Читать книгу Vom höchsten Gut und vom größten Übel - Cicero, Georg Heinrich Moser - Страница 21
Kapitel XVIII.
ОглавлениеOh! wie herrlich und offen und leicht und gerade aus führt nicht dieser Weg zum glücklichen Leben! Wenn es nichts Besseres für den Menschen geben kann, als frei zu sein vor jedem Schmerz und Unbehagen und die höchste Lust der Seele und des Körpers zu gemessen, seht Ihr da nicht, dass dann nichts, was das Leben fördert, übersehen ist, um das erstrebte höchste Gut so leicht als möglich zu erreichen. Epikur hat es laut genug ausgesprochen, dass Der, welcher, wie Ihr sagt, den Lüsten zu sehr ergeben ist, nicht angenehm leben könne, wenn er nicht weise, anständig und gerecht lebe, und dass er nicht weise, anständig und gerecht lebe, wenn er nicht angenehm lebe.
§ 58. Denn selbst ein Staat kann im Aufruhr nicht glücklich sein, noch ein Haus, wenn die Herren uneinig sind; viel weniger kann daher die Seele, welche in Streit und Uneinigkeit mit sich selbst ist, irgend etwas von der reinen und feinern Lust geniessen. Wessen Absichten und Bestrebungen immer einander widersprechend und im Streit sind, der kann von Ruhe und Zufriedenheit nichts empfinden.
§ 59. Wenn schon durch schwere Krankheiten des Körpers die Annehmlichkeiten des Lebens gehemmt werden, um wie viel mehr muss das durch Krankheiten der Seele geschehen. Die Krankheiten der Seele bestehn eben in den ungemässigten und eitlen Begierden nach Reichthum, Ruhm, Herrschaft und sinnlicher Lust; dazu kommen Verstimmung, Traurigkeit, Kummer, welche den Geist verzehren und durch Sorgen erschöpfen, wenn der Mensch übersieht, dass die Seele nur das schmerzen kann, was jetzt oder später mit körperlichen Schmerzen verknüpft ist; jeder Thor leidet an einer von diesen Krankheiten, und jeder ist deshalb elend.
§ 60. Dazu kommt noch der Tod, der, wie der Fels über dem Tantalus, immer über ihnen hängt, und der Aberglaube, bei dem der davon Erfüllte niemals ruhig werden kann. Dabei denken Solche weder an das vergangene Gute, noch geniessen sie das gegenwärtige, und während sie das Kommende erwarten, werden sie, da hier Gewissheit nicht möglich ist, von Angst und Furcht niedergedrückt und schwer gepeinigt. Erst spät werden sie inne, dass sie vergebens sich um Geld oder Macht oder Reichthum oder Ruhm gemüht haben, wenn sie die Lust nicht erlangen, wegen der sie so viel und so schwer in der brennenden Erwartung, sie zu erreichen, sich geplagt haben.
§ 61. Nun schaut auch auf jene kleinlichen und ängstlichen Seelen, die entweder an Allem verzagen oder boshaft, neidisch, schwerfällig, lichtscheu, verläumderisch, scheusslich sind, oder schaut auf Andere, die sinnlichen Ausschweifungen ergeben, oder muthwillig, tollkühn und waghalsig und zugleich unmässig und träge niemals bei einer Meinung beharren. Deshalb hören in dem Leben solcher Leute die Unannehmlichkeiten niemals auf, und deshalb ist kein Thor glücklich und kein Weiser unglücklich. Unsere Gründe für diesen Satz sind weit besser als die der Stoiker; denn diese wollen nur, ich weiss nicht welches Schattenbild für ein Gut anerkennen, was sie mit einem weniger gehaltvollen als blendenden Namen das Rechte nennen; die auf dies Rechte gestützte Tugend soll keiner Lust bedürfen, sondern allein zum glücklichen Leben genügen.