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Der Maulbeerbaum und die Lahme Lene

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Im Kirchhof von St. Katharinen in Ammendorf steht ein jahrhundertealter Maulbeerbaum, der, könnte er sprechen, viel zu erzählen hätte. Zum ersten spendete er im Herbst den Kindern des Pfarrhauses, auch Ihrem Erzähler, der hier von 1949 bis 1956 entscheidende Jahre seiner Kindheit verbrachte, die süßen weißen Maulbeeren. Zum zweiten diente er durch seine beiden knorrigen Stämme als vorzüglicher Kletterbaum, von dem aus man in den Vorgarten des ehemaligen Pfarrhauses, jetzt Gemeindehaus, hineinsehen konnte.

Drittens aber ist er ein Zeugnis wirtschaftspolitischer Entscheidungen des Alten Fritz, des preußischen Königs Friedrich des Großen, der im 18. Jahrhundert verstärkt Maulbeerbäume in Preußen anpflanzen ließ, bevorzugt auf Schul- und Kirchhöfen. Sie dienten als Futtergrundlage für die Seidenraupen. Letztendlich aber scheiterte das mit zwei Millionen Talern geförderte königliche Selbstversorgungsprojekt an dem erforderlichen Arbeitsaufwand, an der Unwissenheit über die Seidenraupenzucht sowie an Klima und Krankheiten. Übrig geblieben sind vor allem in Brandenburg, aber eben auch in Ammendorf in Sachsen-Anhalt, einige der Maulbeerbäume. Es ist zu hoffen, dass der Ammendorfer Maulbeerbaum auf Grund seines Alters und seiner Geschichte unter gesetzlichen Schutz gestellt wird.

Übrigens besitzt der Maulbeerbaum neben seinen süßen Früchten noch andere Vorzüge: sein intensiv gefärbtes, sehr hartes Holz, die langfaserige Rinde für die Herstellung von Papier (Maulbeerpapier) und seine Wirksamkeit als Heilmittel in Form von Sirup, Säften und Tee aus Früchten und Blättern gegen Entzündungen der Mundschleimhaut und des Halses sowie gegen Fieber, Husten und Zahnschmerzen.

Unter dem Ammendorfer Maulbeerbaum soll die Lahme Lene begraben liegen, ein Ammendorfer Original, vor deren giftiger Zunge kein Mensch sicher war. Nachzulesen ist die Geschichte der Lahmen Lene neben vielen anderen in den Ammendorfer Sagen, erzählt von Otto Schroeter und erschienen in der Merseburger Druck- und Verlagsanstalt L. Baltz im Jahre 1924. Gesammelt und gepflegt werden Erinnerungen, Geschichten, Memorabilia und vieles andere mehr, das uns hilft, unser historisches Gedächtnis zu bewahren, vom Ammendorfer Heimatverein, der eine eigene Website hat: www.Ammendorf.de

Der Kirchturm von St. Katherinen findet seinen literarischen Niederschlag in der Erzählung „Auf dem Kirchturm“ in: Werner, Christoph. 2001. Der Bronstein-Defekt und andere Geschichten. Hildesheim: Cambria-Verlag. Vertrieb durch den Bertuch-Verlag Weimar, http://www.bertuch-verlag.com/

Überarbeitet. Zuerst erschienen im Jahre 2009 in der „Halle-Lese“ des Bertuch Verlages Weimar, einer Internet-Publikation.

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