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Einleitung

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Als vor etwas mehr als einhundert Jahren die kommerzielle Luftfahrt in mehreren Teilen der Welt fast zeitgleich mit dem Transport von Menschen begann, ahnte wohl niemand, dass dieser Verkehrsträger mit der Zeit einmal den gesamten Planeten in ein globales Dorf verwandeln würde. In den 1920er Jahren war Fliegen einem ganz besonderen elitären Kreis vorbehalten. Die kurzen Flüge, etwa von London über den Ärmelkanal nach Amsterdam, kosteten ein Vermögen. Noch vor 50 Jahren war ein Flug Luxus pur. Erst der Bau des berühmten „Jumbos“, der Boeing 747, Ende der 1960er Jahre führte allmählich zu Überkapazitäten und in der Folge zu niedrigeren Flugpreisen. 1970 lag auf der Strecke Frankfurt/M. – New York – Frankfurt/M. der Sondertarif bei 1318 DM. 1980 sank er auf 989 DM{1}. Auf diesem Niveau bewegt sich der Flugpreis bis heute und liegt damit inflationsbereinigt noch wesentlich niedriger als vor 40 Jahren. Wir haben uns an dieses Preisniveau gewöhnt und finden es teilweise ganz normal, für die Taxifahrt zum Flughafen mehr zu bezahlen, als für einen Kurzstreckenflug. Fliegen ist zu einem Massengut geworden, und nicht wenige Menschen sind der Ansicht, dass es praktisch ein Recht auf Fliegen gibt, wenn Forderungen aufkommen, Flugtickets zu verteuern.

Dass Fliegen die Umwelt negativ beeinflusst, ist der Luftverkehrsbranche bereits seit Jahrzehnten bekannt. Spätestens als 2004 im Rahmen der 35. Vollversammlung der internationalen Zivilluftfahrtorganisation

ICAO Umweltschutzziele gesteckt wurden, war allen bewusst, dass sich die Branche verändern muss. Damals wurde vereinbart, dass die Zahl der Menschen, die Fluglärm ausgesetzt sind, der Ausstoß von Stoffen, die die Luftqualität negativ beeinflussen und der Einfluss des Luftverkehrs auf den Treibhauseffekt und das globale Klima reduziert und begrenzt werden müssen.

Dass die Branche bereits seit Jahren generell bestrebt ist, diese Ziele zu erreichen, und dass einzelne Unternehmen darüber hinaus Pionierarbeit leisten, wurde in den letzten Jahren insbesondere von den Airlines schlichtweg nicht oder zu wenig kommuniziert. Stattdessen haben sich Fluggesellschaften entweder einen sehr harten Marketing-Wettbewerb über den Preis geliefert, oder sie wollten mit eleganten bis luxuriösen Produkten die Kunden an sich binden. Dass viele Unternehmen in der Luftverkehrsbranche bereits seit Jahren und Jahrzehnten die Wissenschaft dabei unterstützen, effizientere, spritsparende Flugzeugmodelle zu entwerfen und Alternativen zu fossilen Brennstoffen zu entwickeln, kam als Thema in der Unternehmenskommunikation kaum vor.

Das Jahr 2019 brachte schließlich die Wende. Plötzlich gab es freitags Klimastreiks nicht nur junger Menschen, und in Schweden kam der Begriff „Flugscham“ auf. Brüsteten sich in den Jahren zuvor viele User in den sozialen Netzwerken damit, dank niedrigster Flugpreise, ein Jet-Set-Leben führen zu können, kamen nun bei vielen Menschen Zweifel auf, ob es im Jahr 2019 noch opportun ist, ein Flugzeug zu betreten. Beim Thema Klimaschutz ist das Flugzeug ein greifbarer „Sündenbock“, macht es doch immer noch sehr viel Lärm und stößt Schadstoffe aus, die die Umwelt belasten. Dass es sich beim Kohlendioxid um etwa drei Prozent des weltweiten Ausstoßes handelt, ist den wenigsten bewusst. Aus welchen Teilen sich die restlichen 97 Prozent zusammensetzen, wissen wahrscheinlich noch weniger Menschen. Gerade der Teil, der dem Internet und den Streaming-Diensten hinzuzurechnen ist – durch den Energieverbrauch mehr als vier Prozent – wird oft in der Debatte vergessen. Dabei möchte ich keinen Verursacher gegen den anderen ausspielen, zumal der wirkliche Einfluss des Luftverkehrs auf das Klima noch immer nicht komplett erforscht ist. Allerdings entsteht aktuell der Eindruck, dass die Airline-Branche der Schlüssel zur Lösung der Klimaproblematik sei: Würde von heute auf morgen der gesamte Flugverkehr zum Erliegen kommen, werden immer noch 97 Prozent des bisher ausgestoßenen Kohlendioxids emittiert – sprich diese rigorose Maßnahme hätte keine wirklichen Auswirkungen auf die Entwicklung des weltweiten Klimas.

Allerdings ist auch das Gegenteil, also ein simples „Weiter-so“, keine Lösung. Der Begriff „Klimahysterie“ wurde meiner Meinung nach zurecht zum „Unwort des Jahres“ 2019 gewählt{2}. In diesem Buch geht es weniger um Strategien, die es wert sind, von der Politik oder von Branchenverbänden verfolgt zu werden, um die global vereinbarten Klimaziele zu erreichen. Vielmehr dreht sich in diesem Buch alles um Aspekte, auf die Sie einen konkreten Einfluss haben, um letztlich zu entscheiden, ob und wie Sie mit Bedacht fliegen können. Es geht auch nicht darum, einzelne Fluggesellschaften gegeneinander auszuspielen. Das Thema Klimaschutz ist erstens für die gesamte Branche genauso wichtig wie das Thema Flugsicherheit. Zweitens bringt es nichts, wenn es eine „grüne“ Airline gibt. Dieses Thema muss gemeinsam angepackt werden. Drittens wertet jeder Mensch die in den folgenden Kapiteln dargelegten Aspekte anders. Vielleicht haben Sie sogar eine Lieblingsairline, die Sie mit Hilfe der Aspekte, die ich in den folgenden Kapiteln anreiße, abklopfen möchten. Ferner unterliegt die Airline-Branche einem stetigen Wandel. Würde ich eine Fluggesellschaft als konkretes Beispiel heranziehen, hat dies gegebenenfalls zum Zeitpunkt meiner Recherche seine Berechtigung. Ein paar Wochen später ziehen im besten Fall Mitbewerber nach und das Beispiel ist zum Branchen-Standard geworden. Daher möchte ich mit diesem Buch tatsächlich eher ein Hilfsmittel anbieten, mit dem Sie prüfen können, ob und wie Sie weiterhin fliegen möchten. Lediglich unter Aspekt 12 – Die Kompensation des Flugs und unter Aspekt 13 – Der Treibstoff arbeite ich mit konkreten Beispielen, zu denen ich auch Zahlen von Airlines zurate gezogen habe. Um Sie mit Tipps noch ein wenig besser unterstützen zu können, habe ich dort, wo es möglich ist, entsprechende Webseiten angegeben, die sich mit dem jeweiligen Aspekt objektiv auseinandersetzen und Ihnen womöglich für ihre persönliche Recherche dienen können.

Ein weiteres Schlagwort, das oft im selben Atemzug mit dem Klimawandel genutzt wird, ist die Nachhaltigkeit. Diese schließt die eben angerissenen ökologischen Aspekte ein. Doch Nachhaltigkeit geht noch einen Schritt weiter. Es geht auch um Wirtschaftlichkeit und um die sozialen Aspekte. Hier schließt sich der Kreis zu der Statistik der Flugpreise. Die Frage lautet schlicht, zu welchem Preis wir uns in den Flieger setzen, und wer letztlich den wahren Preis einer Flugreise zu zahlen hat, sprich die Steuerzahler*innen, die Umwelt, die Mitarbeiter*innen oder doch alleine die Passagiere?

Auf den kommenden Seiten geht es folglich auch um die soziale Nachhaltigkeit im Luftverkehr, ehe ich mich in der Nachbetrachtung den sozio-ökonomischen Aspekten des Fliegens widme – die aktuell in vielen Diskussionen rund um das Thema Fliegen keine Berücksichtigung mehr finden. Über Feedback zu meinem Buch, insbesondere über Kritik zu meinen Ausführungen der folgenden Aspekte, freue ich mich. Im Impressum finden Sie entsprechende Kontaktmöglichkeiten.

Mainz, im Januar 2020

Christoph Kessel

Mit Bedacht fliegen

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