Читать книгу Wer gerne lacht, bleibt länger jung - Christoph Morgner - Страница 6
ОглавлениеSeit Langem besucht der Pfarrer einen Mann, der zur Schwermut neigt. Gerne möchte er ihn ein wenig ermuntern und aufheitern. Doch das ist leichter gesagt als getan. Ermunternde Worte, Bibelverse und Gesangbuchlieder wollen nicht recht greifen. Eines Tages kommt der Pfarrer auf eine Idee. Er nimmt dem Mann ein Buch mit Bildergeschichten des humoristischen Schriftstellers Wilhelm Busch mit. »Die werden sicherlich sein Gemüt aufheitern!«
Nach einiger Zeit kommt der Pfarrer wieder bei dem Mann vorbei. »Na, hat Ihnen das Buch gefallen?« – »O ja«, antwortet der Mann, »aber wenn ich nicht gewusst hätte, Herr Pfarrer, dass von Ihnen das Wort Gottes kommt, hätte ich an manchen Stellen laut lachen müssen!«
So ist das also: Wenn es um die Bibel geht, gibt es nichts zu lachen. Da ist Schluss mit lustig. Und das aus scheinbar triftigem Grund: Ist die Bibel nicht ein ethisches Regelwerk, gespickt mit Verhaltensvorschriften für Gutmenschen? Wer danach greift, stößt allerorten auf Pflichten. Wohin man schaut, kann man viel verkehrt machen. Hier gleicht das christliche Leben einem Slalomparcours: »Ja nicht anecken! Ja nichts auslassen! Nur keinen Fehler machen!« Wer den frommen Slalom am besten bewältigt, kann sich als guter Christ fühlen.
Wenn wir heute mit Menschen zu tun haben, die dem Glauben eher ablehnend gegenüberstehen, ist deren Bild vom Christsein weithin auf diese moralische Weise eingefärbt: »Der Christ ist ein anständiger Mensch.« Mit Lebensfreude und Glück hat das Christenleben nichts zu tun. Deshalb haben diese Menschen für sich beschlossen: »Christsein, nein danke.«
Diese Haltung bleibt nicht auf solche Zeitgenossen beschränkt, die vom Glauben wenig halten. Auch mitten in der christlichen Gemeinde versteht sich Freuen nicht von selbst. Fröhliches Lachen ist mancherorts Mangelware. Da geht es eher nach dem Motto zu: »Christen müssen artig sein, keine Party, keinen Wein; das Bein, das sich zum Tanze regt, wird im Himmel abgesägt.« Hier liegt christlicher Glaube – oder das, was man dafür hält – wie ein Grauschleier auf dem Leben. Er verdunkelt alles. Glauben wird zum Krampf. Doch das ist jammerschade. Denn hier betrügen wir uns um den Glanz des Christseins, gehört doch »Freude« zu den leuchtenden Worten in der Bibel. Glauben und Freuen gehören zusammen. Eines kann nicht ohne das andere sein.
Leider hat sich das auch bis zur großen Theologie und ihren dickleibigen Büchern kaum herumgesprochen. Hier kommt »Freude« nur als Randthema vor. Man muss es mit der Lupe suchen. Ansonsten geht es vorwiegend ernst und problembeladen zu. Glauben – eine gedankenschwere Angelegenheit. Wen wundert es, dass viele Christen Glauben und Freuen nicht unter einen Hut bekommen!
Auch viele christliche Veranstaltungen leiden an mangelnder Freude. Der Leipziger Thomaskantor Georg Christoph Biller (*1955) stellt bündig fest: »Unsere evangelischen Gottesdienste sind von Ernst und Traurigkeit gekennzeichnet.« Recht hat er! Wo Paul Gerhardt (1607–1676) einst noch jubelte: »Mein Herze geht in Sprüngen und kann nicht traurig sein«, hat man heute offensichtlich ein Kontrastprogramm aufgelegt. Von Jubel und Freude ist kaum eine Spur. Probleme dominieren. An denen fehlt es bekanntlich nicht: von der Arbeitslosigkeit bis zu Einsätzen der Bundeswehr, von der zunehmenden Erderwärmung bis zum Hunger in einigen Ländern Afrikas, von aktuellen wirtschaftlichen und politischen Krisen ganz zu schweigen. Da geht der Stoff niemals aus. Das alles kann aktuell und lebendig, wenn auch eher grau in grau, entfaltet werden, meinen doch viele Predigerinnen und Prediger, ihren Beitrag beisteuern zu müssen. Doch das wird in den Gemeinden zunehmend als entbehrlich empfunden, weil es kaum über das hinausgeht, was man sich selber denken kann und was in den Medien geboten wird. Eine solche Kirche wird belanglos.
Woher soll hier die Freude kommen? Gehen hinterher die, die am Gottesdienst teilgenommen haben, ein wenig fröhlicher und getroster nach Hause, als sie gekommen sind? Hat sich ein wenig von der Freude und Gelassenheit des Glaubens in ihrer Seele abgelagert? Wenn nicht, dann waren sie wohl im falschen Film.
Wo eine herbe, ernste Frömmigkeit umgeht, leidet die missionarische Ausstrahlung einer Gemeinde. Salopp gesprochen: »Da kommt nichts rüber.« Hier nützt es kaum, dass empfohlen wird, in die Predigt doch mindestens einen Witz einzubauen, um die Gottesdienstteilnehmer zu erheitern. Wenn nicht die gesamte Atmosphäre des Gottesdienstes und die Tonart der Verkündigung von Freude durchzogen sind, bringen lustige Geschichten wenig. Sie wirken wie aufgesetzte Fremdkörper.
Wenn die Grundlage der Freude fehlt, hat es kaum einen Sinn, gelegentlich für ein bisschen Spaß und Lustigkeit zu sorgen. Damit ist keinem auf Dauer geholfen. Aber es ist aller Mühe wert, dafür zu sorgen, dass Menschen, die unseren christlichen Weg kreuzen, etwas von der Freude des Glaubens spüren. Dann werden sie womöglich ein wenig getroster, entspannter und fröhlicher ihren Weg ziehen. Dann hätte die christliche Gemeinde ein wichtiges Ziel erreicht.
Doch woher kommt die Freude? Was entzündet sie? Wie kann sie in der christlichen Gemeinde Menschen erfassen?