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Wissen Sie, was »Slack« ist? Es ist kein Band, gespannt von Baum zu Baum, um darauf zu balancieren. Sondern einer von vielen Instant-Massaging-Diensten. Auf sieben dieser Kommunikationsplattformen würde er sich austauschen, stöhnte unlängst ein befreundeter Manager: »Slack, Threema, Teamchat, WhatsApp … – du weißt oft gar nicht mehr, wo du als Erstes hinsehen sollst, und wunderst dich, wenn andere sagen: ›Du hast mir gar nicht geantwortet.‹« Und die vielen Kommunikationskanäle sind nur die Spitze des Eisbergs unseres modernen Lebens: Nicht nur hier gilt es, den Überblick zu behalten, sondern überhaupt in diesem vieldimensionalen technologischen Wandel, den wir gerade erleben.

Sich täglich auf Neues einzustellen ist zu unserem Alltag geworden, dazu gibt es eine Unmenge an Informationen, Aufgaben, To-Dos und Entscheidungen zu bewältigen. Das verwirrt und überfordert viele von uns. Nicht nur, weil wir unentwegt Erregungen und Emotionen ausgesetzt sind, sondern auch, weil wir diese nicht mehr verarbeiten und in Beziehung setzen können: »Wir leben im Zeitalter der Gleichzeitigkeit«, und dieses findet auf vielen Ebenen, in allen Lebensbereichen, Zeitzonen und permanent statt. Die Welt scheint sich schneller zu drehen und wir uns mit ihr. Kein Wunder also, dass so manchem schwindelig wird.

Die Anforderungen der modernen Zeit überrennen unsere ureigenen menschlichen Bedürfnisse, die schon seit Tausenden von Jahren Gültigkeit haben. Wir sind noch immer Steinzeitwesen und brauchen Klarheit, Übersichtlichkeit, Sicherheit und Nähe. Die Corona-Pandemie und besonders der Lockdown torpedierten diese Bedürfnisse noch einmal mehr und zwangen uns, noch schneller zur Transformation: vom Homeoffice aus zugeschaltet zu Telefonkonferenzen, Meetings und Kongressen. Selbst der Unterricht in Schulen lief über Videoplattformen ab, und in unserer Freizeit wichen echte Begegnungen virtuellen Zusammenkünften: Wir teilten ein Tele-Bierchen mit Kollegen oder nahmen online an Konzerten und Buchlesungen teil. Solche Umstände entfernen Menschen von sich selbst und von anderen. Gleichzeitig bangen nach wie vor viele durch die veränderten Lebens- und Arbeitsbedingungen um ihren Job. Manche sind sogar gezwungen, unmittelbar eine Lösung zu finden: umzulernen, eine neue Arbeit zu suchen, Beratung in Anspruch zu nehmen … Wie lange uns die Auswirkungen der Pandemie noch begleiten werden und in welcher Form, werden wir erst in den kommenden Jahren sehen.

Angesichts unserer aktuellen Situation spricht der Psychoanalytiker Gerhard Schneider von einer »nichthoffnungslosen Hoffnungslosigkeit«2, die es auszuhalten gelte. Und wir sollten uns darauf fokussieren, worauf wir Einfluss nehmen können – nämlich unsere innere Welt. Je schneller uns das klar wird, umso besser. Denn die Schnelligkeit der Transformation wird weiter zunehmen und uns weiter herausfordern, Halt und Stärke, sprich eine Heimat, zu finden.

Erkennen wir, wer wir sind und was wir brauchen, können wir jede herausfordernde Zeit meistern, Begeisterung und Sinn finden und Zukunft kreativ und freudvoll gestalten. Denn jede Krise ist auch eine Chance: Sie setzt uns durch die Verlorenheit, die Überforderung, den Frust und die Leere, die viele angesichts dieses gewaltigen Umschwungs empfinden, nochmals stärker unter Druck, um uns selbst zu begegnen und unser Potenzial zu entfalten.

Darum geht es in diesem Buch. Es zeigt, wie es gelingen kann, die Kräfte in uns zu entdecken, die uns Halt geben, die uns Sinn erleben lassen und uns heil und ganz machen. Sodass wir einschränkende Gewohnheiten, übernommene Glaubenssätze und verkehrte Traditionen ablegen und unsere Möglichkeiten, unsere Ziele und unser Potenzial erkennen oder – um es mit einem meiner Lehrer, dem Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse Viktor Frankl (1905–1997), zu sagen – unser Wofür!

Unser Leben wird definiert von unseren Entscheidungen. Sie formen unser Leben, und die Frage lautet ganz grundsätzlich: Wollen wir Spielball sein oder unser Leben gestalten? Folgen wir der Aufforderung unseres inneren Drängens oder unserer Sehnsucht und entscheiden wir uns entsprechend, machen wir uns zum Gestalter unseres Lebens und damit unser Leben zu unserem? Was bei diesem Prozess passiert, habe ich am eigenen Leib erfahren, und es veranlasste mich vor langer Zeit dazu, einige tief greifende und hoch emotionale Entscheidungen zu treffen. Eine davon war, nach über 20 Jahren das Klosterleben in der Benediktinerabtei Seckau aufzugeben, um ein neues Leben zu beginnen. Aus der Steiermark nach Salzburg zu ziehen, mich einer neuen beruflichen Herausforderung zu stellen und schließlich, nach einigen Jahren, auch eine Familie zu gründen.

Neben den Potenzialen und Möglichkeiten, die ich kognitiv abwog, folgte ich letztlich einer inneren Stimme, die mich anstieß und sagte: »Tu es!« Und so machte ich den Schritt auf die Brücke, die mich aus der geschützten Welt des Klosters in die Realität der Weltlichkeit führte.

Der Entscheidung ging erst ein flüchtiger Gedanke voran, dem ich zunächst keine Beachtung schenkte und der sich schnell wieder in Luft auflöste. Doch nach und nach wurde er massiver und drängender.

Ich dachte über meine Berufung nach, über die Beweggründe, warum ich 20 Jahre zuvor diesen Weg gewählt hatte, was er mich gelehrt hatte, welche schönen und tiefen Erfahrungen ich machen konnte. Als ich mich bei diesem In-Frage-Stellen meiner Entscheidung ertappte, verdrängte ich diesen Gedanken wieder. Ich holte mir Rat bei einem geistlichen Begleiter und einer Therapeutin. Doch die Unruhe, das Drängen, manchmal auch der Zweifel – sie blieben und zeigten sich mal mehr, mal weniger.

Dem schloss sich eine Zeit des Wachsens an: Ja, ich wartete darauf, ob dieser Gedanke, der zur Veränderung drängte, wiederkäme, und lauschte aufmerksam und abwartend, was sich tun würde. Als Benediktinermönch verbringt man neben der Arbeit – ich war für die Wirtschaftsleitung des Klosters und für das Internat verantwortlich – viel Zeit im Gebet, in der Meditation und in der Stille. Gerade in der Stille kehrte der Impuls nach etwas Neuem, nach einer Wende meiner Berufung, immer wieder und brachte mich in Bewegung. Er schärfte meine Aufmerksamkeit hinsichtlich all der Möglichkeiten, die sich offenbarten. Eine davon war, mich der Logotherapie zu widmen und damit auf eine neue Art für Menschen da zu sein. Sie in ihrer persönlichen Sinnsuche zu begleiten. Nach einem anfänglichen »Vielleicht könnte ich ja …« übernahm ein klarer, freundlicher Imperativ das Kommando: »Tu es! Lebe es!«

Doch woher kommt so ein Impuls? Ist es Einbildung? Ist es Angst? Ist es Neugier? Es ist die Stimme meines gesunden inneren Kerns: Manche nennen es Seele, manche Atem, manche Prana, oder Chi … Halten Sie es, wie Sie möchten, es geht nicht um den Begriff an sich. Sondern um die Kraft, den Geist, der uns antreibt in seiner Vielgesichtigkeit: als Sehnsucht, als innere Stimme, als Träger oder Trägerin unseres Potenzials. Mit der Absicht, uns zu unserem höheren Selbst zu führen – zu mehr Erfülltheit, Wohlgefühl, Halt, Stärke und Liebe.

Von diesem Potenzial handelt dieses Buch, und damit von der Fähigkeit zur Entwicklung.

Potenziale sind nicht ausgeschöpfte Möglichkeiten,

die in uns stecken – schlummernd, ruhig und meist

unbeachtet oder gar unbekannt. Sie können

wie eine Glut entfacht werden, um als lebendiges,

inneres Feuer zu leuchten.

Was mich als Theologe und später als Logotherapeut und Existenzanalytiker, zu dem ich mich ausbilden ließ, natürlich leitet und immer wieder neu inspiriert, wenn es um das große Thema »Potenzial« geht, ist die Multidimensionalität unseres Geistes. Denn es ist vor allem die Kraft des Geistes, die unsere Verbindung zu unserem ganz eigenen Potenzial herstellt. In diesem Buch möchte ich Ihnen diesen etwas anderen Zugang näherbringen, mit dem ich an meinem Institut, dem SinnZENTRUM in Salzburg, arbeite, und Sie einladen, die Entfaltung Ihres Potenzials von dieser neuen Seite aus zu betrachten.

Schaffen Sie Freiräume für Ihr Potenzial, für Ihren Sinn des Lebens, für Ihre Lebendigkeit und Ihre Begeisterungsfähigkeit! Denn nur in den Freiräumen kann sich Ihr Potenzial zeigen, kann es sich entfalten. Leben ist damit umso erfüllender, freudvoller und lebenswerter. Vorausgesetzt, Sie wagen sich immer weiter in neue Tiefen des Lebens hinein, dazu möchte ich Ihnen Mut machen. Denn hier steckt Ihre Kraft und Lebendigkeit. Schließlich sind unsere inneren Kräfte in der Lage, mentale Denkkorsette zu sprengen und verborgene Potenziale zu heben und wirksam zu machen. Damit Sie zu Ihrer Stärke vordringen und zu dem Menschen werden, der Sie wirklich sind.

Unsere verborgenen Potenziale brauchen eine Chance und dürfen nicht klein gehalten werden. Unser Geist ist unser Herausforderer, unsere Sehnsucht und gleichzeitig der Trainer unseres Potenzials, ein Mentor unseres Selbst, ein Förderer und vielleicht der einzige wahre Vertraute in unserem Leben.

In diesem Buch will ich Ihnen acht Dimensionen unseres Geistes nahebringen und mit Übungen erfahrbar machen. Sie sollen Sie unterstützen, jeden einzelnen Aspekt der geistigen Dimension zu erspüren, um Ihr Potenzial in seinen Möglichkeiten zu erfassen.

Wir sind alle sehr individuell und nehmen Wissen auf ganz unterschiedlichen Kanälen auf, daher werde ich Ihnen in diesem Buch auch ganz unterschiedliche Zugänge anbieten: Während Sie vielleicht praktische Beispiele bevorzugen, bringen bei Ihrem Nachbarn, Partner etc. lyrische Texte oder Wortbilder etwas in Gang. Aus diesem Grund variiere ich bei den acht Dimensionen der geistigen Person zwischen theoretischen, praktischen und lyrischen Beispielen, um den Kern des jeweiligen Kapitels zu treffen, abgerundet durch eine Zusammenfassung und konkrete Tipps.

Ich lade Sie ein, sich mit dieser Lektüre auf den Weg zu machen, um sich und Ihren Wünschen und Sehnsüchten näherzukommen. Und vielleicht entdecken Sie, dass da etwas in Ihnen schlummert oder schon anklopft, das raus an die Luft und die Sonne will, das genährt werden und leben möchte.

Sie werden es fühlen, denn Potenzial ist mächtig! Es bedeutet nicht, einfach nur etwas zu können oder zu erreichen, abzuhaken und weiterzumachen. Nein. Potenzial aus unserem Geist ist viel mehr – nämlich Kraft, Dynamik, Sehnsucht, Lebenswille und vor allem Liebe.

Dein Feuer erlischt nie!

Solange Du lebst,

brennt das Feuer in Dir

und solange das Feuer brennt,

lebst Du.

NACH AUGUSTINUS

Es ist Zeit, sich auf den Weg zu machen. Ich wünsche Ihnen viel Inspiration, Erkenntnis und Freude beim Lesen und Leben.

Herzlich,

Ihr Christoph Schlick

Die Glut in dir

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