Читать книгу Vom höchsten Gut und vom größten Übel - Cicero, Georg Heinrich Moser - Страница 9

Kapitel VI.

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§17. Was könnte dies sein? fragte Torquator; ich möchte wohl wissen, was Du nicht billigst. – Zunächst, sagte ich, ist er in seiner Physik, auf die er sich am meisten, einbildet, durchaus ohne eigene Ansichten; er folgt hier dem Demokrit und ändert nur wenig und dabei so, dass er das, was er verbessern will, mir zu verschlechtern scheint. Demokrit lehrt, dass die sogenannten Atome, d.h. die wegen ihrer Dichtheit untheilbaren Körper in dem unendlichen Leeren, in dem es weder ein Oberstes noch ein Unterstes, weder eine Mitte noch einen Anfang oder Ende gebe, sich so bewegen, dass sie bei ihrem Zusammentreffen aneinander hängen blieben, und dass sich daraus alle vorhandenen und sichtbaren Dinge gebildet haben; auch soll diese Bewegung der Atome keinen Anfang gehabt haben, sondern müsse als eine ewige angesehen werden.

§ 18. Epikur schwankt nun zwar da nicht, wo er dem Demokrit folgt; indess muss ich, abgesehen von vielen Punkten, wo ich ihnen nicht beitreten kann, insbesondere tadeln, dass sie, indem es sich bei der Erforschung der Natur doch um Zweierlei handelt, einmal, was der Stoff sei, aus dem alle Dinge gebildet sind, und zweitens, welche Kraft dies bewirke, über den Stoff sich wohl ausgelassen, aber die Kraft und wirkende Ursache übergangen haben. Dieser Fehler trifft sie Beide; Epikur hat aber noch seine eigenen Gebrechen; er meint, dass jene untheilbaren und dichten Körper durch ihr eigenes Gewicht sich in gerader Linie nach unten bewegen, und dass dies die natürliche Bewegung aller Körper sei.

§ 19. Allein da, wenn Alles, wie er sagt, in gerader Richtung sich nach unten bewegt, man nicht einsieht, wie ein Atom jemals das andere berühren, könne, so stellt dieser scharfsinnige Mann als Verbesserung den Satz auf, dass die Atome ein wenig von der geraden Bewegung abweichen, und zwar so wenig wie möglich. Dadurch sollen die Vereinigungen, Verbindungen und Anhängungen der Atome untereinander entstanden sein, aus denen die Welt und alle Dinge in ihr hervorgegangen seien. Allein einmal ist dies Alles nur eine knabenhafte Erfindung, und dann leistet sie nicht einmal das, was sie soll. Denn jene Abweichung bleibt eine willkürliche Annahme, da sie ohne Ursache geschehen soll, obgleich einem Naturforscher doch nichts schlechter ansteht, als zu sagen, dass Etwas ohne Ursache geschehe; sodann nimmt er damit ohne Grund den Atomen jene von ihm selbst festgestellte natürliche Bewegung, vermöge deren alles Schwere nach unten fällt, ohne doch das, wozu ihm diese Erdichtung dienen soll, zu erreichen.

§ 20. Denn wenn alle Atome abweichen, so können sie niemals zusammentreffen; wenn aber nur ein Theil abweicht und die andern nach ihrer Schwere sich senkrecht bewegen, so weist er einmal den Atomen damit gleichsam Gebiete zu, wo sie sich entweder gerade oder schief bewegen sollen, und dann kann ein solches verworrenes Zusammentreffen der Atome die Schönheit dieser Welt nicht hervorbringen, ein Bedenken, was auch Demokrit mit trifft. Sodann darf kein Naturforscher lehren, dass es ein Kleinstes gebe; hätte Epikur lieber sich die Geometrie von seinem Freunde Polyänus lehren lassen, als sie ihn verlernen zu lassen, so würde er nie auf eine solche Meinung gekommen sein. Die Sonne hielt Demokrit für einen grossen Körper, denn er war ein gelehrter und in der Geometrie bewanderter Mann; dagegen soll sie nach Epikur nur ohngefähr einen Fuss gross sein, da er sie nur für so gross hielt, als sie erscheint, oder doch nur ein wenig grösser oder kleiner.

§ 21. So verdirbt Epikur das, was er verändert, und was er beibehält, gehört ganz dem Demokrit an. Die Atome, das Leere, die Bilder, welche sie eidola nennen, durch deren Eindringen man nicht blos sieht, sondern auch denkt, die Unendlichkeit selbst, die sie apeiria nennen, gehören ganz dem Demokrit an; ebenso die unzähligen Welten, welche täglich entstehen und vergehen. Obgleich ich dem keineswegs zustimmen mag, so kann ich es doch nicht billigen, wenn der von Allen gelobte Demokrit gerade von Epikur, der ihm lediglich gefolgt ist, getadelt wird.

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