Читать книгу Bis zur totalen Erschöpfung - Christoph Polder - Страница 13
ОглавлениеEs folgten drei weitere, sodass ich doch neugierig geworden war, wer mir so spät noch schrieb. Ich zeigte Andi mein Smartphone, worauf er sagte, dass die Alte nicht ganz dicht sei. Auch ich konnte nur den Kopf schütteln. Als ich auch diese Nachrichten nicht beantwortete, klingelte tatsächlich mein Handy – es war meine Freundin. Als ich nicht ranging, brüllte sie wie eine Wahnsinnige aus dem Schlafzimmer, dass ich ‚Arschloch‘ drangehen solle, ansonsten könnte ich was erleben! Bis zum Ende des Spiels, und das ging lang, da wir das Glück einer Verlängerung inklusive Elfmeterschießen hatten, terrorisierte sie uns mit Anrufen, Nachrichten und Gebrülle aus dem Schlafzimmer.
Es war das letzte Mal, dass Andi zu uns zu Besuch kam. Ehrlich gesagt, war es das letzte Mal, dass überhaupt einer von meinen Freunden oder meiner Familie zu Besuch bei uns war.
Das Telefonieren mit meinen Verwandten und Freunden wurde auch immer anstrengender und peinlicher, weil sie jedes Gespräch boykottierte, sodass ich schon gar nicht mehr ranging, wenn jemand anrief.
Es war eine schreckliche Beziehung, die mich eine Menge Nerven kostete und während der ich am liebsten die ganze Nacht im Büro verbracht hätte, anstatt in die Drachenhöhle zurückzufahren.
Es war ein Dienstagabend, als ich total übermüdet nach Hause kam und mich auf ein heißes Bad und meine Couch freute. Als ich jedoch in meine Wohnung kam, traute ich meinen Augen kaum.
Die Bude und der Keller waren komplett leergeräumt. Alle Schränke, alle Teppiche, die Waschmaschine, alle Gegenstände, selbst die Einbauküche des Vermieters – einfach alles war weg. Selbst meinen geliebten Hund hatte sie mitgenommen.
Wie in Trance schloss ich die Tür und ging in die Kneipe nebenan, um Fußball zu schauen und ein paar Biere zu trinken. Ich konnte einfach nicht fassen was gerade geschehen war und brauchte eine Weile, um mich zu sammeln.
Was mach ich denn nun? Und worauf schlaf ich denn jetzt?
Im Kofferraum waren noch meine Wandersachen von der letzten Tour, also schlief ich ein paar Nächte auf meiner Isomatte. Gekocht habe ich Dosenfutter auf meinem kleinen Gaskocher und gespeist habe ich in meinem Anzug im Schneidersitz auf dem Boden meiner leergeräumten Wohnung.
Es dauerte eine Weile, bis ich mich langsam wieder fing, kalkulierte kurz, was mich der Sachschaden kosten sollte und tröstete mich mit dem Gedanken an mein überdurchschnittliches Gehalt und der Vorstellung, dass ich mir einfach alles neu kaufen würde.
Ich fuhr zu einem nahgelegenen Möbelhändler und packte mehrere Einkaufswägen voll mit allem möglichen Zeug, was man braucht und auch nicht braucht. Suchte mir neue Schränke, ein Bett und eine Couch aus und beauftragte die Lieferung zu mir nach Hause.
Nachdem ich an der Kasse einen fünfstelligen Betrag zu zahlen hatte, verzog ich keine Miene. Als die Verkäuferin verdutzt fragte, ob ich mir sicher wäre, dass die Summe korrekt sei, antwortet ich ihr machohaft: „Ja, das wird schon so stimmen.“
Das Lesegerät zeigte allerdings eine Fehlermeldung an und ich sollte mich einen kurzen Augenblick gedulden.
Nach einigen unangenehmen Minuten standen zwei Sicherheitsleute hinter mir, die mich in das Büro des Filialleiters geleiteten. Dort warteten wir nur sieben Minuten bis die Polizei eintraf. Warum kommt die Polizei, wenn ich sie brauche eigentlich erst nachdem es zu spät ist und wegen mir stehen sie Herrschaften schon nach ein paar Augenblicken da?
Die beiden Beamten zeigten mir ihre Ausweise, die ich so noch nicht gesehen hatte. Ich betrachtete das Zeichen auf der Marke des kleineren Beamten etwas näher. Dort war ein Globus abgebildet in dem ein Schwert steckte, die Waage der Justitia und in kleinen Buchstaben stand dort „Interpol“ geschrieben.
Mein Herz schlug schneller, meine Beine fingen an zu zucken und ich hatte einen Kloß im Hals, wie ich es noch nicht erlebt hatte.
„Kennen Sie diese Frau, Herr Polder?“
Ich blickte auf das Foto, das mir der Beamte vor die Nase hielt.
„Ja leider.“
„Wissen Sie, was diese Frau beruflich macht?“
„Ja nichts, außer sich durchzuschnorren.“
„Das, Herr Polder, ist so nicht ganz richtig.“
Nach endlosem Verhör und einer Nacht auf dem Revier stellte sich schließlich heraus, dass mein ‚kubanischer Drache‘ sehr wohl gearbeitet hat. Nur war das alles andere als legal. Und ihre krummen Geschäfte wickelte sie allesamt über meine Kreditkarte ab. Vielleicht hätte ich ab und an mal mein Konto checken sollen.
Meine Kreditkarte zu sperren half mir nichts mehr, denn das Dispo war bis zum letzten Cent ausgereizt und mein Girokonto leer.
Hatte ich doch vor ein paar Wochen noch ein zumindest scheinbar perfektes Leben, hatte ich jetzt – gar nichts mehr.
Von meinem Golden Retriever und meiner Freundin, die sich als schwerkriminelle Drogendealerin in der Oberliga entpuppte, fehlen bis heute sämtliche Spuren.