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3. Ahmed
ОглавлениеRiad, Königreich Saudi Arabien
Ahmed Falouf und Majed Akhad saßen in einem der kleinen Cafés in der Nähe des Souks, des alten Basars von Riad. Hier, in den älteren Teilen der Stadt, in der Nähe der Großen Moschee, gibt es noch die engen Gässchen, die außer zur Mittagsstunde, wenn die Sonne senkrecht steht, im Schatten der Häuser liegen. Dennoch waren hier über den Gehwegen Markisen gespannt, unter denen die Kunden an den zahlreichen Ständen und winzigen Geschäften vorbei schlendern konnten. Hier störte keinerlei Autoverkehr die Fußgänger, diese Gassen und ihre Häuser waren gebaut worden, lange, bevor Autos in Riad Einzug gehalten hatten.
Außer zu den Gebetszeiten herrscht hier stets reger Betrieb bis tief in die Nacht. In den offenen Verkaufsständen werden Lebensmittel, Gewürze, aber auch Textilien und sogar Goldschmuck und teure, aus Europa importierte Armbanduhren feil geboten.
Sämtliche Auslagen waren zur Straße hin offen, selbst die mit dem Gold. Diebstähle gab es so gut wie nicht. Sollte ein Dieb gefasst werden, so drohte ihm eine unvergessliche Strafe: Ihm wurde nach dem Freitagsgebet auf dem Platz vor der Großen Moschee in aller Öffentlichkeit die Hand abgehackt.
Ahmed hatte dies mehrere Male miterlebt.
Allerdings wurde der blutige Armstumpf nicht mehr, wie in früheren Zeiten, in ein Gefäß mit siedendem Öl getaucht, um die Wunde zu verschließen. Heute wurden die Delinquenten mit bereitstehenden Ambulanzfahrzeugen in eines der umliegenden Krankenhäuser gebracht, wo die Wunde von Ärzten versorgt wurde.
Ahmed Falouf hatte auch Enthauptungen miterlebt. Er würde die am ganzen Leibe schlotternden Delinquenten genauso wenig vergessen wie das knackende Geräusch, wenn das niedersausende Schwert den Kopf des Opfers von seinem Körper trennte.
Was mit Kopf und Körper anschließend geschah, hatte er wegen des dichten Gedränges auf dem Platz nicht sehen können. Aber jedes Mal hatte eine Atmosphäre geherrscht wie auf einem Jahrmarkt, aufgeregt, lebhaft, munter.
Durch die offenen Fenster und Türen konnten Ahmed und Majed die Frauen sehen, die durch die Gasse vor dem Café gingen, tief verschleiert unter ihren schwarzen Umhängen, manchmal waren die Augen zu sehen, oft genug jedoch nur ein dunkles Gitter aus Stoff. Wie Ahmed wusste, gaben diese Frauen jedes gesparte Geld für Goldschmuck aus. Das war ihre Altersvorsorge. Armreifen und Ringe aus Gold.
Jede dieser Frauen konnte jederzeit von ihrem Mann verstoßen werden. Dann war der Schmuck, den sie trug, oft das Einzige, was ihr blieb. Der Mann konnte dreimal sagen: „Ich verstoße dich“, und das war es. Die Kinder blieben beim Vater, die Mutter wurde aus dem Haus geworfen. Da die Frauen nicht arbeiten durften, waren sie auf den Erlös ihrer Schmuckstücke angewiesen. Und da sie dies wussten, kauften sie zu jeder sich bietenden Gelegenheit Gold.
Manchmal hatte Ahmed die Arme von Frauen gesehen, wenn sie Waren untersuchten oder bezahlten. Die Hände voller Goldringe, die Arme von den Handgelenken bis dahin, wo der Arm unter den Umhängen verschwand, voller goldener Armreifen.
Sollte es ihm je gelingen, Zaidah für sich zu gewinnen, er würde sie niemals verstoßen, und Zaidah würde niemals auf ihren Schmuck angewiesen sein!
Ahmed Falouf sah voller Genugtuung, dass Majed immer ungeduldiger wurde.
Sie hatten über alles mögliche gesprochen, nur nicht, weshalb er Majed hierher bestellt hatte.
Majed hatte bereits mehrmals ostentativ auf seine Armbanduhr gesehen. Ahmed ließ sich davon jedoch nicht beeindrucken. Wenn Majed in seinen Jahren bei den Israelis die orientalische Geduld verloren gegangen war, so war das Majeds Problem.
Ahmed Falouf hatte Zeit.
Der General war auf Reisen. Seine Dienste als Chauffeur würden in den kommenden Tagen nicht benötigt. Er hätte zuhause fernsehen können, alte, amerikanische Filme, deren Handlung man trotz der arabischen Untertitel nicht verstand, weil sämtliche Szenen, in denen eine unverschleierte Frau auftrat, herausgeschnitten waren. Da war es schon wesentlich unterhaltsamer, Majeds wachsende Ungeduld zu beobachten.
Ahmed betrachtete Majed Akhad in aller Ruhe. Majed, den er von klein auf kannte, war behäbig geworden, beinahe dicklich. Sein Haar, das wusste Ahmed von früheren Treffen, zu denen Majed ohne die übliche Kopfbedeckung erschienen war, war schütter geworden. Lediglich der Bart auf der Oberlippe und um das Kinn war dicht und schwarz.
„Der General hat viel aus dem Auto telefoniert in den vergangenen Tagen,“ sagte Ahmed. „Sehr viel. Mit vielen Personen. Mit wichtigen Personen. Mit sehr wichtigen Personen.“
Voller Zufriedenheit sah er, wie es in Majed arbeitete. In aller Ruhe trank er seinen Kaffee.
„Mit wem zum Beispiel?“ fragte Majed.
„Mit Ministern, mit Militärs im In-und Ausland, mit Botschaftern im Ausland.“
„Worüber hat er gesprochen?“
„Über viele Dinge. Über die U-Boote. Ich habe mir nicht alles merken können.“
„Warum hast du mich dann hierher bestellt?“ fragte Majed.
„Um mit dir über ein Geschäft zu reden. Ein Geschäft, das du mit deinen Auftraggebern besprechen sollst.“
„Was für ein Geschäft?“
„Einmal angenommen, rein hypothetisch, es gäbe eine Tonbandaufnahme dieser Gespräche, also, eine Aufnahme, was der General gesagt hat, was könnte eine solche Aufnahme deinen Auftraggebern wert sein?“
„Rein hypothetisch, Ahmed, nichts! Was sollen sie anfangen mit einer Aufnahme mit ein paar Worten des Generals, ohne dass man weiß, mit wem er gesprochen hat oder ohne dass man den anderen Teilnehmer hört? Das ist nichts wert!“
„Gut,“ antwortete Ahmed ruhig. „Dann haben deine Auftraggeber sicherlich nichts dagegen, dass ich dieses wertlose Band anderen Parteien anbiete.“
„Auch für andere Parteien werden diese Aufnahmen wertlos sein,“ sagte Majed nach einer längeren Pause. „Sie können damit auch nichts anfangen!“
„Doch!“ entgegnete Ahmed. „Ich besitze eine Liste der Nummern, die der General angerufen hat. Jedes einzelne Gespräch ist einer bestimmten Rufnummer zuzuordnen.“
„Was heißt das?“
„Man nimmt das Band und die Liste. Die Liste zeigt die gewählte Rufnummer und die Dauer des Gespräches. Dann sieht man, mit wem der General über welches Thema wie lange gesprochen hat. Und man hört den General sprechen.“
Ahmed konnte sehen, wie Majed sich bemühte, Desinteresse zu heucheln.
„Was soll das für einen Informationswert haben?!“ sagte Majed schließlich.
„Nun, für jemanden, der daran interessiert ist, ist es sicherlich von Bedeutung. Gerade, was dieses neue U-Bootprogramm angeht. Wie gesagt, es waren so viele Telefonate, dass ich mir nicht alles merken konnte. Trotzdem dürfte es für jemanden, der diese Boote anbieten will, wichtig sein, zu hören, was der General gesagt hat. Und zu hören, wie er die Meinung seiner vorherigen Gesprächspartner weitergibt.“
„Das sind genau die Informationen, Ahmed, für die du bezahlt wirst,“ sagte Majed, und der Zorn in seiner Stimme war nicht zu überhören.
„Ich werde dafür bezahlt, Majed, dass ich dir erzähle, wohin ich den General fahre. Ich werde dafür bezahlt, Gesprächsfetzen, die ich aufschnappe, an dich weiterzugeben. Ich werde dafür bezahlt, dir zu sagen, dass der General überhaupt über die U-Boote gesprochen hat. Das habe ich hiermit getan. Wenn ich jedoch deine Auftraggeber mit weitergehenden Informationen versorgen soll, sollen sie dafür auch mehr bezahlen.“
„Wieviel?“
„Fünfundzwanzigtausend Dollar für das Band und die Liste. Für mich allein!“
„Vergiss es!“
„Beides ist viel mehr wert.“
„Vergiss es!“
„Gut,“ sagte Ahmed. Er machte dem Kellner ein Zeichen, dass er bezahlen wollte.
„Was soll das jetzt?“ fragte Majed .
„Ich habe einen anderen Interessenten. Den will ich nicht warten lassen. Er ist bereit, mehr zu zahlen. Erheblich mehr!“
Das war glatt gelogen, und beide wussten es.
Majed sagte:
„Ich könnte versuchen, fünftausend Dollar für das Band herauszuschlagen. Das wird nicht leicht. Es würde überzeugender sein, wenn ich sagen könnte, ich hätte selbst gehört, was darauf ist.“
„Vergiss es!“
„Du musst verstehen, Ahmed, dass ich unmöglich einen Betrag in der geforderten Höhe vorschlagen kann mit dem Risiko, dass dein General seine vier Weiber angerufen und sich mit denen über die U-Boote ausgelassen hat! Ich müsste sagen können, dass ich den Inhalt des Tonbandes kenne.“
„Vergiss es!“
Majed sah jetzt richtig wütend aus, wütend und hilflos.
„Wenn ich mit einer solchen Forderung zu meinen Auftraggebern komme, schließe ich nicht aus, dass sie den Kontakt abbrechen.“ Er sah Ahmed verschlagen an. „Ich kann nicht einmal ausschließen, dass sie dem General eine Nachricht zukommen lassen, dass du ihn ausspionierst.“
Ahmed schluckte, fing sich aber sofort wieder:
„Dann bleibt mir nichts anderes übrig, als auf dich als denjenigen hinzuweisen, der mich dazu angestiftet hat. Wenn dann noch herauskommt, dass du jahrelang bei den Juden gelebt und bei ihnen studiert hast, kommst du hier nicht mehr lebend raus.“
Das saß!
Ahmed konnte sehen, dass Majed auf einmal sehr nervös war. Urplötzlich ging ihm auf, dass er möglicherweise voll ins Schwarze getroffen hatte! Womöglich gingen die von ihm gelieferten Informationen tatsächlich an die Israelis!
Dieser Gedanke machte jetzt auch Ahmed nervös.
Konnte es sein, dass Majed, sein Jugendfreund Majed, ein Spion der Israelis war?
Wenn das herauskam, und wenn herauskäme, dass er Majed mit Informationen über den General versorgt hatte, wäre sein Leben hier in diesem Lande keinen Pfifferling mehr wert!
„Ich werde sehen, was sich machen lässt,“ sagte Majed gerade. „Vielleicht lassen sich meine Auftraggeber ja auf deine Forderung ein. Es wird aber sicherlich ein paar Tage dauern, bis ich eine Entscheidung habe.“
Ahmed Falouf war hin- und hergerissen zwischen seiner plötzlichen Angst und der Möglichkeit, fünfundzwanzigtausend Dollar zu verdienen.
„Verlange vierzigtausend!“ sagte er, sich räuspernd, zu Majed. „Sie werden versuchen, herunterzuhandeln, zu schachern. Alles, was über fünfundzwanzigtausend hinausgeht, werden wir teilen.“ Gleichzeitig wurde ihm bewusst, dass er niemals herausfinden würde, ob Majed mehr als fünfundzwanzig tausend Dollar erhalten hatte!
„Ich werde sehen, was ich erreiche. Ich rufe dich in ein paar Tagen an.“
Ahmed Falouf sah hinter Majed her, als er das Café verließ. Majed ging mit schleppenden Schritten, wie ein alter Mann, der eine schwere Last trug.
Es war das letzte Mal, dass Ahmed seinen Freund Majed Akhad sah.
Ahmed Falouf wartete auf eine Nachricht Majeds. Mit jedem Tag wurde er nervöser. Inzwischen war er bereit, auch ein Gegenangebot von weniger als dem geforderten Betrag anzunehmen. In den ersten Tagen hatte er die Audiokassette und seine handschriftliche Liste mit den vom General angerufenen Nummern, die er einfach von der Anrufliste des Mobiltelefons des Mercedes abgeschrieben hatte, ständig mit sich herumgetragen, in der Hoffnung, diese sofort gegen den Geldbetrag eintauschen zu können, wenn Majed sich meldete.
Aber Majed hatte sich nicht gemeldet!
Ahmed hatte schließlich das Band und den Zettel mit Klebeband an der Rückseite der Kommode in seiner Kammer befestigt. Allabendlich sah er nach, ob sich die Kassette noch dort befand.
Aufgenommen hatte er die Gespräche des Generals mit einem Audiorecorder, den er sich irgendwann gekauft hatte, um seinen Eltern mündliche Berichte über sein Leben in Riad zu schicken. Seine Mutter konnte nicht richtig lesen, und sein Vater hatte zu schlechte Augen, um seine Briefe noch zu entziffern.
Den Recorder hatte er unter den Beifahrersitz gelegt.
Allah sei Dank pflegte der General am Autotelefon immer sehr laut zu sprechen. Trotzdem war Ahmed enttäuscht gewesen, wie schwer der General neben den Fahrgeräuschen auf dem Band zu hören gewesen war. Die Tonqualität war völlig anders als wenn Ahmed direkt in das Mikrophon sprach. Trotzdem konnte man bei voll aufgedrehter Lautstärke verstehen, was der General gesagt hatte.
Ab morgen würden seine Pflichten als Fahrer wieder gefordert. Der General würde am frühen Morgen am Flughafen ankommen. Einen Moment lang dachte Ahmed Falouf daran, den Recorder wieder ins Auto zu legen. Der General würde telefonieren wie ein Weltmeister!
Ahmed verwarf diesen Gedanken.
Er wollte erst einmal das Geld für das erste Band. Wenn ordentlich bezahlt wurde, konnte man weitersehen.
Mit jedem Tag wuchs in Ahmed Falouf die Nervosität und das Verlangen, Majed anzurufen. Was zum Teufel brauchte der Kerl soviel Zeit, um die Zahlung zu klären? Für ein Ja oder ein Nein brauchte man doch keine vier Tage!
Ahmed Falouf schlenderte wie üblich um diese Abendstunde zu dem Schnellimbiss, der sich nur wenige hundert Schritte von seinem Wohnblock befand.
Es war dunkel. In den Gegenden, in denen die ausländischen Dienstboten und Hilfsarbeiter lebten, gab es nur spärliche Straßenbeleuchtung. Oben an der Ecke, an der eine der Hauptstraßen vorbeiführte, war alles mit Neonreklamen hell erleuchtet.
Von hinten näherte sich ein Fahrzeug.
Ahmed war dankbar, weil das Licht der Scheinwerfer auch den Bürgersteig erhellte, auf dem er lief. So waren die Unebenheiten in dem gelben Lehmboden besser zu erkennen. Er musste grinsen darüber, wie lang die Beine seines eigenen Schattens vor ihm waren, so lang, dass sich der Schatten seines Rumpfes im Gegenlicht der Neonreklamen verlor. Interessiert sah er zu, wie sein Schatten sich immer schneller werdend immer weiter verkürzte, je näher der Wagen kam.
Ahmed Falouf hatte nicht einmal Zeit, zu erschrecken, als der Wagen plötzlich neben ihm anhielt, zwei Männer heraussprangen, ihn mit festem Griff packten und blitzschnell in den Fond des Wagens stießen. Der dort Sitzende zog Ahmed in den Wagen hinein und stülpte ihm sofort ein dunkles Tuch über den Kopf. Ahmed fühlte, wie einer der beiden Ausgestiegenen sich neben ihn auf die Rückbank klemmte, der andere musste vorne eingestiegen sein.
Das Auto fuhr sofort nach dem Zuschlagen der Türen an.
Plötzlich spürte Ahmed Falouf einen Stich in den Arm, und fast sofort fiel er in tiefe Bewusstlosigkeit.
Das Luxushotel Marbella Club war um diese Jahreszeit weitgehend leer. Es war kühl, als Graf aus seinem Mietwagen stieg, mit dem er von Malaga hierher gefahren war. Die tief an einem klaren blauen Himmel stehende Sonne gab nur wenig Wärme ab.
Als Graf über die Autobahn hierher gekommen war, hatte er in der klaren Luft in der Ferne den Felsen von Gibraltar und, auf der anderen Seite der Meerenge, den Felsen von Ceuta auf der afrikanischen Seite erkennen können. Die Säulen des Herkules!
In seinem in dem Pinienpark der Hotelanlage gelegenen Apartment fand er eine Nachricht von Mahmut, nach der er gegen zehn Uhr abends zum Essen abgeholt werden würde.
Auch Ezrah Goldstein war in Marbella. Tatsächlich war er in der selben Maschine wie Graf angereist, allerdings wohnte er nicht so feudal wie Graf. Goldstein war in einem Hostel im Zentrum Marbellas abgestiegen, wo er sich mit dem Leiter der örtlichen Vertretung des Mossad, Gabriel Kaufmann, traf. Die Organisation des Mossad hier war vergleichsweise groß, was daran lag, dass nicht nur Mitglieder des Arabischen Königshauses Anwesen in der Umgebung Marbellas besaßen, sondern weil es in der gesamten Gegend von Arabern nur so wimmelte. Alles, was in Nahost Rang und Namen besaß, kam in den Sommermonaten hierher, manche Persönlichkeiten nur für wenige Stunden, andere für mehrere Wochen, wenn es auf der arabischen Halbinsel zu heiß war.
Die Männer und Frauen, die Gabriel Kaufmann unterstanden, waren größtenteils Juden aus arabischen Ländern, die fließend Arabisch sprachen und die problemlos als Araber durchgehen konnten. Manche von ihnen hatten es sogar geschafft, in den Kreis der regelmäßigen Trinkkumpane prominenter Araber aufgenommen zu werden und bei nächtlichen Kartenspielen an Bord der vornehmen Yachten wertvolle Informationen zu sammeln.
Gabriel Kaufmann wusste, in welchem Lokal Mahmut mit Graf speisen würde. Einer seiner Leute würde als Kellner am Tisch von Mahmut fungieren. Da Mahmut allabendlich das selbe Programm abspulte, wusste Kaufmann auch, wo noch ein Absacker getrunken werden würde. In beiden Lokalen hatte er für Goldstein Tische reserviert und sogar eine junge Mitarbeiterin als Begleitung für Goldstein bereit gestellt. Ein einzelner Mann ohne Begleitung würde auffallen.
Rupert Graf wurde Punkt zweiundzwanzig Uhr von der Rezeption des Hotels angerufen, sein Abholer sei eingetroffen. Ein goldfarbener Rolls Royce brachte ihn nach Puerto Banus. Die Schranke, welche die Fußgängerzone vor dem Autoverkehr abschließt, wurde geöffnet, und der Wagen brachte Graf zu Antonio, einem auf Fischgerichte spezialisierten Restaurant direkt an der Mole des Yachthafens.
Graf wurde ins Obergeschoss zu einem Ecktisch mit Blick über das gesamte mit Booten und Yachten gefüllte Hafenbecken geführt.
Mahmut war noch nicht da.
Allerdings wurde Graf von einem aufmerksamen Kellner sofort mit Wasser und einem ausgezeichneten Weißwein versorgt.
Mahmut erschien um elf. Er wurde begleitet von zwei kräftig aussehenden jungen Männern mit trotz der späten Abendstunde dunklen Sonnenbrillen auf den Nasen, die er aber, kaum dass er Graf begrüßt und Platz genommen hatte, mit ein paar barschen Befehlen wegschickte.
Dann grinste er Graf breit an.
„Schön, dass Sie kommen konnten, Mister Graf“ sagte er.
Wie bei Arabern üblich, drehte sich das Gespräch die erste halbe Stunde nur um Belanglosigkeiten. Das Wetter. Der Tourismus in Spanien. Sport. Noch mal das Wetter. Die Entwicklung in Dubai. Politik in den USA.
Es war wie ein Spiel. Keiner wollte die Geduld verlieren und anfangen, über das Geschäftliche zu sprechen. Graf hatte Zeit. Er hatte bis neun Uhr abends geschlafen und war jetzt putzmunter. Erst gegen halb zwölf wurde die Essensbestellung aufgegeben. Bis dahin hatte Mahmut zwei doppelte Whisky runtergekippt, was Graf als Zeichen von Nervosität registrierte.
Es war dann auch Mahmut, der auf das Geschäft zu sprechen kam:
„Ich kann Ihnen nächsten Monat einen Vorvertrag für Ihre U-Boote besorgen,“ sagte er völlig unvermittelt.
„Was ist mit der angekündigten Ausschreibung?“ fragte Graf. „Sie wollten uns Gelegenheit geben, die Spezifikationen zu formulieren.“
„Dafür ist keine Zeit! Wir brauchen die Boote so schnell wie möglich. Ohne Ausschreibung. Fünfzehn Prozent für meine Freunde und mich, und Sie haben Ihren Vertrag innerhalb von dreißig Tagen!“
„Dafür muss eine Struktur gefunden werden,“ sagte Graf. „Wir können Ihnen nicht einfach fünfzehn Prozent als Provision zahlen. Dann haben wir sofort die deutschen Staatsanwälte am Hals!“
„Wieso?“ fragte Mahmut. „Die werden doch schließlich von Ihren Steuergeldern bezahlt.“
Graf zuckte nur mit den Schultern.
„Versuchen Sie mal, das einem deutschen Beamten beizubringen!“
„Dann finden Sie gefälligst eine Struktur,“ sagte Mahmut. „Fünf Boote. Mini-U-Boote, so wie Sie gesagt haben. Dreihundert Tonnen! Wir sind bereit, pro Boot dreihundert Millionen EURO zu zahlen, plus noch mal dreihundert für die Infrastruktur.“
Das war weit mehr als das Doppelte des Marktpreises! Fast das Dreifache! Da war die Forderung Mahmuts nachgerade bescheiden! Zweihundertsiebzig Millionen bei einem Auftragswert von 1,8 Milliarden!
„Das geht nur, wenn wir einen Teil der Fertigung und der Wartung in Ihr Land verlegen,“ sagte Graf.
„Wie?“ fragte Mahmut.
„Wir ziehen eine gemeinsame Fertigung auf. Sie werden unser lokaler Partner. Dann erhalten Sie einen Anteil am Umsatz und am Gewinn. Was Sie damit machen, ist mir dann egal!“
Der Kellner kam und brachte die Vorspeise, gambas al ajillo, in heißem Öl brutzelnde Krabben mit Knoblauch und Chilischoten.
„Das kann bei uns keiner!“ sagte Mahmut. „Für so was haben wir keine Fachkräfte!“
„Kein Problem,“ antwortete Graf. „Sie erhalten vor-ausgerüstete Segmente. Die brauchen Sie nur noch zusammenzuschweißen.“
„Das kann bei uns keiner!“ wiederholte Mahmut. „Wie soll das gehen?“
„Sie gründen ein Unternehmen. Mit diesem Unternehmen bilden wir ein Konsortium. Dieses Konsortium, bestehend aus unseren Werften und Ihrem Unternehmen, wird der Lieferant der Boote. Und dieses Konsortium erhält die Zahlungen des Kunden.“
Mahmut nickte.
„Innerhalb des Konsortiums wird eine Aufgabenverteilung festgelegt. Wir fertigen die Boote vor, rüsten sämtliche Segmente aus und verschiffen diese an Ihr Unternehmen. Das Konsortium bezahlt unsere Werften in Deutschland für die Arbeit. Ihr Unternehmen baut dann die Segmente zum fertigen Boot zusammen. Diese Arbeiten werden durch Fachleute von uns überwacht. Die Segmente kommen völlig ausgerüstet, so wie es auch die Fertigung bei uns vorsieht. Das Konsortium bezahlt dann Ihrem Unternehmen die Endfertigung zu einem Preis, der Ihre volle Provision beinhaltet. Was Sie dann damit machen, ist Ihre Sache!“
Graf hatte keine Ahnung, mit wem Mahmut seine Provision würde teilen müssen. Steuergelder wurden hier nicht eingesetzt. Saudi Arabien erhob keine Steuern. Graf wusste, die Erlöse aus der Ölexploration flossen direkt in die Kaftantaschen der Königsfamilie. Rüstungskäufe zahlte der Verteidigungsminister aus diesen Öleinkünften. Der Minister und seine Stellvertreter würden niemals erwarten, an den Provisionen teilzuhaben. Für die war das Klimpergeld! Normalerweise wurden große Beschaffungsprogramme jedoch dazu benutzt, Mitgliedern aus der dritten und vierten Reihe der Familien Einkünfte zu verschaffen, da diese nicht an den Öleinkünften partizipierten. Der Minister würde ein Signal geben, welcher seiner Schwäger oder Neffen was bekommen sollte, und auch, wieviel. Rupert Graf gab sich allerdings keinen Illusionen hin: Nachdem in Deutschland das Internationale Bestechungsgesetz in Kraft getreten war, war es unmöglich, solche Sachverhalte einem Finanzprüfer verständlich zu machen. Der sah nur die ungeheure Summe, die er als Betriebsausgaben absegnen sollte, und der würde daraufhin nach dem Staatsanwalt rufen.
Die Ironie in dieser Sachlage sah Rupert Graf darin, dass nunmehr die deutsche Industrie sich Strukturen einfallen lassen musste, die den Wert der Aufträge und somit auch der daraus resultierenden Steuern verminderten. Durch die Verlagerung der Endfertigung der Boote nach Saudi Arabien gingen in Deutschland Arbeiten in der Größenordnung von 200 bis 300 Millionen EURO verloren. Denn es waren ja nicht nur Schweißarbeiten, die anfallen würden. Sämtliche Geräte und die Boote selbst mussten getestet werden, zahlreiche Mitarbeiter der DRRS würden nach Saudi Arabien reisen und bei der Fertigstellung der Boote Hilfe leisten müssen.
Und hierfür Beträge in stattlichen Größenordnungen kassieren, die sie zuhause nicht einmal versteuerten!
„Das verstehe ich“, sagte Mahmut. „Aber mir macht Kopfschmerzen, wie Sie das technisch hinbekommen wollen.“
Ezrah Goldstein saß nur wenige Tische weiter, von wo aus er Graf und Mahmut beobachtete. Er konnte nicht hören, was die beiden besprachen, aber er sah, dass beide in ein lebhaftes Gespräch vertieft waren. Goldsteins Begleiterin, eine junge spanische Jüdin namens Evamaria Morales, die, wie sie ihm erzählt hatte, im alten Judenviertel von Cordoba großgeworden war und jetzt für den Mossad arbeitete, hatte ihre Bemühungen um die Aufrechterhaltung einer Konversation bald eingestellt, nachdem Goldstein lediglich einsilbige Antworten von sich gegeben hatte.
Ezrah Goldstein wusste, er würde in der Nacht noch viel zu arbeiten haben. In Gabriel Kaufmanns Büro würde eine Tonbandaufnahme des gesamten Gespräches zwischen Graf und Mahmut auf ihn warten. Die Wanze unter dem Tisch Mahmuts zu aktivieren, war für den für Kaufmann arbeitenden Kellner ein Leichtes gewesen. Die von dem Mikrofon aufgenommenen Geräusche wurden per Funk zu einem im Hafenbecken liegenden Boot übertragen und dort aufgezeichnet. Goldstein wusste um die schlechte Tonqualität solcher Aufnahmen. Nebengeräusche, Umgebungslärm, Gesprächsfetzen von anderen Tischen mussten neutralisiert und das eigentliche Gespräch herausgefiltert werden.
Er würde erst zu Bett gehen, wenn er genau wusste, worüber sich die beiden Spitzbuben unterhalten hatten und woraus eine neue Bedrohung für sein Land entstehen könnte!
Rupert Graf beabsichtigte nicht, Mahmut jetzt in die Details der technischen Zusammenarbeit einzuweihen. Er konnte nicht riskieren, Mahmut zu schlau zu machen, der dann mit seinem neugewonnenen Wissen zu einem von Grafs Wettbewerbern laufen könnte. Insofern sagte er nur:
„Exzellenz, da müssen Sie sich keine Sorgen machen! Solche Aufgaben haben unsere Werften schon mehrfach zur Zufriedenheit unserer Kunden durchgeführt.“
Sicherheitshalber setzte er noch hinzu:
„Allerdings sind wir die einzigen U-Bootbauer, die solche Aufgaben gelöst haben.“ Und, nach einem fragenden Blick von Mahmut: „Die anderen üben noch.“
Während sie stumm zusahen, wie der Kellner die Vorspeisenteller abräumte, dachte Graf daran, dass es unmöglich sein würde, in Saudi Arabien die notwendigen Fachkräfte für ein solches Unterfangen aufzutreiben. Fachpersonal würde in Pakistan und Ägypten rekrutiert werden müssen. Und selbst dann würde es der engen Überwachung durch die DRRS bedürfen. Das müsste genau geplant werden!
„Wie stellen Sie sich den Zeitablauf vor, Exzellenz?“ fragte er Mahmut.
„Eigentlich hatte ich mich mit Ihnen auf die Modalitäten eines Provisionsvertrages einigen wollen,“ antwortete Mahmut. „Wie ich verstanden habe, ist das aber angesichts der jetzt von Ihnen aufgezeigten Struktur nicht notwendig. Was also schlagen Sie vor?“
„Wie schnell könnten Sie ein Unternehmen bereitstellen, das als lokaler Partner auftreten kann?“ fragte Graf.
„Sofort. Ich habe eine ganze Reihe schlafender Gesellschaften.“
„Soweit ich weiß, benötigen Sie in Saudi Arabien für die Ausübung industrieller Tätigkeit eine Lizenz Ihrer Regierung. In diesem Fall für den Bau maritimer Verteidigungsgüter. Wie schnell geht das?“
„Wenn ich will, in einem Tag!“ sagte Mahmut im Brustton der Überzeugung. Graf, der wusste, dass solche Prozesse sich monatelang hinziehen konnten, beschloss, lieber den Mund zu halten.
„Gut. Sobald Sie mir die Gesellschaft nennen können, die als Partner auftritt, sollten wir eine Absichtserklärung zur Bildung des Konsortiums formulieren. Einen Letter of Intent!“
„Warum nicht gleich einen Konsortialvertrag?“
„Damit sollten wir warten, bis wir ein Signal von offizieller Stelle in Ihrem Lande erhalten, dass dieser Weg dort akzeptiert wird.“
„Trauen Sie mir etwa nicht?“ fragte Mahmut in wütendem Ton.
Er schien von einem auf den anderen Moment wie ausgewechselt. Beleidigt, aufgeregt. Unbeherrscht.
Graf sah ihn ausdruckslos an.
„Wir müssen eine Reihe gesetzlicher Vorgaben erfüllen, bevor wir ein Konsortium bilden können, das als Auftragnehmer auftreten kann, Exzellenz. Auch Vorgaben aus Ihrem Land. Die sollten wir in Ruhe abarbeiten. Das können Ihre und unsere Juristen machen. Wir sollten uns darauf konzentrieren, unser Vorhaben ganz offiziell Ihren Behörden vorzustellen und zusehen, den Auftrag zu erhalten.“
„Falsch, Mr. Graf!“ antwortete Mahmut, immer noch sichtlich aufgebracht. „In diesem Fall läuft das anders. Ganz anders!“
Graf war froh, dass in diesem Augenblick der Kellner mit einem riesigen Tablett erschien, auf dem unter einer dicken Salzkruste die bestellten Doraden gegart worden waren. Stumm sahen sie zu, wie der Kellner die Salzkruste vorsichtig ablöste, den Fisch herauspulte und auf Tellern filetierte.
Erst nach dem Abzug des Kellners ergriff Mahmut erneut das Wort:
„Das Projekt unterliegt strengster Geheimhaltung. In unserem Land weiß nur eine Handvoll von Personen davon. Und mir ist von ganz oben freie Hand gegeben worden, es umzusetzen. Vergessen Sie also, Mr. Graf, die üblichen Prozeduren. Sie brauchen keine Ausschreibung, keine Präsentationen, keine langatmigen Vorverhandlungen. Die Boote werden das persönliche Geschenk einer der höchsten Persönlichkeiten meines Landes an die Streitkräfte. Ein Geschenk, das nicht abgelehnt werden kann und darf!“
Rupert Graf wusste, dass es solche Geschenke schon gegeben hatte. Die Fregatten der Sawari-Klasse waren so ein Geschenk gewesen.
„Es gibt nur einen Punkt, den ich zuhause noch abklären muss. Einen einzigen. Bisher war die Idee, die Boote in aller Stille im Ausland zu bestellen und irgendwann im Lande zur Verfügung zu haben. Völlig überraschend. So, wie unsere Vettern im Iran plötzlich über derartige Systeme verfügten. Wenn wir jetzt an eine Teilfertigung in unserem Lande denken, wird es sich nicht vermeiden lassen, dass dies einer größeren Personenanzahl bekannt wird als uns lieb ist. Es kann also sein, dass ich aufgefordert werde, die Boote woanders zu bestellen, nämlich da, wo sie komplett fertiggestellt, wo sie getestet werden können, wo die Mannschaften trainieren können, ohne dass dies der Welt bekannt wird.“ Mahmut sah Graf triumphierend an. „Und wo man mir problemlos meine Provision zahlt!“
Rupert Graf hätte Mahmut sagen können, wo seine Provisionsforderungen problemlos erfüllt würden. Auch wenn alle europäischen Staaten das Internationale Bestechungsgesetz unterschrieben hatten, gab es anders als in Deutschland Regierungen in Europa, die im Interesse ihrer Industrien beide Augen zudrückten und Verstöße nicht nur nicht ahndeten, sondern die betroffenen Unternehmen sogar vor Strafverfolgung schützten. Was Graf aber als reichlich naiv empfand war die Vorstellung, der Bau der Boote könnte über längere Zeit geheim gehalten werden. Was geheim gehalten werden konnte, waren Leistungsdaten der Boote und ihrer Systeme, nicht aber die Tatsache des Baues an sich.
„Selbst wenn es Ihnen gelänge, den Kauf der Boote nicht bekannt werden zu lassen, was ich angesichts notwendiger Exportgenehmigungsfragen in sämtlichen Zulieferstaaten sehr bezweifele, Exzellenz, was nützen Ihrem Land dann Boote, die völlig überraschend zur Verfügung stehen, deren jeweiliger Standort danach aber allen einschlägigen Institutionen bekannt sein dürfte?“
„Was wollen Sie damit sagen, Mr. Graf?“
„Nun, es gibt kein U-Boot auf der Welt, das so leise ist wie die in Deutschland gebauten. Es müsste also mehr im Interesse Ihres Landes liegen, Boote zu besitzen, von deren Existenz man zwar weiß, die aber nicht aufgespürt werden können. Man weiß, es gibt sie, aber man weiß nicht, wo.“
Mit einer kurzen Handbewegung verscheuchte Mahmut den Kellner, der ihre leeren Teller abräumen wollte.
„Auch andere Länder bauen gute U-Boote, Mr. Graf!“
„Zweifellos, Exzellenz. Aber bei entscheidenden Technologien sind wir ein paar Nasenlängen voraus. Der Grund ist einfach: Dadurch, dass unsere Industrie so viele Exportaufträge hat, kann sie mehr Geld in neue Entwicklungen stecken als unsere Wettbewerber. Und dieser Sachverhalt kommt allen neuen Kunden zugute.“
Rupert Graf sah, dass Scheich Mahmut an dieser Antwort zu kauen hatte. Selbst wenn Mahmut weitgehend freie Hand bei der Auswahl des Lieferanten haben sollte, würde er nicht mit einem zweitklassigen Produkt ankommen dürfen.
„Wie schnell können Sie liefern, Mr. Graf?“ fragte Mahmut nach einer kurzen Pause. „Wann ist das erste Boot einsatzbereit?“
„Das hängt von der Ausstattung der Boote ab. Liefern? Das erste Boot in vier, eher in fünf Jahren. Bis die Boote getestet sind und die Mannschaften trainiert, noch mal zwei Jahre dazu. In sechs Jahren könnte ein erstes Boot durchaus operativ sein.“
Mahmut, der gerade im Begriff gewesen war, einen Schluck Wein zu trinken, verschluckte sich und begann zu husten. Der Hustenanfall schien gar nicht aufzuhören. Als Mahmut wieder nach Luft schnappen konnte, war er hochrot im Gesicht.
„Das kann nicht Ihr Ernst sein, Mr. Graf!“
Ahmed Falouf wunderte sich über die Stille, die ihn umgab. Und über die Finsternis. Es war stockfinster. Und totenstill.
Ahmed versuchte, sich zu bewegen, aber irgendetwas hinderte ihn. Den Kopf konnte er nur wenige Zentimeter nach rechts oder links drehen. Arme und Beine konnte er gar nicht bewegen, lediglich die Fingerspitzen. Und seine Zehen. Es fühlte sich an, als sei er vom Hals abwärts bandagiert wie eine Mumie.
Nur langsam fiel ihm ein, dass er mit einem Auto entführt worden war. Dass ihm jemand eine Injektionsnadel in den Arm gestoßen hatte.
Und jetzt lag er hier.
Ahmed Falouf versuchte, herauszufinden, ob er Schmerzen hatte. Fühlen konnte er nichts. Aber da er Fingerspitzen und Zehen hatte bewegen können, wusste er, er war nicht gelähmt.
Er versuchte, etwas zu sagen, aber aus seinem Hals kam nur ein heiseres Krächzen.
Wieso war er in das Auto gezerrt worden? Sie hatten ihn gezogen und gestoßen! Aber wer? Er hatte niemanden erkennen können. Aber es war ja auch so schnell gegangen!
Ahmed Falouf fühlte nichts. Das machte ihm Angst. Es war unheimlich. Alles war unheimlich, die Stille, die Dunkelheit, das Fehlen jeglichen Geräusches. Er überlegte, ob er tot sei. Aber dann würde er wohl nicht atmen. Er hatte in seinem Leben etliche Tote gesehen, seinen Großvater, seine Onkels. Freunde, die von den Israelis erschossen worden waren. Keiner von denen hatte mehr geatmet. Aber er atmete. Nach einigem Überlegen und nach nochmaliger Beobachtung seiner Atemzüge beschloss Ahmed Falouf, er war nicht tot!
Auf einmal kamen ihm seine Gedanken reichlich albern vor. So albern, dass er lachen musste. Allerdings klang sein Lachen nicht belustigt, sondern hörte sich seltsam heiser an. Und es tat weh, wenn er lachte. Die ganze Brust tat ihm plötzlich weh. So weh, dass ihm Tränen in die Augen stiegen. Die kitzelten, als sie seitwärts aus seinen Augenwinkeln rannen, aber er war außerstande, sie wegzuwischen. Er konnte sich ja nicht bewegen. Er merkte, das Geräusch, dass er jetzt von sich gab, klang mehr wie ein Schluchzen.
Plötzlich hatte er das Gefühl, eine Tür sei geöffnet worden. Nicht, dass etwas zu sehen gewesen wäre, kein Lichtspalt, nichts. Nur ein leiser Luftzug, und Rascheln, als ob sich eine weitere Person im Raum befände.
Ahmed Faloufs Wahrnehmungen beschränkten sich voll und ganz auf seinen Gehörsinn. Und er war sicher, den Atem eines anderen Menschen zu hören.
Ahmed fragte: „Hallo?“
Keine Antwort. Er fragte noch einmal:
„Ist da jemand?“
Aber alles, was er hörte, war das flache Atmen eines anderen Menschen.
„Doch, absolut, Exzellenz!“ antwortete Rupert Graf.
„Wenn Sie keine Zeit für unseren Auftrag haben, gehe ich woanders hin!“ sagte Mahmut.
„Da bekommen Sie Ihre Boote auch nicht schneller,“ antwortete Graf. „Es sei denn, Sie kaufen gebrauchte Boote. Alle anderen haben die selbe Bauzeit.“
„Wieso das denn?“ wollte Mahmut in wirschem Ton wissen.
„Das liegt an den Lieferzeiten der Hauptkomponenten. Antriebsmotoren, Computer für die Waffenkontrolle, Sensoren. Stahlplatten zu einem Druckkörper zu formen, ist nicht das Problem. Das Problem ist die Elektronik. Die wird nicht auf Vorrat hergestellt, sondern für jedes neue Boot maßgeschneidert. Schließlich werden Sie nicht alte Technologie haben wollen, sondern die neueste. Und das dauert.“
„So lange können wir keinesfalls warten!“ sagte Mahmut. „Vier Jahre! Blödsinn!“
„Dann ist die einzige Alternative der Kauf gebrauchter Boote. Ich will mich gerne umhören, ob einer unserer Kunden bereit ist, von seinen Booten welche abzugeben. Allerdings erhalten Sie dann veraltete Technologie.“
„Wie alt?“ fragte Mahmut.
„Zehn Jahre alt,“ sagte Graf ungerührt. „Oder noch älter.“
„Wieso das?“
„Nun, das letzte Mal, dass solch kleine Boote ausgeliefert wurden, ist vier Jahre her. Angefragt und entwickelt wurden diese Schiffe mindestens sechs Jahre vorher. Das heißt, die Entwicklung der Computersysteme hat spätestens vor rund sechs Jahren stattgefunden. Damals waren die das Modernste, was es weltweit gab. Selbst, als die Boote in Dienst gestellt wurden, war diese Technologie die modernste, die existierte, denn was immer zu diesem Zeitpunkt in der Planung war, funktionierte ja noch nicht, sondern musste erst noch gebaut und getestet werden. Wenn ein Waffensystem ausgeliefert wird, egal wo auf er Welt, ist es zwar immer im Augenblick das modernste, aber von der Entwicklung schon überholt. Allerdings besitzt zu diesem Zeitpunkt niemand etwas moderneres.“
„Und Ihre Wettbewerber?“ fragte Mahmut lauernd.
„Haben Boote der von Ihnen gewünschten Größe zuletzt vor rund zehn Jahren geliefert. Da ist die Technologie noch älter.“
„Aber die sind doch nicht unmodern!“ antwortete Mahmut.
„Nein, keineswegs. Aber eben nicht mehr das Beste. Was für ein Auto fahren Sie?“ fragte Graf.
„Nun, ich habe Autos auf der ganzen Welt. Ganze Wagenparks, für mich, meine Familien, meine Geschäftsfreunde. Mercedes, BMW, Rolls Royce, Bentleys. Was soll diese Frage?“
„Mit was sind Sie heute hierher gebracht worden?“
„Mit meinem Maybach,“ antwortete Mahmut. „Das ist wohl im Augenblick das beste Auto, das es gibt.“
„Ich darf annehmen, dass dieses Auto nach Ihren Wünschen zusammengebaut wurde und Sie dies nicht einfach aus einem Schaufenster gekauft haben.“
„Allerdings! Alle meine Maybachs sind Sonderanfertigungen!“
„Und die Lieferzeiten?“ fragte Graf.
„Verdammt lang, Mr. Graf!“
„Sehen Sie? Einen Bentley oder eine S-Klasse von Mercedes hätten Sie sicherlich schneller bekommen. Auch unsere Boote sind Sonderanfertigungen.“
Mahmut grinste, wurde aber plötzlich wieder ernst.
„Die Lieferzeit ist zu lang. Viel zu lang. Wir benötigen die Boote früher! Viel früher! Wenigstens eines! Bei dem Preis, den wir zahlen, sollen Ihre Leute schneller arbeiten!“
„Die Lieferzeit ist bedingt durch die Technik. Ein U-Boot wird in Segmenten gebaut. Röhren aus Stahl, je nach Typ etliche Meter lang. Jede dieser Röhren wird völlig ausgerüstet mit den dazugehörigen Maschinen und Komponenten. Kojen, Toiletten, die Kombüse. Erst, wenn alle Geräte eingebaut sind, werden diese Ringe miteinander zum Druckkörper verschweißt. Das kann aber erst geschehen, nachdem alle Systeme in die Segmente installiert sind. Danach hat das Boot nur noch ein paar Luken, gerade groß genug, dass ein Mensch hindurch passt.“
Mahmut sah missmutig aus. Graf überlegte, ob Mahmuts Verdienst an dem Geschäft erst mit Auslieferung der Boote fällig würde und er deshalb nicht warten mochte.
„Sie könnten also nur durch Abstriche bei der Technologie etwas Zeit sparen. Zu Lasten der Sicherheit.“
„Was soll das jetzt wieder heißen?“
„Nun, wir könnten versuchen, ältere Aggregate und Systeme aufzutreiben, die als Ersatzteile oder Austauschteile verfügbar sind. Ich muss mich erkundigen, ob irgendwo auf der Welt ein Sonarsystem zur Verfügung steht. Eventuell in den USA. Aufgrund der großen Serien, die für die US-Navy aufgelegt werden, sind die USA das einzige Land, das Geräte auf Vorrat baut. Das ist dann zwar auch nicht mehr allerletzter Stand der Technologie, aber das beste, was heute verfügbar ist..“
„USA? Das geht nicht!“ sagte Mahmut bestimmt. „Die Persönlichkeit, die die Boote bezahlt, ist kein Freund der USA.“
Ahmed Falouf wurde schläfrig.
Das angestrengte Lauschen auf die Atemzüge des anderen in diesem dunklen Raum befindlichen Menschen machte ihn müde.
Ein paarmal noch hatte er in die Dunkelheit hinein „Hallo?“ gefragt, wobei seine Stimmer fester und verständlicher geworden war, aber er hatte keine Antwort bekommen.
Außerdem war es warm in dem Raum. Nicht so warm wie draußen. Das Gebäude, in dem er sich befand, war augenscheinlich klimatisiert, aber trotzdem war es warm.
Gerade, als Ahmed Falouf in den Schlaf hinüberdämmern wollte, ging unvermittelt direkt vor seinen Augen ein grelles Licht an, und eine Stimme sagte:
„Jetzt wollen wir uns mal um dich kümmern!“
Ezrah Goldstein war überrascht, als Graf und Scheich Mahmut plötzlich aufstanden und zum Ausgang gingen. Es hatte zuvor keinerlei Hinweis auf einen bevorstehenden Aufbruch gegeben. Wahrscheinlich ließ Mahmut die Summe seiner Rechnungen am Ende des Monats bezahlen. Einer der beiden Sonnenbrillenträger beeilte sich, vor Mahmut und Graf an der ins Erdgeschoss führenden Treppe anzulangen und vor den beiden nach unten zu gehen.
Goldstein wartete, bis er den Blick des Kellners auffing, der an Grafs und Mahmuts Tisch bedient hatte. Der Mann nickte ihm fast unmerklich zu. Goldstein wusste, dass in der Bar, in die Mahmut Graf jetzt führen würde, dem dortigen Mossad-Mann die Ankunft der beiden gemeldet würde, so dass auch dort das Abhörgerät aktiviert werden konnte.
Ezrah Goldstein wartete, bis Evamaria Morales bereit war zu gehen, und schlenderte vor ihr her zum Ausgang.
Trotz der nachmitternächtlichen Stunde und trotz der Jahreszeit war die Promenade am Hafen von Puerto Banus noch gut besucht. Auf den offenen Terrassen der Lokale und Bars waren Heizstrahler installiert. Die Terrassen waren bevölkert mit Menschen überwiegend südeuropäischen oder arabischen Aussehens. Rupert Graf vermutete, dass sich ein Mitglied aus der ersten Reihe des Saudischen Königshauses in Marbella aufhielt. Dies führte dann immer dazu, dass zahlreiche hohe Verwaltungsbeamte, Geschäftsleute, Bittsteller mit einem Anliegen die Entourage bildeten und, sofern sie nicht eigene Anwesen unterhielten, Hotels und Restaurants besetzten.
Während Mahmut und Graf gemächlich die wenigen Schritte zu der Bar zurücklegten, die Mahmut ausgesucht hatte, rollte ihnen im Schritttempo und lautlos Mahmuts Maybach hinterher. Vor ihnen herlaufend sorgte einer der Sonnenbrillenträger dafür, dass sie trotz der vielen Menschen ungehindert spazieren konnten.
Sie nahmen nach wenigen Minuten auf opulenten weißen Lederpolstern unter einer grünweiß-gestreiften Markise Platz, eilfertig umschwirrt von mehreren Kellnern, die dafür sorgten, dass die Plätze in ihrer unmittelbaren Umgebung geräumt wurden und leer blieben.
Rupert Graf liebte solche Zurschaustellung nicht.
Es war unübersehbar, wie neugierig Mahmut und er beäugt wurden, nicht nur von den anderen Gästen, sondern auch von Spaziergängern, die auf der Promenade flanierten oder von Leuten, die versuchten, auf der Terrasse einen Platz zu bekommen und trotz der freien Sitzplätze nicht eingelassen wurden.
Graf ging davon aus, dass eine schillernde Figur wie Scheich Mahmut von einer Reihe von Spionagediensten beobachtet wurde, nämlich all der Länder, die geschäftliche oder gar militärische Interessen in Saudi Arabien hatten. Und die sich wahrscheinlich noch am selben Abend für Mahmuts Gesprächspartner interessieren würden.
Und ausgerechnet Mahmut legte größten Wert darauf, das U-Bootprogramm geheim zu halten!
„Wie viele Monate könnten wir sparen, Mr. Graf?“
Mahmut setzte die Unterhaltung dort fort, wo sie vorhin abgebrochen worden war.
„Fünf, sechs, mehr keinesfalls. Die Alternative sind gebrauchte Boote.“
„Und die taugen nichts?“
„Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, Exzellenz. Die Boote sind erstklassig. Aber eben nicht das Neueste am Markt.“
„Haben die Ihren…..“ Graf sah interessiert zu, wie Mahmut einen winzig kleinen Zettel aus seiner Brieftasche popelte und zögernd vorlas: „… außenluftunabhängigen Antrieb?“
„Die Brennstoffzelle? Die kleinen Boote nicht! Wir könnten aber eine Sektion mit Brennstoffzelle einbauen. Aufschneiden müssen wir das Boot ja ohnehin.“
„Wann wäre ein solches Boot lieferbar?“
„Das muss ich prüfen. In der von Ihnen gewünschten Größe gibt es nur eine ganz geringe Zahl. Ich muss sehen, ob, eine der Marinen, die diese Boote besitzen, bereit ist, eine Einheit abzugeben.“
„Die Deutsche Marine?“
„Hat derart kleine Boote nicht.“
„Wir brauchen ein erstes Boot in spätestens zwei Jahren. Mit einer einsatzbereiten Besatzung. Ich schicke Ihnen in den nächsten Tagen einen Experten, mit dem Sie technische und taktische Details besprechen können. Parallel werden wir den Konsortialvertrag verhandeln. Mr. Graf, wenn Sie mitziehen, haben wir dieses Geschäft in einem Monat unter Dach und Fach!“
Als Rupert Graf eine Stunde später die Tür zu seinem Apartment im Marbella Club Hotel öffnete, klingelte das Telefon.
Graf warf die Tür zu und hob den Hörer ab.
„Wir müssen uns sehen, sobald Sie zurück sind!“ hörte er Schmehlings fröhliche Stimme. „Es gibt Dinge, die wir regeln müssen!“
Es war zwei Uhr morgens.
In Washington war es noch der Vortag, und erst 20 Uhr. Lieutenant Commander Carl Almaddi war gerade im Begriff, sein Büro zu verlassen, als sein Telefon piepte. Als er abhob, erkannte er die Stimme des israelischen Marineattachés Chaim Zimmerman, der ohne Begrüßung und ohne sich zu identifizieren sagte:
„Carl, Sie haben neulich mal im Zusammenhang mit Saudi Arabien etwas von U-Booten gesagt. Offenbar hören Sie Gras wachsen. Auch wir haben Hinweise, dass das Land sich mit solchen Geräten befasst.“
Bevor Carl Almaddi etwas sagen konnte, war die Leitung unterbrochen.
Ahmed Faloufs Augen tränten.
Seine Augen tränten nicht nur wegen des grellen Lichtes, das ihn blendete und ihm Schmerzen verursachte.
Das Wasser lief ihm aus den Augen auch, weil seine Träume vom großen Geld vor wenigen Minuten geplatzt waren, und weil er fürchterliche Angst hatte um sich und seine Familie.
Er konnte den Mann nicht sehen, der mit ihm sprach. Dazu war die grelle Lampe zu dicht vor Ahmeds Augen. Aber wer immer es war, er besaß die Audiokassette und Ahmeds handschriftliche Liste, die Ahmed so sorgfältig hinter dem Schrank in seinem Zimmer versteckt hatte!
Der Mann hatte ihm die Kassette vorgespielt, in einer hervorragenden Qualität, viel besser als auf Ahmeds Kassettenrekorder. Und er hatte ihm die Liste der Anrufe General Faisals vorgelesen.
Ahmed Faloufs Gedanken rasten.
Hatten die Saudis ihn erwischt, wie er General Faisal belauschte?
Hatte Majed ihn verraten an, wer immer Majeds Auftraggeber waren?
Majed hatte ihm gesagt, er arbeite für die französische Industrie.
Aber wieso konnte der Mann, der ihn hier in diesem Zimmer befragte, soviel über Ahmeds Familie in Palästina wissen?
Ahmed Falouf wurde heiß und kalt, als sich in ihm langsam die Erkenntnis durchsetzte, dass er einem Mitarbeiter des israelischen Geheimdienstes ausgesetzt war. Ahmed hielt sich für mutig. Das hatte er gezeigt, als er Majed aufgefordert hatte, mehr Geld zu verlangen.
Aber Ahmed Falouf war nicht tapfer.
Dies zeigte sich, als sein Gegenüber ihm in klaren aber unmissverständlichen Worten auseinander setzte, was mit ihm selbst und mit seinen alten Eltern zuhause in Palästina geschehen würde, wenn er nicht zu bedingungsloser Zusammenarbeit bereit war!
Als Ahmed Falouf aus seinem engen Verband gewickelt wurde, der ihn die vergangenen Stunden gefesselt hatte, weinte er bitterlich.
Er weinte über den Verlust des als sicher erwarteten Geldes, das ihm eine erträgliche Zukunft gesichert hätte. Und er weinte über den Verrat, zu dem er gezwungen wurde.
Wenige Tage später saß Ezrah Goldstein gemeinsam mit Moishe Shaked und Itzak Salomonowitz in seinem winzigen Büro im Verteidigungsministerium in Tel Aviv.
Vor sich hatten sie Kopien der Niederschriften der Unterhaltungen aus Marbella zwischen Scheich Mahmut al Ibrahim und Rupert Graf sowie das Gesprächsprotokoll des Verhörs von Ahmed Falouf in Riad.
Sie hatten sich gemeinsam die verfügbaren Tonbandaufnahmen angehört. Mehrmals.
Sie hatten die Übersetzung der von Falouf aufgezeichneten Telefonate von General Faisal gelesen und anhand von Faloufs Liste verglichen, mit wem der General telefoniert hatte. Sie hatten sogar, und keiner von ihnen dreien wusste, wie ihr Geheimdienst hieran gelangt war, eine von der saudischen Telekom gedruckte Liste der Rufnummern, die General Faisal über sein Autotelefon angerufen hatte, und die Namen und Positionen der Angerufenen. Die Liste von Falouf war korrekt. Ganz offensichtlich hatte er, sobald er allein im Auto gesessen hatte, die im Telefon gespeicherte Anrufliste einfach abgeschrieben!
Sie hatten Aufzeichnungen aus den Büros von Rupert Graf in Oberhausen und Bremen, die zeigten, dass Graf sich darum bemühte, für die Saudis ein gebrauchtes Klein-U-Boot aufzutreiben. Hierzu erhielten die derzeitigen Eigner das Angebot, für das alte Boot ohne Aufpreis ein brandneues zu erhalten. Kein Problem bei dem Preis, den Scheich Mahmut geboten hatte!
Sie hatten Aufzeichnungen von Gesprächen aus Grafs Büros und Kopien seiner e-Mailkorrespondenz, in denen Graf sich mit Kollegen aus den technischen Abteilungen darüber beriet, wie ein altes und gebrauchtes U-Boot möglichst schnell modernisiert und auf höheren technischen Standard gebracht werden könnte.
All dies gefiel ihnen nicht!
„Was mir Sorge macht, ist die Eile, die die Saudis an den Tag legen!“ sagte Moishe Shaked. „Sonst haben die alle Zeit der Welt! Kommste heut nicht, kommste morgen. Wenn die also jetzt so auf die Tube drücken, dann, weil ihnen von irgendwoher eine Vorgabe gemacht worden ist. Haben die irgendein Jubiläum, das sie in zwei Jahren feiern? Den Jahrestag irgendeiner Schlacht? Irgendein Datum, das der Koran erwähnt? Das müssen wir analysieren!“
„Ich könnte Graf aus dem Verkehr ziehen lassen,“ sagte Ezrah Goldstein. „In dem Augenblick, in dem er mit Mahmut seine Konsortialvereinbarung unterschreibt, kann ich auf diskrete Weise die Bandaufnahme aus Marbella an die deutsche Staatsanwaltschaft geben. Die nehmen Graf dann erst mal hoch wegen des Versuchs der Umgehung des Internationalen Bestechungsgesetzes! Die Bildung einer kriminellen Vereinigung mit Mahmut zum Nachteil des Königreiches Saudi Arabien! Die Deutschen sind dermaßen blöd, die fallen da erst mal drauf rein! Graf wird wahrscheinlich von seinen eigenen Konzernvorständen verboten, das Geschäft weiterzuverfolgen. Die gucken, was gerade bei Siemens und Daimler passiert und kneifen den Schwanz ein!“
„Das wird aber den Kauf der Boote nicht verhindern,“ warf Shaked ein.
„Nö, aber verzögern! Und wenn wir das geschickt in die Medien spielen, können wir zumindest verhindern, dass es die Deutschen sind, die die Boote liefern!“
„Ich schlage vor, wir lassen die Sache erst mal laufen,“ meldete sich Itzak Salomonowitz zu Wort. Die beiden anderen sahen ihn verblüfft an.
„Wir wollten doch einen Auftrag für Deutschland verhindern…“ sagte Goldstein.
„Nun,“ sagte Salomonowitz. „Bei Graf und seiner DRRS wissen wir, was passiert. Graf wird eng überwacht und belauscht. Wir werden die Konfiguration der Boote kennen. Wir werden genau wissen, was die Saudis kriegen! Und, wenn die Saudis mit den Booten tatsächlich einen Schlag gegen Israel planen sollten, erfahren wir es auf diesem Weg am ehesten. Das mit dem Datum müssen wir unbedingt analysieren! Wenn wir das rausfinden, wissen wir, was die Saudis vorhaben.“
Lieutenant Commander Carl Almaddi hatte Zugriff auf so ziemlich alle Gerätschaften, mit denen die US-Behörden ausgestattet sind, um Angriffe auf ihr Land und ihre Bevölkerung zu verhindern oder zu vereiteln. Allerdings war es den riesigen Rechnern seiner Behörde nicht leicht gefallen, die mitgeschnittenen Telefonate einer Stimmenanalyse zu unterziehen. Dies lag zunächst an der unzulänglichen Tonqualität der Mitschnitte. Selbst wenn die Gespräche sicherlich auch von saudischen Behörden mitgeschnitten worden waren, konnten die USA nicht gut um Kopien bitten, ohne erklären zu müssen, woher sie den Inhalt der Telefonate bereits kannten!
Es hatte daher eine ganze Weile gedauert, bis die Stimmenanalysatoren der CIA errechnet hatten, dass der Anrufer bei der Koranschule in Peshawar der im gesamten islamischen Sprachraum tätige Imam Hadschi Omar bin Othman sein musste. Omar, mit vollem Namen Omar bin Othman bin Mohammad bin Abdallah, sein Vater ein Staatsbürger Saudi Arabiens und Omar deshalb mit saudischem Pass ausgestattet, die Mutter Jemenitin, war als eloquenter Prediger bekannt, der nicht gerade die Freundschaft zwischen Christentum und Islam zu preisen pflegte. Auch wenn Hadschi Omar bisher als überfrommer Sektierer galt, wurde er doch wegen seiner höchst konservativen, fast schon fundamentalistischen Haltung von gleich mehreren amerikanischen Diensten im Auge behalten.
Es hatte eine weitere Weile gebraucht, an die Videoaufzeichnungen der Überwachungskameras des Hyatt Park Hotels in Riad zu gelangen. Aber die endlich erhaltenen Bilder hatten um die Zeit des Anrufes einen Mann in Burnus und Kufiya gezeigt, der durchaus der Prediger sein mochte.
Wieso, in Dreiteufelsnamen, bat ein frommer Spinner aus der saudischen Hauptstadt Riad über ein anonymes holländisches Mobiltelefon um ein Gespräch über gottverdammte U-Boote? Was sollte die Aussage in dem zweiten Gespräch? Wir haben gefunden, was du suchst. Ideal für euren Plan! Und voller Hass!
Lieutenant Commander Carl Almaddi wusste, hier kam noch eine Menge Arbeit auf ihn zu!
Rupert Graf saß gemeinsam mit Norbert Schmehling im Restaurant Confetti´s im Düsseldorfer Stadtteil Oberkassel. Beide waren hier in diesem Schickimicki-Lokal Stammgäste, so dass sie problemlos einen Tisch bekamen, an dem niemand ihr Gespräch würde mithören können. Das wäre in dem vollbesetzten Lokal mit seinem hohen Geräuschpegel ohnehin schwierig gewesen.
Schmehling war glänzender Laune. Für ihn war der Auftrag so gut wie perfekt! Wenn jetzt noch etwas schief ging, dann konnte nur Graf schuld daran sein! Und genau so sagte er es auch.
Graf wies auf die Notwendigkeit der Ausfuhrgenehmigungszusage nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz hin.
„Das regele ich mit meinem Freund!“ sagte Schmehling und stocherte in seinem Carpaccio mit Senfsoße.
Schmehlings Freund hatte als Regierungsmitglied wiederholt in schwierigen Situationen zugunsten der deutschen Industrie eingegriffen. Dies, soweit Graf wusste, immer bei Geschäften, bei denen auch Schmehling seine Hand im Spiel hatte.
„Wir werden weiterhin eine Genehmigung brauchen, das verlangte gebrauchte Boot wieder nach Deutschland einzuführen, zu modernisieren, und den Saudis zu überlassen. Und eine Genehmigung für den Export des Ersatzbootes an den derzeitigen Nutzer.“
„Wo kriegen Sie das denn her?“ fragte Schmehling schmatzend.
„Pakistan ist bereit, eines abzugeben.“
„Das sind doch uralte Boote!“
„Mopfen wir auf. Neue Systeme. Wir bauen eine Brennstoffzelle ein. Und neue Sonarsysteme. Die USA haben signalisiert, sie sind bereit, welche zur Verfügung zu stellen. Trotzdem, das Problem könnte die Genehmigung werden.“
Wieso?“ fragte Schmehling.
„Pakistan steht heute auf der Liste der nicht als sehr zuverlässig eingestuften Staaten. Das war damals anders.“
„Da soll sich mein Freund drum kümmern!“ Schmehling sagte das in einem Ton, als sei sein Freund sein Angestellter. Graf mochte nicht ausschließen, dass dies tatsächlich so war.
Stumm warteten sie, bis der Kellner ihre Vorspeisenteller abgeräumt und Wein und Wasser nachgefüllt hatte.
„Wir brauchen darüber hinaus eine Genehmigung dafür, die Saudis die Boote selbst zusammenbauen zu lassen. Das fällt unter Technologietransfer. Genehmigungspflichtig!“
Schmehling wurde sichtlich ungeduldig.
„Gleich sagen Sie mir noch, Sie brauchen auch eine Genehmigung, wenn Sie pinkeln gehen wollen!“
„Es ist doch die Partei Ihres Freundes, die immer wieder Bürokratieabbau verspricht,“ entgegnete Graf. Er wusste, dass Schmehling die Partei massiv finanziell unterstützte.
„Wie geht es jetzt weiter?“ wollte Schmehling wissen. Es klang so, als ob er fragte, wann er sein Geld bekäme.
„Ich habe Scheich Mahmut einen Entwurf für einen Letter of Intent und die Liste der Punkte zugeschickt, die in den Konsortialvertrag müssen.“
„Warum nicht gleich den Vertrag?“ wollte Schmehling wissen.
„Ich brauche Zeit, um vorab die Genehmigungsfragen zu klären. Die Anträge auf die Genehmigungszusagen sind raus. Da vor Jahren die Lieferung von U-Booten an die Saudis schon mal positiv beschieden worden ist, sollte es keine Probleme geben. Trotzdem wird das von den Beamten in Ruhe abgearbeitet werden.“
„Geht das in den BSR?“ fragte Schmehling.
„In den Bundessicherheitsrat? Wahrscheinlich, im Umlaufverfahren.“
„Geben Sie mir Kopie von den Anträgen. Die gebe ich an meinen Freund. Der soll sich drum kümmern, dass es beschleunigte Verfahren gibt! Hat Mahmut schon reagiert?“
„Ja, insofern, als er seine Anwälte einen Termin mit unserer Rechtsabteilung hat verabreden lassen. Ich hoffe bloß, er schickt kompetente Leute.“
„Wann tritt der Liefervertrag in Kraft?“
„Das wird noch eine ganze Weile dauern.“
„Warum denn das, in Dreiteufelsnamen? Sie haben doch alles, was Sie brauchen!“
„Herr Schmehling, bleiben Sie realistisch! Bis der Konsortialvertrag ausgehandelt ist, vergehen etliche Wochen. Der steht dann unter dem Vorbehalt des Erhalts der notwendigen Genehmigungen. Mit Glück und der Hilfe Ihres Freundes haben wir eine Reaktion innerhalb von weiteren sechs Wochen. Erst wenn der Konsortialvertrag unterschrieben ist, können die Saudis dem Konsortium einen Auftrag erteilen. Und der muss erst mal verhandelt werden.“
„Aber Sie können schon Vorarbeiten leisten,“ quengelte Schmehling. „Die Sache ist sicher. Da können Sie doch schon erste Bestellungen rausschicken, um Zeit zu sparen.“
„Herr Schmehling, bitte! Wir haben noch mit niemandem über die technische Konfiguration gesprochen! Kein Mensch weiß, was die Saudis für Geräte und Waffen an Bord haben wollen! Zudem: Ohne Genehmigungszusage dürfen wir gar nichts! Das wissen Sie selbst!“
Schmehling guckte, als ob Graf die Schuld daran trüge, dass der Export von Rüstungsgütern strengen Vorschriften unterlag.
Die Hauptspeise wurde serviert. Loup de Mer. Schmehling forderte den Kellner auf, ihm Rotwein zu bringen. Barolo.
„Wenn Sie die Saudis fragen, was sie wollen, Herr Graf, dauert es nur länger! Bieten Sie den Saudis ein Standard-Boot an, und damit hat es sich! Wenn Sie denen mit allen möglichen Alternativen kommen, verwirren Sie die nur, und dann verhandeln Sie in zwei Jahren noch!“
Schmehling sah ihn missmutig an.
„Beeilen Sie sich, Herr Graf. Wir haben mehrere Wahlkämpfe vor uns. Landtagswahlen, der Bundestag. Ich brauche das Geld so schnell wie möglich!“
Sabine Sadler war verblüfft, als sie auf dem Weg von ihrem Seminar in der Uniklinik Düsseldorf zur Haltestelle der Straßenbahn von einem kleinen, unscheinbaren Mann angesprochen wurde, der fragte:
„Weiß eigentlich Ihr Verlobter, dass Sie so fröhlich mit Rupert Graf bumsen?“
„Was geht Sie das an?“ fragte sie in bissigem Ton zurück, verlangsamte jedoch ihren Schritt.
„Nun. Es könnte ihn interessieren. Ihre Nächte in Grafs Wohnung, Ihre Reisen mit Graf. Kuala Lumpur. Sie waren zwar nur 24 Stunden dort, aber es gibt nette Bilder von Ihnen beiden vor den Petronas-Towers. Oder Bremen. Sie beim Verlassen von Grafs Apartment. All das zu Zeiten, zu denen Ihr Verlobter Sie in Ihren Seminaren vermutete. Wollen Sie mal sehen?“
„Ja!“ sagte Sabine Sadler bestimmt.
Der Mann zog einen Briefumschlag aus der Brusttasche seines Mantels und gab ihn Sabine.
Die sechs Bilder darin waren von ausgezeichneter Qualität. Sie wären eine Zierde für jedes Photoalbum gewesen, scharf, über große Entfernung aufgenommen und durch mit den für Teleobjektive typischen Verzerrungen des Hintergrunds von gewisser Dramatik, und farbenfroh.
„Gut, nicht wahr?“ fragte der kleine Mann fröhlich. „Ich hab noch mehr!“
„Was wollen Sie?“ fragte Sabine Sadler. „Geld?“
„Mit Ihnen reden!“ antwortete der kleine Mann.
Ahmed Falouf war alles andere als fröhlich.
Majed Akhad hatte tatsächlich für die Israelis gearbeitet! Majed hatte ihn, Ahmed, seinen Freund von Kindesbeinen an, betrogen und belogen! Und nicht nur das! Majed hatte ihn den israelischen Agenten ausgeliefert, die ihn jetzt zwangen, für Israel zu spionieren.
Majed war und blieb verschwunden.
Ahmed hatte mehrere Versuche unternommen, Kontakt zu Majed unter dessen alter Adresse aufzunehmen. Aber Majed Akhad, so war ihm dort gesagt worden, habe das Land verlassen.
Als Ahmed versucht hatte, Nachforschungen über Majeds Verbleib anzustellen, war ihm von seinem Führungsoffizier – so nannte sich der Kerl! - Anweisung gegeben worden, diese unverzüglich einzustellen.
Ahmed Falouf hatte seine Möglichkeiten abgewogen, wieder und wieder. Was konnte er tun?
General Faisal informieren? Das würde seinen sicheren Tod bedeuten! Auch wenn er kein richtiger Soldat, sondern nur ein armer Chauffeur war, trug er doch die Uniform des Saudischen Heeres. Was er tat, war Hochverrat! General Faisal würde dafür sorgen, dass Ahmed mit aller Härte bestraft würde! Mit dem Tode. Enthauptung oder so viele Peitschenhiebe, dass er daran sterben würde.
Sich an einen der Vertreter Palästinas in Riad wenden?
Palästina war kein international anerkannter Staat und hatte somit auch keine Botschaft oder diplomatische Vertretung, in der Ahmed hätte um Asyl und um Rückführung nach Palästina bitten können. Es gab zwar Vertretungsbüros verschiedener palästinensischer Interessengruppen in Riad, aber alle waren ohne diplomatischen Status. Und selbst wenn er nach Palästina gelangt wäre, hätten die Israelis ihn dort ausfindig gemacht und getötet. Das hatte ihm der Führungsoffizier genüsslich erklärt. Israel würde niemals zulassen, dass jemand über die Aktivitäten seines Geheimdienstes in einem arabischen Land plaudern würde!
Ahmed Falouf war verzweifelt.
Sein Führungsoffizier hatte ihn mit Geräten ausgestattet, die viel besser waren als sein alter Kassettenrekorder, und die er hatte im Auto des Generals verstecken müssen. Jetzt wussten die Israelis nicht nur, was der General in sein Telefon sprach, sie konnten ebenfalls mithören, was dessen Gesprächspartner sagten! Und sie wussten über GPS, wo sich das Auto des Generals jeweils befand!
Ahmed Falouf vermutete, dass die Agenten Israels inzwischen den General direkt aus einem in der Nähe befindlichen Fahrzeug abhörten. Trotzdem musste Ahmed alle paar Tage einen unter dem Armaturenbrett befindlichen USB-Stick austauschen und für seinen Führungsoffizier in einem Hohlraum einer Lehmmauer in der Nähe seiner Behausung verstecken, wo er auch stets einen neuen USB-Stick vorfand. Nur dazu wurde er noch gebraucht!
Ahmed Falouf befand sich in einer Falle, aus der er keinen Ausweg wusste. Besonders verbitterte ihn, dass er nicht mal für seinen Verrat bezahlt wurde!
Sein Lohn bestand ausschließlich darin, dass er nicht an die Saudis verraten wurde und dass man seine alten Eltern in Palästina in Frieden ließ!
Ahmed Falouf spürte seine Angst. Angst davor, erwischt zu werden. Angst, dass ihn jemand dabei beobachtete, wie er alle paar Abende auf dem Weg von seiner Wohnung zu dem Imbiss, wo er zu essen pflegte, sich an der Lehmmauer zu schaffen machte. Sicher, es war dunkel, und er ging ja immer erst so gegen acht Uhr abends, also lange nach Sonnenuntergang, aber dennoch könnte er per Zufall gesehen werden.
Und er kannte die Neugier seiner Mitbewohner und Nachbarn. Würde er gesehen und auffallen, würde jemand an der Stelle suchen und das Speichergerät finden, so klein es auch war!
Immer, wenn er sich der Mauer näherte, sah er sich nach anderen Passanten um. Aber da es so dunkel war, konnte er niemanden entdecken. Und immer klopfte sein Herz wie ein Hammer in seiner Brust, weil er fürchtete, wenn er die Hand in das kleine Loch in der Mauer steckte, sie könnte ergriffen und festgehalten werden.
Die Kontaktaufnahme erfolgte immer auf die gleiche Weise:
Wenn auf dem Weg vom Haus des Generals zum Hauptquartier der Streitkräfte auf der Old Airport Road an einer bestimmten Stelle ein grauer Toyota geparkt war, wusste Ahmed, dass er am selben Abend im Loch in der Mauer einen neuen Stick und eventuell ein paar gekritzelte Anweisungen finden würde, die außer für ihn selbst für niemanden verständlich waren.
Er selbst hatte keine Möglichkeit der Kontaktaufnahme. Ahmed Falouf wusste jedoch, dass er beobachtet wurde. Er hatte nie herausbekommen, wer ihn beschattete. Aber er wusste, sie waren mit einem Auto in der Nähe, wenn er den General chauffierte, wahrscheinlich sogar mit mehreren Wagen, damit sie nicht auffielen. Er selbst hatte sie nicht erkennen können. Aber nur so konnten sie den General jetzt gezielt belauschen.
Und Ahmed war gesagt worden, wenn er sich auffällig verhielte, würde er kontaktiert. Was ein auffälliges Verhalten sein könnte, hatten sie ihm nicht gesagt.
Ahmed Falouf hatte wirklich keinen Grund zur Fröhlichkeit!
Und seit gestern noch weniger.
Gestern hatte er in dem Loch in der Mauer die Anweisung vorgefunden, Kontakt zu suchen zu dem Fahrer von Admiral Zaif al Sultan. Er hatte den Mann, Siddiqui, kennen gelernt, als er vor dem Haus des Marinechefs eine halbe Nacht lang hatte warten müssen und Siddiqui ihm und dem Fahrer von Admiral Al Athel Tee nach draußen gebracht hatte.
Auf dem Zettel hatte gestanden, wo er Siddiqui in dessen Freizeit finden konnte.
Und jetzt hatte er den Befehl, mit Siddiqui Freundschaft zu schließen.