTO-Mitglieder im Rahmen einer frühzeitigen Bekanntmachung möglichst bereits die Aufnahme von Verhandlungen anzeigen, die auf den Abschluss eines Abkommens gerichtet sind. Die eigentliche Notifizierung soll „so früh wie möglich“, d.h. im Regelfall unmittelbar nach der völkerrechtlichen Ratifizierung und in jedem Fall vor der eigentlichen Anwendung des Abkommens erfolgen.[29] Der Transparenzmechanismus stellt allerdings allein ein zusätzliches verfahrensrechtliches Element dar, durch das die Transparenz der vielfältigen Abkommensbeteiligungen der WTO-Mitglieder und deren jeweiliger Inhalte erhöht werden soll. Materiell-rechtlich hat der Mechanismus keine Relevanz.

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