Читать книгу Blechbrezel - Christopher L. Ries - Страница 9
Tobias wittert einen Komplott
Оглавление»Jetzt haben wir sie ein für alle Mal!«
Theatralisch warf Tobias sich in Pose. Frank verstand überhaupt nichts. Gespannt wie ein Flitzbogen stand er etwas abseits und betrachtete Tobias, der, überlegen und siegesgewiss wie ein Stabsoffizier vor der Schlacht, seinen Untergebenen den Angriffsplan darlegte. Die anderen der Bande hatten sich im Kreis um Tobias herum niedergelassen und starrten in das Lagerfeuer, dessen Schein gespenstische Schatten warf. Die anderen? Da war zunächst Helmut. Helmut war kleiner als Tobias und ebenso breit wie eine Litfaßsäule. Seinem Vater gehörte die Schlosserei in der Stadtmitte gleich neben der Schule. Helmut war der typische Mitläufer, ein Fähnchen im Wind. Man fand ihn immer dort, wo er einen Vorteil für sich sah und wo der Braten nach hier gibt‘s was umsonst roch. Torsten, der nächste im Bunde, war, wie auch Tobias, ein Junge, der jeden hasste, der nicht seinem Kulturkreis entsprang. Die beiden waren sogar um drei Ecken miteinander verwandt. Sein linkes Auge war genauso blau, wie sein rechtes braun. Ein irres Grinsen begleitete jedes seiner Worte. Er grinste überhaupt immerzu, selbst dann, wenn er nicht sprach. Wohl deshalb auch nannte Tobias ihn Crazy Horse. Sonja, das einzige Mädchen, war ein blondes Biest. Sie trug eine silberne Zahnspange. Jedes Mal wenn sie den Mund öffnete, sah es aus, als hätte sie einen ganzen Autofriedhof verschluckt. Sie war nur Franks wegen hier. Wo Frank schaltete und waltete, war auch Sonja nicht weit. Wie ein Parasit trieb sie in seinem Kielwasser und fühlte sich sauwohl dabei. Sonja war erst dreizehn, aber Frank waren ihre Brüste, (Crazy Horse nannte sie abwertend Möpse) die so groß waren wie kleine Pfirsiche, natürlich nicht entgangen. Zum Scherz hatte Frank einmal euphorisch den dummen Spruch losgelassen: Als Gott Busen verteilte, hat die sich gerade gebückt! Dies sagend, wollte er nur ausdrücken, wie sehr er auf kleine Brüste stand. Sonja war anschließend so stocksauer auf ihn, dass sie ihn einen Runzelkasper nannte, worauf ein heftiger Streit zwischen den beiden ausbrach. Aber diese Querelen hatten letztendlich etwas Gutes, denn es war genau der Tag, an dem Sonja bei Frank etwas genauer hinsah. Sie verliebte sich: Sofort, unwiderruflich und bedingungslos! Ihm das zu sagen, war jedoch ‘ne andere Sache, denn das hätte sie sich nie getraut. Eher wäre sie nackig von ihrer Wohnung durch das konservative Geldersbuch bis hin zum Rathaus marschiert.
»Alle Ausländer, wie dieser Tassilo einer ist, haben die Beulenpest. Es sind Spackos und Diebe«, schmetterte Tobias urplötzlich drauf los. »Das weiß jeder in Geldersbuch«, fuhr er fort. »Wenn wir jetzt noch beweisen könnten, dass Jennys Vater ein verdammter Hochstapler und Hafensänger ist und Jenny selbst nichts weiter als eine erbärmliche Lügnerin, dann schlagen wir verdammt noch eins, zwei Fliegen mit einer Klappe.«
Er warf Frank, der anstatt ihm zuzuhören Sonjas Möpse betrachtete, einen vernichtenden Blick zu und prophezeite dann. »Wir treiben das gesamte Rattenpack mit Schimpf und Schande aus der Stadt und schreien dabei noch Zugabe. Macht ihr mit?«
»Ja, das wäre ganz nach meinem Geschmack«, meinte Torsten, alias Crazy Horse gelassen und schielte dabei zu Sonja hinüber, die zumindest so tat, als würde sie nichts davon mitbekommen. »Doch wie hast du dir das vorgestellt?«
»Das ist einfach. Ab sofort werden wir Jennys Vater nicht mehr aus den Augen lassen. Entpuppt er sich als Normalo, haben wir gewonnen.«
»Gute Idee«, mischte sich Helmut ins Gespräch. »Jennys Alter wird nicht einmal mehr furzen können, ohne dass wir darüber Bescheid wissen.«
»Das wird ein schwieriges Unterfangen, denn ihr die Schule vergessen«, warf Sonja ein.
Aus den Augenwinkeln schielte sie zu Frank hinüber, der sich, so ertappt, unter ihrem Blick wand wie ein Fisch an der Angel. »Wie sollen wir es anstellen, Jennys Vater zu beschatten, während wir gleichzeitig die Bank drücken?«, fragte sie.
»Und du hast vergessen, wer mein Vater ist«, entgegnete Tobias angriffslustig. »Der hat nämlich auch was gegen ... «
»Stopp, stopp, stopp,... «, wandte Frank ein. Ihm schwante Übles. »Soll das heißen, dass dein Vater mit von der Partie ist? Wenn ja, dann ohne mich. Schicht im Schacht, aus die Maus, Essig, versteht ihr. Ich mach da nicht mit.«
Er stand auf und wollte gehen, doch schon war Tobias mit einem mächtigen Satz auf den Beinen. »Wenn du jetzt die Fliege machst, dann für immer!«
Frank hatte dafür nur ein müdes Lächeln übrig. »Das zieht nicht, Tobias. Mir machst du keine Angst.«
»Verstehe«, erwiderte Tobias eiskalt. »Geh. Schnell. Aber es wird ein Nachspiel haben, das schwöre ich dir.«
Er hatte den letzten Satz so laut gesagt, dass ihn alle hören konnten.
»Überlegt doch mal«, wandte er sich an die anderen. »Wenn wir einfach blaumachen und das müssen wir wohl um den Möchtegernweihnachtsmann zu überwachen, dann gibt's Probleme so dick wie meine ... «
»Sprich‘s nicht aus«, warnte ihn Sonja, die rot anlief wie ein Eimer Spaghetti Soße.
Tobias und die Jungs grinsten sich an.
»Ich schmeiß mich weg«, trällerte Tobias gekünstelt. »Zornröschen macht auf einen auf Mauerblümchen.« Er sah sie einige Sekunden lang durchdringlich an. Es war ein Blick, der Frank überhaupt nicht gefallen wollte.
»Also, was ist nun. Seid ihr dabei oder ist euch die Luft zu dick geworden?«
»Tobias hat recht«, sagte schließlich Helmut nach einigem Zögern. »Es ist besser seinen Vater mit, als gegen uns zu haben. Außerdem wissen wir, dass er Zigeuner ebenso wenig leiden kann wie wir.«
»Musst du deinen Paps erst noch fragen, oder weiß er Bescheid?«, fragte Sonja.
Tobias verlor einen Augenblick lang den Boden unter seinen Füßen. »Das wird wohl der schwierigste Teil unseres Vorhabens sein«, gestand er. »Aber ich würde es ihm schon verklickern, nur ... «, er suchte nach den richtigen Worten. »Zusammen hätten wir einfach mehr Gewicht«, fuhr er fort. »Wenn wir geschlossen vor ihm auftreten, muss er uns einfach zuhören. Wie ich Paps kenne, passt ihm unser Vorschlag, seine Stadt vom Fußvolk der Flüchtlinge und Lügner zu befreien, ganz gut in den Kram.«
»Ihr seid also alle mit im Boot?«
Einer nach dem anderen nickte.
»Dann schwört.«
»Ich schwöre.«
»Ich auch.«
»Bin dabei.«
Tobias starrte über ihre Köpfe hinweg ins Nichts. Dann sah er Frank an.
»Und du?«
»Was sein muss, muss sein. Ihr könnt auf mich zählen.«
Rasch löschten sie das Feuer und zogen los. Der schwierigste Teil ihres Vorhabens lag noch vor ihnen.