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4. Kleines Intermezzo: Alte Menschen in der Bibel

Wussten Sie schon? Die Bibel wird wesentlich durch „alte Menschen“ geprägt, die wir jedoch kaum als alt empfinden, weil sie sich nicht unbedingt alterstypisch verhalten. Sie sind weder in den Kräften begrenzt noch geistig verwirrt oder in der Lebensenergie gemindert. Im Gegenteil: Die uns vorgestellten älteren Männer und Frauen verhalten sich meist verantwortungsbewusst und zukunftsorientiert.

… im Alten Testament

Das beginnt bereits im Alten Testament:

•Noah baut im hohen Alter auf dem trockenen Land die rettende Arche (1. Mose 6,5ff).

•Abraham bricht mit seiner Frau Sara aus vertrauten Verhältnissen in eine ungesicherte Zukunft auf (1. Mose 12, 1-3).

•Mose führt bis ins ruhestandsfähige Alter hinein das Volk Israel aus der Sklaverei in Ägypten in die Freiheit (2. Mose) und stirbt mitten in den Sielen im Alter von 120 Jahren (5. Mose 34).

•Sein Nachfolger Josua stirbt mit 110 Jahren, nachdem er das Volk in die von Gott zugesagte Heimat gebracht hat (Josua 24,29).

Die Reihe lässt sich beliebig fortsetzen. Wir haben es mit Personen zu tun, die auch in ihren späteren Lebensjahren von Gott für bestimmte Aufgaben gebraucht werden und die sich dieser Verantwortung auch stellen.

Im Alten Testament wird ein langes Leben als besonderer Segen Gottes betrachtet. „Alt und lebenssatt“ sterben zu können, gilt als hohes Gut (1. Mose 25,8). „Du wirst im Alter zu Grabe kommen wie Garben eingebracht werden zur rechten Zeit“ (Hiob 5,26).

Eine Lebenszeit von siebzig bis achtzig Jahren wird als beachtlich empfunden (Psalm 90,10). Dagegen wird ein früher, vorzeitiger Tod als schlimmes Ende betrachtet (Jeremia 17,11), das man allenfalls seinen Feinden wünscht (Psalm 58,9). So ist der König Hiskia bestürzt, als ihm mitgeteilt wird, er müsse im besten Alter sterben (Jesaja 38). Auf sein dringendes Gebet hin werden ihm noch fünfzehn Lebensjahre zugegeben.

Noch im Mittelalter galt ein plötzlicher Tod als Zugriff des Teufels. Denn wer unversehens starb, konnte nicht mehr die Gnadenmittel der Kirche in Anspruch nehmen. Auch war ihm das Abschiednehmen von seinen Angehörigen verwehrt. Der schnelle Tod schien anzuzeigen, dass der Teufel seine Beute geholt hatte. Aus diesem Grund wurde säuberlich dokumentiert, wie ruhig und sanft Martin Luther im Jahr 1543 in Eisleben verstorben war. Seine Gegner zeigten sich vorher nämlich sicher: Den holt eines Tages der Teufel.

„Das Alter hat seine auf die Lust am Leben drückenden Beschwerden, Altersbeschwerden“, stellte Eberhard Jüngel fest.10 Auch in der Bibel bleibt die Mühsal nicht ausgeklammert, die sich im Alter einzustellen pflegt. Im Buch des Predigers wird sie andeutend geschildert: Arme und Beine erlahmen, das Hören wie auch das Sehen lassen spürbar nach, Zähne fallen aus (Prediger 12,1ff; siehe auch Psalm 71). „Von einer Romantisierung des Alters ist das Alte Testament also weit entfernt, allerdings auch von Altersjammer.“11

Die Kraft, die manchmal beschwerlichen Jahre des Alters durchzustehen, erwächst aus der vertrauensvollen Verbindung zu Gott, der verspricht: „Auch bis in euer Alter bin ich derselbe, und ich will euch tragen, bis ihr grau werdet. Ich habe es getan; ich will heben und tragen und erretten“ (Jesaja 46,4).

Der alte Mensch sieht seine Verantwortung für die nachfolgenden Generationen und betrachtet sich für die Jüngeren als „Zeichen“ (Psalm 71,7) dafür, wie wunderbar Gott handeln kann. Ihn und seine „Wohltaten“ gilt es bis zuletzt zu rühmen (Psalm 71,15).

Alten Menschen gebührt besonderer Respekt angesichts ihrer Lebensleistung und ihrer Gotteserfahrung: „Vor einem grauen Haupte sollst du aufstehen und die Alten ehren“ (3. Mose 19,32).

Die größere Lebenserfahrung der Älteren geht allerdings nicht zwangsläufig mit Weisheit und Tugend einher. Oft haben jüngere Menschen unter den Alten zu leiden: Die Sklavin Hagar hat die Schikane der alten und vorerst kinderlosen Sara auszustehen (1. Mose 16,6). Jakob wird von Laban ausgenutzt und um sieben Jahre seines Lebensglücks geprellt (1. Mose 29).

Andersherum geht es aber auch, wie wir aus dem Aufstand von Absalom gegen seinen Vater David ersehen (2. Samuel 15–18).

Das Miteinander der Generationen im Gottesvolk ist somit keineswegs ein Stück heiler Welt. Sowohl Gottvertrauen als auch sündiges Verhalten sind eng miteinander verflochten.

… im Neuen Testament

Im Neuen Testament stoßen wir zunächst auf den alten Priester Zacharias und seine Frau Elisabeth, die unerwartet mit einem Kind beschenkt werden: Johannes dem Täufer, der zum Wegbereiter von Jesus wird (Lukas 1,13ff). Daneben werden uns mit Simeon und Hanna zwei hochbetagte Menschen gezeigt, die auch im Ruhestand erfüllt und zuversichtlich leben (Lukas 2,25ff). Sie sind selig, als sie im Tempel den neugeborenen Jesus erblicken und in den Armen halten.

Paulus bezeichnet sich in Philemon 9 als „alten Mann“. Damit sieht er jedoch keineswegs seine Belastungs- und Zurechnungsfähigkeit gemindert. Eher geht es ihm darum, bei Philemon aufgrund seiner größeren Lebenserfahrung besseres Gehör zu finden.

Von den älteren Gemeindegliedern erwartet Paulus, dass sie sich so verhalten, wie es ihrem Alter und Glaubensstand entspricht (Titus 2,2f; 1. Timotheus 5,1ff). Ältere sollen den Jüngeren als Vorbilder dienen. Was ist damit gemeint?

Es gibt in der Bibel eine Art von stillschweigendem Generationenvertrag. Die wesentliche Aufgabe der älteren Generation besteht darin, den göttlichen Segen weiterzugeben, den sie selbst empfangen hat, und die Jüngeren mit dem Glaubensgut bekannt zu machen und in die Traditionen des Gottesvolks einzuweisen. In der Weitergabe der biblischen Botschaft und im vorbildlichen Lebenswandel (1. Petrus 5,3) liegt die primäre Aufgabe der Älteren in der Gemeinde. Ihr Lebenszeugnis soll die Jüngeren ermutigen, sich ebenfalls auf Gott einzulassen und auf seinen Wegen zu gehen (Psalm 71,14f).

Die einzelnen Generationen sind miteinander verzahnt, aufeinander angewiesen und – altersspezifisch nach den jeweiligen Möglichkeiten differenziert – füreinander verantwortlich. Eine abschätzige Haltung: „Was geht mich die andere Generation an?!“, ist für die Bibel undenkbar. Wenn Paulus mahnt, dass „ein jeder“ nicht nur „auf das Seine“ sehen solle, „sondern auch auf das, was dem andern dient“ (Philipper 2,4), dann gilt das nicht nur individualethisch, sondern auch für das Miteinander der verschiedenen Altersgruppen.

Glaubende ältere Menschen sind Zeugen des lebendigen, wirksamen Gottes. Sie haben Aufgaben und stehen mitten in der Gemeinde. Es gibt deshalb im Reich Gottes kein „altes Eisen“ und kein „fünftes Rad am Wagen“, das nutzlos und deshalb entbehrlich wäre. Ältere gehören vollwertig dazu. „Älterwerden ist für den glaubenden Menschen auch verbunden mit der Erfahrung von ‚Jungsein‘, Blühen, Fruchtbringen, Neuwerden (Psalm 92)“12 – eine wichtige Perspektive angesichts des vorgerückten Alters und der eigenen Endlichkeit.

In der Bibel sind die einzelnen Generationen gleichwertig miteinander verbunden. Alle sollen pfleglich, wertschätzend und auf Augenhöhe miteinander umgehen. Wenn Paulus die Gemeinde ermahnt: „Einer komme dem anderen in Ehrerbietung zuvor“ (Römer 12,10), dann bezieht er das auch auf das Miteinander der Generationen. „Ermahnt einander in aller Weisheit“ (Kolosser 3,16). Paulus geht es darum, dass Erfahrungen von gelungenem Leben an andere weitergegeben werden.

Die zahlreichen biblischen Verheißungen werden altersunabhängig zugesprochen. Auch die „Charismata“, die Gnadengaben und die entsprechenden Vollmachten, sind nicht auf bestimmte Altersgruppen beschränkt. „Die Bibel heroisiert und glorifiziert weder die Alten noch die Jungen … Licht und Schatten sind über alle Lebensalter verteilt.“13

Das „Altern entpflichtet nicht von den Lebens(haus)-aufgaben:

•Zeugnis ablegen, prophetischer Auftrag (Lukas 2,22-40);

•Hilfe geben, diakonischer Auftrag (1. Timotheus 5,3);

•Zukunft eröffnen, Auftrag der Fürbitte (5. Mose 32,49-52);

•glaubendes Loslassen vorleben, pädagogischer Auftrag (Lukas 2,29)“14.

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