Читать книгу Die "Endlösung" und das Auswärtige Amt - Christopher R. Browning - Страница 15

Die Judenexperten von D III

Оглавление

Das Personal des Referats D III setzte sich deutlich von den typischen Mitgliedern der Abteilung Deutschland ab. Luther umgab sich dort größtenteils mit jungen Männern, die zu Studentenzeiten vor 1933 der NSDAP beigetreten und Parteiaktivisten waren, bevor sie ins Auswärtige Amt eintraten. Die Männer vom D III dagegen konzentrierten sich völlig auf ihre Beamtenkarriere und traten der Partei als „Mitläufer“ zwischen März und Mai 1933 bei, als klar wurde, dass dies der opportunste Weg war, um ihre Ziele voranzutreiben. Somit entstand eine paradoxe Situation. Die Parteiaktivisten auf Lebenszeit stellten den Kern von Luthers Imperium dar, doch waren es die nazifizierten Beamten, die die entsetzlichsten aller NS-Methoden ausführten.

Leiter des Judenreferats war während des gesamten Bestehens der Abteilung Deutschland Franz Rademacher. Am 20. Februar 1906 in Neustrelitz in Mecklenburg geboren, wollte der Sohn eines Lokomotivführers zur Marine gehen, doch sein Vater bestand auf einer Ausbildung. So besuchte Rademacher das humanistische Gymnasium in Rostock, wo er sich ab dem Alter von 16 hocharbeitete.28 In den Unterlagen des Auswärtigen Amts behauptete Rademacher, im Dezember 1923 als 17-jähriger Gymnasiast in die Ehrhardt-Brigade in Rostock eingetreten zu sein. Dies muss ernsthaft bezweifelt werden, denn auf dem gleichen Formular manipulierte Rademacher das Datum seiner Parteimitgliedschaft, die er für Sommer 1932 ansetzte. Dies war jedoch der Zeitpunkt, zu dem er Mitglied in der SA wurde; Parteimitglied wurde er erst am 1. März 1933. Da er später nie wieder behauptete, in der Ehrhardt-Brigade Mitglied gewesen zu sein, muss man diese Episode als reine Erfindung betrachten, mit der Rademacher seinen Ruf verbessern wollte.29

1924 legte er das Abitur ab und studierte Rechtswissenschaften an den Universitäten München und Rostock. Er bestand die erste Staatsprüfung 1928 und wurde Referendar am Mecklenburgischen Gericht in Vorbereitung auf die zweite Staatsprüfung, die er im April 1932 bestand. Daraufhin wurde er Assessor.30

Im Frühjahr 1934 trat Rademacher aus der SA aus. „Sonntags rechts- und linksum zu machen, ist nicht meine Art gewesen“, erklärte er in einer Version.31 Ein anderes Mal behauptete er, dass er schon immer ins Auswärtige Amt habe eintreten wollen, doch habe ihm die SA klar gemacht, dass er „eine besondere Verpflichtung“ Röhm gegenüber wahren müsse. Da er sich angeblich für einen Informanten zu fein war, trat er aus. Sein Brigadekommandant, ein Sportkamerad, sorgte für eine ehrenhafte Entlassung.32 Ob er bereits im Frühjahr 1934 spürte, dass die SA für einen ehrgeizigen Karrieristen nicht länger das ideale Umfeld war, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall fühlte er sich offensichtlich unter den Radikalen der SA nicht länger heimisch. Um das Ziel einer Anstellung im Auswärtigen Amt zu erreichen, war er bereits im November 1933 von der Justizbehörde in die Innenverwaltung von Mecklenburg gewechselt. Er besuchte die Junkerschule der NSDAP in Bad Tölz – eine Voraussetzung für die Beförderung zum Rang eines Regierungsrates – und hielt den verlangten Vortrag zur Außenpolitik. Dies führte im Dezember 1937 zum Eintritt als Gesandter ins Auswärtige Amt.33 Der einfache Sohn eines Lokomotivführers hatte es mit einer Mischung aus harter Arbeit und Opportunismus weit gebracht.

Seine erste Stelle im Auswärtigen Amt trat er in der Kulturabteilung an, wo er sich auf Angelegenheiten spezialisierte, die Universitätsprofessoren betrafen. 1938 wurde er als Geschäftsträger an die Deutsche Botschaft in Montevideo entsandt, wo er bis zum April 1940 blieb.34 Die Abberufung aus Montevideo geschah auf seinen eigenen Wunsch. Offiziere des versenkten Westentaschenkreuzers „Graf Spee“, die seit dem Herbst 1939 in Montevideo interniert waren, wurden häufig von Botschaftsmitarbeitern eingeladen, und Rademachers Frau hatte eine Affäre mit einem von ihnen. Rademacher drohte, es auf ein Duell ankommen zu lassen, wenn nicht seine Familie und er nach Deutschland zurückkehrten. 35 Eigenen Angaben zufolge versuchte Rademacher daraufhin, zur Marine zu gehen und sich seinen Kindheitstraum zu erfüllen, doch das Auswärtige Amt stellte ihn nicht frei.36 Stattdessen erhielt er die Aufgabe, das D III, das Judenreferat der neu gebildeten Abteilung Deutschland, zu leiten.

Rademacher besaß keine besondere Erfahrung in Judenangelegenheiten, die ihn für diesen Posten qualifizierte, doch er kannte sich offenkundig in der richtigen Rassenrhetorik gut aus und setzte seinen Antisemitismus publikumswirksam ein. Nachdem er Rademacher erstmals im Juni 1940 getroffen hatte, schrieb ihm Paul Wurm, der Auslandsredakteur von Julius Streichers „Der Stürmer“ und Gründer der Anti-Jüdischen Liga: „Ich freue mich, Sie kennen gelernt zu haben und weiß Sie als wirklich guten Kenner der ,Judenfrage‘ und alten Kämpfer zu schätzen.“37 Aus dem Mund eines Mitglieds der obszön antisemitischen Streicher-Bande war dies ein beachtliches Kompliment. Trotz der Anerkennung von Wurm war Rademacher mit seinem Fachwissen in Judenangelegenheiten nicht zufrieden. In der wahren Gesinnung des Emporkömmlings wandte er sich per Brief oft an die Antisemitische Aktion in Goebbels Propaganda-Ministerium, Eulers Reichsinstitut für die Geschichte des neuen Deutschlands, das Deutschen Nachrichtenbüro und den Verlag des „Stürmer“ und bat um Bücher zur „Judenfrage“. Bereits im Sommer 1941 bestand die Hälfte von Rademachers Bibliothek aus entsprechenden Bänden.38 Nach seiner Rückkehr nach Berlin musste Rademacher eine neue Wohnung finden. Dank der guten Kontakte zu Albert Speers Büro wurde er bald fündig. „Es ist mir gelungen unter der Hand die Zusage zu erhalten, dass eine Judenwohnung durch Sondermassnahme für mich freigemacht wird“, schrieb er.39 In seiner „Judenwohnung“, umgeben von seiner Sammlung an Büchern zur „Judenfrage“, entwickelte er sich rasch zum Judenexperten des Auswärtigen Amts.

Die Besetzung von Stellen im Judenreferat erwies sich für Rademacher als ständiges Problem. Aufgrund von Einberufungen zum Militär sowie des ausgesprochenen Widerwillens mancher, Judenangelegenheiten zu bearbeiten, herrschte im D III eine starke Fluktuation an Mitarbeitern. Gelegentlich versuchte Rademacher, einen SS-Mann einzustellen; so schrieb er Anfang 1941: „Ich würde es begrüßen, wenn […] mir einer der neueingestellten SS-Männer überwiesen würde.“40 Er versuchte ebenfalls, Kenntnisse in der Rassenideologie der Nazis zu verlangen: „D III muss Wert darauf legen, einen Mitarbeiter zu bekommen, der die Gewähr dafür bietet, dass er im Sinne der vom Rassenpolitischem Amt verfolgten Rassenpolitik wissenschaftlich einwandfrei arbeitet.“41 Doch letztendlich war es weder die Mitgliedschaft in der SS noch ideologische Zuverlässigkeit, die das Personal des D III bestimmte. Vielmehr war das altehrwürdige System persönlicher Beziehungen ausschlaggebend.

Rademachers erster Assistent, Gerhard Todenhöfer, war viel typischer für die Abteilung Deutschland im Allgemeinen als für das D III, denn er kam als Parteiaktivist, nicht als nazifizierter Beamter zum D III. Er war nicht von Rademacher, sondern von Luthers Stellvertreter Walter Büttner, einem Freund aus Studententagen, eingestellt worden.42 Todenhöfer stand von August 1940 bis Juli 1941 in den Diensten des D III, beschäftigte sich allerdings vorwiegend mit den Zuständigkeiten des Referats für Nationalbewegungen im Ausland wie Flamen, Wallonen, Ukrainern, den Pfeilkreuzlern in Ungarn und der Eisernen Garde in Rumänien. Zu dieser Zeit bearbeitete Rademacher selbst die Judenangelegenheiten des Referats D III.

Todenhöfer wechselte dann in andere Positionen der Abteilung Deutschland und wurde Verbindungsmann zum Propagandaministerium und zur SA; um ihn zu ersetzen, veranlasste Rademacher, dass Dr. Herbert Müller, ein alter Bekannter aus seiner Zeit im Mecklenburger Staatsdienst, dem D III zugewiesen wurde. Müller wurde 1910 in Schwerin in Mecklenburg geboren und hatte wie Rademacher Rechtswissenschaften studiert. Er war 1931/32 Mitglied des „Stahlhelm“ in Rostock gewesen, war jedoch gleich nach der Machtergreifung am 1. Mai 1933 in die Partei der Nazis eingetreten. Die erste Staatsprüfung hatte er 1932 abgelegt und war als Referendar mit Rademacher bekannt geworden, da dieser einer seiner Betreuer war. Er wurde 1934 Doktor der Rechtswissenschaften, verbrachte ein Jahr als Student an der University of Kansas in den USA und legte seine Zweite Staatsprüfung 1936 ab. Im Anschluss arbeitete er drei Jahre im Reichswirtschaftsministerium.43

Müller trat 1939 in das Auswärtige Amt ein. Nach einer kurzen Phase in der Wirtschaftsabteilung war er vom Dezember 1939 bis zum Oktober 1941 in der Deutschen Botschaft in Teheran tätig, bis die diplomatischen Beziehungen mit Iran abbrachen. Er wurde umgehend an die Deutsche Botschaft in Sofia in Bulgarien versetzt, konnte seinen Posten dort jedoch aufgrund eines Falles von Amöbenruhr nicht antreten. Zu diesem Zeitpunkt intervenierte Rademacher und veranlasste seine Zuweisung ins D III. Müller arbeitete hier vom 11. November 1941 bis zum 1. April 1942, als er zum Militär eingezogen wurde. 44

Als Rademacher erneut versuchte, einen SS-Mann als Stellvertreter einzustellen, schlug Heydrich Hauptsturmführer Girke vor, der in der Gestapo gewesen war und sich in der „Judenfrage“ gut auskannte. Rademacher interviewte Girke und fand, dass er ideologisch zuverlässig war, doch es gab andere Probleme. Heinrich Müller von der Gestapo verlangte, dass Girke während seiner befristeten Tätigkeit im Auswärtigen Amt dem SD untergeordnet bliebe; das Auswärtige Amt jedoch wollte nur jemanden, der ihm vollständig zu Diensten stand. Damit hätte Girke jedoch seine militärische Zurückstellung verloren und wäre eingezogen worden. Somit schlug auch der letzte Versuch fehl, einen SS-Mann anzustellen.45

In den Monaten nach Müllers Weggang 1942 behalf sich Rademacher mit provisorischer Hilfe. Zunächst teilte Luther ihm einen weiteren Doktor der Rechtswissenschaften, Kurt Weege, zu, der im März und April aushelfen sollte. Weege war nach einer Audienz bei Ribbentrop 1939 auf Probe ins Auswärtige Amt eingetreten. Es war vorgesehen, dass er im späten Frühjahr zur Wehrmacht gehen sollte, doch Weege wurde im Februar plötzlich aus dem Auswärtigen Amt entlassen. Als altes Parteimitglied (1929 Mitglied der Hitlerjugend) ersuchte Weege Luther, ihm eine andere Position im Auswärtigen Amt zu beschaffen, bevor er zur Wehrmacht ging.46 Luther sorgte dafür, dass er dem D III zugewiesen wurde. Auf Weege folgte kurzzeitig der Vizekonsul Weiler vom Deutschen Konsulat im schwedischen Lulea, der zeitweilig in Berlin war, bis er im Juni 1942 auf seinen Posten zurückbeordert wurde.47

Der Personalknappheit im Auswärtigen Amt aufgrund von Einberufungen zum Militär legte sich vorübergehend im späten Frühjahr 1942, als fast alle deutschen Botschaften in Nord- und Südamerika geschlossen wurden und die Diplomaten nach Berlin zurückkehrten. Aus dieser Gruppe von Rückkehrern wählte Rademacher einen Bekannten aus seiner Zeit in Uruguay, Dr. Karl Otto Klingenfuss. Klingenfuss wurde 1901 als Sohn eines Bahnarbeiters in Mannheim geboren. Nach der Volksschule machte er eine dreijährige Lehre in der Mannheimer Stadtverwaltung und besuchte dann das Gymnasium in Wertheim, wo er 1921 Abitur machte.48 Er studierte an der Universität Heidelberg und promovierte 1925 in Geschichte und öffentlichem Recht. Nachdem er ein dreijähriges Stipendium erhalten hatte, um Staatsangehörigkeitsrecht und kulturelle Autonomie zu untersuchen, arbeitete er am Deutschen Auslandsinstitut in Stuttgart. Am 1. Mai 1933 trat er der NSDAP bei und amtierte ein Jahr als Blockleiter in Stuttgart. 1934 verließ er das Auslandsinstitut und trat Ernst Bohles Auslandsorganisation bei, wo er als Leiter des Kulturamts bis 1937 arbeitete.49

Seit 1930 hatte Klingenfuss vergeblich versucht, in den diplomatischen Dienst einzutreten. Im Januar 1938 gelang ihm dank der Intervention von Bohle der Sprung ins Auswärtige Amt. Er arbeitete zunächst in der Kulturabteilung und wurde im Januar 1939 an die Deutsche Botschaft in Buenos Aires versetzt, genau gegenüber der Mündung des La Plata-Flusses von Rademacher in Montevideo.50 Als Legationssekretär in der Botschaft in Buenos Aires war Klingenfuss zugleich Leiter der Auslandsorganisation für ganz Argentinien (dies war die höchste Position, die jemals ein Mitglied des D III in einer Parteiorganisation erreichte).51 Als Rademacher im April 1940 die Botschaft in Montevideo verließ, nahm Klingenfuss bis April 1942 seinen Platz ein; dann kehrte auch er nach Deutschland zurück.52 Rademacher forderte daraufhin seine Dienste im D III an, wo Klingenfuss von Juli bis Dezember 1942 tätig war.

Rademachers letzter Stellvertreter im D III war Fritz-Gebhardt von Hahn. 1911 in Shanghai als Sohn des dortigen Vizekonsuls geboren, wurde er von seiner Großmutter väterlicherseits in Darmstadt aufgezogen, da sein Vater ständig auf Reisen war und seine Mutter sich im Sanatorium aufhielt.53 Er reiste dann erneut zu seinem Vater, besuchte Gymnasien in Berlin und Rotterdam und machte 1929 Abitur. Wie all seine Vorgänger im D III studierte er Rechtswissenschaften in München, Gießen und Leipzig und legte 1933 die Erste Staatsprüfung ab. Im April desgleichen Jahres trat er der nationalsozialistischen Partei bei und ging im darauffolgenden Herbst zur Marine-SA.

Hahn machte sein Referendariat im Rechtsbüro der Auslandsorganisation und legte 1937 seine Zweite Staatsprüfung ab. Er arbeitete dann als persönlicher Mitarbeiter von Ernst Bohle und bereitete sich parallel dazu darauf vor, die Laufbahn seines Vaters im diplomatischen Dienst einzuschlagen. Während er für die sprachlichen Vorprüfungen lernte, schrieb er Bohle einen „streng vertraulichen“ Bericht, demzufolge das Auswärtige Amt die vorbereitenden Sprachprüfungen nicht nur zur Überprüfung der Sprachkenntnisse nutze, sondern auch, um politisch unliebsame Kandidaten auszusondern, deren Ablehnung man anders nicht ohne Risiko hätte rechtfertigen können. Hahn schlug vor, dass ein Mitarbeiter des stellvertretenden Führers Mitglied der Untersuchungskommission sein solle, um sicherzustellen, dass Kandidaten mit der richtigen Nazi-Weltanschauung nicht benachteiligt würden.

Trotz seiner Angst vor Benachteiligung trat Hahn im März 1937 ins Auswärtige Amt ein. Seine Verbindung zu Bohle erhielt er jedoch weiter aufrecht und ging oft mit Bohles Frau reiten. 1938 besuchte er ebenfalls die NSDAP-Junkerschule in Bad Tölz wie vor ihm Rademacher und Müller. Zumindest einem der dortigen Ausbilder erschien er als politischer Wendehals: „Von Hahn bejaht den nat. soz. Staat und verfügt über ein sehr gutes Wissen um die Grundlagen der nat. soz. Weltanschauung. […] Jedoch kam bei Einzelheiten immer wieder seine sehr stark kritische Einstellung zum Ausdruck. Er versteht es auch, weltanschauliche Gedanken an Dritte klar und überzeugend weiterzugeben, erweckt aber auch hierbei den Eindruck, dass es nicht immer aus Treue zur Idee, sondern aus kluger Berechnung geschieht.“

Hahn wurde im Juni 1938 an das Deutsche Konsulat im schweizerischen Genf versetzt. Der Leiter des Konsulats, Dr. Krauel, war kein Nazi und betrachtete die Aufnahme eines bekannten Protegés von Bohle mit Skepsis. Doch der anpassungsfähige Hahn beeindruckte bald alle mit seiner Mäßigung. Er stritt sich sogar mit dem Reichsstudentenführer Scheel über das Gebaren deutscher Studenten in Genf, die sich insbesondere gegenüber den dortigen deutschen Emigranten provokant verhielten.

Hahn war seit 1934 Mitglied der Marinereserve und trat im Februar 1940 aktiv in den Marinedienst ein. Er arbeitete als Übersetzer, als die Deutschen in Holland einrückten. Ende Juni 1940 wurde er durch einen deutschen Wachposten verwundet, als er sich trotz eines Wer-da-Rufs weigerte anzuhalten. Er erlitt einen komplizierten Bruch am rechten Oberarm und war über ein Jahr später, im Sommer 1941, noch immer nicht völlig wiederhergestellt. Doch da er darauf bedacht war, ein möglichst hohes Dienstalter zu erreichen, erlaubte man ihm, in Zeiten, in denen er sich keiner ärztlichen Behandlung unterziehen musste, im Auswärtigen Amt zu arbeiten. Zunächst wies man ihm Aufgaben als Adjutant in der Wirtschaftsabteilung zu, wo er erneut auf niemanden den Eindruck eines radikalen Nazis oder Antisemiten machte. Doch die langen Arbeitszeiten als Adjutant überstiegen seine Kräfte. Er bat um Versetzung und wurde an das D III verwiesen. Dort war er noch nicht einmal vier Wochen (vom 12. Dezember 1941 bis 5. Januar 1942) tätig, bevor er erneut ins Krankenhaus musste; im darauffolgenden Sommer arbeitete er noch einmal für einige Wochen auf Halbtagsbasis. Nach seiner endgültigen Entlassung aus dem Krankenhaus im Dezember 1942 wurde er – den Arm noch immer in einer Schlinge – für vier Wochen in der Marine krank geschrieben, um weiter zu Kräften zu kommen. Erneut meldete er sich ein drittes Mal freiwillig beim D III. Die Verlängerung seiner Krankschreibung wurde genehmigt, und so arbeitete er bis Mai 1943 im Judenreferat, bevor er erneut zur Marine ging.

Die Judenexperten des Auswärtigen Amtes – Rademacher, Müller, Klingenfuss und Hahn (Todenhöfer spielte in Judenangelegenheiten nur eine untergeordnete Rolle und braucht nicht weiter beachtet zu werden) – hatten vieles gemein. Sie alle hatten Rechtswissenschaften studiert und waren fest entschlossen, als Beamter Karriere zu machen. Sie alle traten zwischen März und Mai 1933 opportunistisch der NSDAP bei als Teil der „Mitläufer“-Welle, die die Partei gleich nach der Machtergreifung überrollte. Alle außer Müller waren unter Neurath, nicht Ribbentrop, ins Auswärtige Amt eingetreten, und zwei von ihnen – Klingenfuss und Hahn – waren Protegés von Ernst Bohle, einem verhassten Rivalen von Martin Luther. Und doch landeten sie unter der Leitung von Martin Luther und in der Abteilung des Auswärtigen Amtes mit der höchsten Dichte an Parteiaktivisten, die an dem radikalsten aller Nazi-Programme arbeitete.

Obwohl Rademacher verschiedentlich versuchte, einen SS-Mann zu rekrutieren, war kein einziges Mitglied des D III jemals Mitglied der SS. Und obgleich Rademacher in Sonntagsreden seine Kenntnisse in Rassenideologie bewies, war keiner seiner Mitarbeiter vorher durch radikalen Antisemitismus oder Fachkenntnis in der „Judenfrage“ öffentlich aufgefallen (allerdings entwickelten sich auch Rademacher und Hahn relativ schnell in diese Richtung, als sich die Gelegenheit bot). Ihr Einsatz im D III ergab sich eher durch das Zusammentreffen zufälliger Ereignisse und alter Bekanntschaften als aus ideologischen oder politischen Gründen. Die Männer des D III – Rademacher, Müller, Klingenfuss und Hahn – waren nichts weiter als vier äußerst karrierebewusste, aber unauffällige Bürokraten.

Die

Подняться наверх