Читать книгу Bis zur totalen Erschöpfung - Christoph Polder - Страница 9

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… nein, es war sogar so gut, dass ich behaupten möchte, dass es bis dahin der schönste Abschnitt meines Lebens war.

Ich arbeitete in einer neu eröffneten Niederlassung eines riesigen Konzerns in München, als Abteilungsleiter in der Führungsebene und war mit meinen 32 Jahren im besten Alter für das Berufsleben. Das Büro war groß und modern eingerichtet, meine zwei Sekretärinnen waren sehr nett und mein betagter Chef schätzte mich für meine fachliche Kompetenz, Erfahrung und meine Art, die mir anvertrauten Projekte erfolgreich zu leiten. Ich hatte alles so gut im Griff, dass ich nicht mehr als 42 Stunden pro Woche arbeiten musste, um die Masse an Aufgaben bewältigen zu können. Die Zeiten, in denen ich kräftezehrende Überstunden zu leisten hatte, waren vorbei. Mein Beruf war sehr abwechslungsreich. Somit saß ich nicht die ganze Woche im Büro, sondern fuhr auch zu Auswärtstätigkeiten in die unterschiedlichsten Städte und hatte regelmäßige interessante Fortbildungen.

Lob und Anerkennung bekam ich in der Firma fast täglich, was mich, selbst montagmorgens, stolz und zufrieden in die Arbeit fahren ließ. Ja, und stolz konnte ich wirklich auf mich sein, denn ich hatte es geschafft, mich vom Hauptschüler ohne Abschluss bis zu einem erfolgreichen Ingenieur hochzuarbeiten.

Mein Gehalt, das zweimal im Jahr deutlich erhöht wurde, zauberte mir zu jedem Monatsbeginn ein Lächeln ins Gesicht, denn es überstieg meinen damaligen Handwerkerlohn um ein Vielfaches und gestattete es mir unter anderem, jeden Mittag in Restaurants zu speisen, statt Wurstsalat und Brezeln auf einer staubigen Baustelle zu essen.

Zudem durfte ich mir jedes Jahr ein neues Geschäftsauto mit Rückfahrkamera, Automatikgetriebe, Allrad, Spurenassistent und sämtlichem Schnickschnack, den man nicht unbedingt braucht, bestellen. Das Auto war ein Rundum-sorglos-Paket, da ich weder die Versicherung, noch den Service oder Reparaturen und schon gar nicht den Sprit zu bezahlen hatte.

Regelmäßig für zwei Wochen in den Urlaub fliegen und die Zeit genießen, war für mich Standard geworden.

Als Abwechslung zu meinem Managerjob verkaufte ich, wie ich es als Student schon tat, weiterhin Holunderblütenlikör auf Mittelaltermärkten. Das Tragen einer Gewandung inkl. Trinkhorn, Geldsäckchen aus Leder und das Übernachten auf Schaffellen in Zelten ohne Laptop und Handy war für mich wie eine Zeitreise und half mir beim Abschalten.

Durch Prozessoptimierung und geregelte Arbeitszeiten brachte ich meine beiden Jobs locker unter einen Hut und fand, nach ein paar Gesprächen mit meinem Chef, noch genügend Zeit, meinen Master in Projektmanagement zu beginnen. Die Hochschule für angewandte Wissenschaften lag praktisch auf dem Weg von der Arbeit nach Hause, was ein großer Vorteil war. Denn im Vergleich zu mir kamen die anderen Studierenden unter anderem aus Städten wie Hamburg und Nürnberg bis nach Bayern gefahren.

Ich hatte meine Berufung gefunden und, zeitlich sowie finanziell, alles im Griff.

Einen gesunden Lebensstil zu pflegen, machte ich zu meinem Hobby, wozu, neben gesunder Ernährung und rauchfreiem Leben, auch regelmäßige Besuche im Fitnessstudio zählten, welches ich natürlich ebenfalls wohnungsnah auswählte, um nicht unnötig Zeit auf der Strecke zu verschwenden. Seit Jahren war ich nicht mehr erkältet, sondern kerngesund, durchtrainiert und lebensfroh wie nie. Meine Hobbys, Freunde und Familie teilte ich mit meiner Freundin. Sie war eine kleine zierliche und warmherzige Frau mit einer Ausstrahlung, die jeden auf Anhieb überwältigte.

Es war herrlich. Ich war glücklich. Ich war zufrieden mit mir und meinem Leben, mit dem, was ich beruflich erreicht und privat geschaffen hatte. Ich hatte mir mein eigenes Traumleben erschaffen und fühlte mich, als wäre ich endlich angekommen. Alle Anstrengungen der letzten Jahrzehnte, alle Hürden, die ich genommen hatte, trugen endlich Früchte. Durch die Prozessoptimierung, was ohnehin meine Lieblingstätigkeit geworden war, hatte ich trotz der vielen Termine, sowohl beruflich als auch privat, ein geregeltes Leben, was komplett nach dem Terminkalender funktionierte.

Jedes erfolgreich abgeschlossene Projekt im Konzern, jeder geknackte Umsatzrekord beim Verkauf von Holunderblütenlikör und jede bestandene Prüfung im Masterstudiengang beflügelten mich noch mehr.

Die Erfolge ließen mich von noch mehr träumen von dem, was ich noch alles erreichen könnte und welche Unsummen an Geld und Glück noch in mein Leben fließen könnten.

Es war alles gut.

Alles war so, wie ich es mir gewünscht hatte und in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können.

Mein Akku war voll – es war alles optimal …

Bis zur totalen Erschöpfung

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