Читать книгу CHIARA SCHATTEN DER VERGANGENHEIT - Cinzia G. Agostini - Страница 5

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Ich schaute auf meine Uhr, schon so spät…

»Schatz! Bist du fertig? Wir müssen langsam los! «,

Maurice reagierte nicht.

»Wir müssen meine Mutter vom Flughafen abholen. Carlottachen, wie weit bist du? Hast du die Katze wieder ins Haus geholt? «

Meine beiden Lieben meldeten sich nicht.

Ich schaute mich im Haus um.

Wo steckten sie bloß?

Ich ging ins Wohnzimmer und schaute auf die Terrasse. Dort saßen sie beide, nein, alle drei! Maurice hatte Carlotta im Arm und sie amüsierten sich über unseren Kater, der kleine Kunststückchen machte. Ich schaute ihnen versonnen zu. Mein Herz füllte sich mit unendlicher Wärme, als ich dieses Bild sah.

Noch bis vor einem halben Jahr lebte ich in einem Chaos und jetzt diese Idylle. Ich ließ kurz die Ereignisse der vergangenen zwei Jahre Revue passieren, bestimmt von den Intrigen und Manipulationen meines ersten Mannes Peters, der jetzt in Deutschland im Gefängnis saß.

Was hatte er nicht alles unternommen um mich zu quälen. Im Hintergrund hatte er manipuliert und intrigiert und meine Freunde bedroht. Maurice hatte unter Zuhilfenahme eines Detektivs und der Kripo Abenteuerliches in Erfahrung gebracht, Peter war nicht nur ein Ehebrecher, sondern besaß ein Bordell, wo er mit Drogen handelte, minderjährige Mädchen aus Osteuropa festhielt und zur Prostitution zwang.

Denke nicht mehr daran!

Jetzt lebst du endlich das Leben, das du dir immer gewünscht hast. Du hast die große Liebe gefunden, deine Tochter ist endlich wieder glücklich und du lebst im schönsten Land der Welt: Italien!

Endlich war alles gut!

Ich ging zur Terrasse und stand vor Maurice und Carlotta.

Sofort strahlten mich beide an.

»Mama, schaue mal! Maurice und ich haben Dinky ein neues Kunststück beigebracht!«

Sie legte einen Katzenkeks in ihre Hand und Dinky musste sich auf seine Hinterläufe stellen und den Keks vorsichtig aus Carlottas Fingern holen.

»Ich sehe es, meine Süße! Das macht Dinky toll! «

Ich drehte mich zur Katze und streichelte sie.

»Fein gemacht, Dinky! «

Dann wandte ich mich an die beiden:

»Ihr habt es euch schön kuschelig gemacht, aber jetzt müssen wir los. Deine Omi kommt gleich am Flughafen an, Carlotta! «

Maurice stand vorsichtig auf, schaute mich liebevoll an, strich mir eine Locke aus der Stirn und gab mir einen Kuss.

»Chiara, wir haben die Zeit vergessen… «

Ich schaute ihn verliebt an: »Kein Problem, aber jetzt müssen wir fahren, sonst kommen wir zu spät! «

Carlotta sprang von der Sitzgruppe auf, verschreckt schaute Dinky sie an.

Sie kam auf mich zu gerannt: »Ich bin schon fertig, wir können los! «

Schnell holte ich meine Tasche und wir fuhren zum Flughafen um meine Mutter abzuholen.

Maurice hatte uns ein Haus in der Emiglia Romana gemietet. Der Ort Santarcangelo lag unweit der Küste, keine zehn Kilometer von Rimini entfernt. Hier lebten wir ruhig und wenn wir Lust auf Trubel hatten, war Rimini nicht weit.

Bei schönem Wetter zog es uns ans Meer. Es war eine traumhafte Idylle. Carlotta ging auf eine private Schule in Rimini und hatte die ersten Freunde gefunden.

Wir fuhren gerade einige Minuten, da hörte ich Carlotta sagen: »Wie lange dauert es noch, Maurice! «

»Keine zehn Minuten und wir sind am Flughafen! «, antwortete Maurice geduldig. Er lenkte das Fahrzeug und ich schaute ihn dabei ganz entspannt zu. Ich konnte mein Glück kaum fassen, wir holten heute erst meine Mutter ab und später kamen unsere Freunde und die restliche Familie an, denn morgen sollte unser großer Tag sein!

Unsere Hochzeit!

Jetzt war ich das erste Mal in meinem Leben restlos glücklich, ohne Wenn und Aber. Maurice war nicht nur die Liebe meines Lebens, sondern mein Seelenpartner!

Mit Maurice und Carlotta waren die wichtigsten Menschen an meiner Seite.

Meine kleine Familie!

Und ab morgen würde es amtlich besiegelt sein. Nichts und niemand würde uns je wieder trennen.

Ich lächelte.

»Na Chiara, du warst ja mit deinen Gedanken gerade ganz woanders! «, hörte ich Maurice Stimme sagen.

Ich drehte mich zu ihm um und strahlte ihn an.

»Mein Schatz, ich dachte gerade: Ich bin der glücklichste Mensch auf dieser Welt. Ihr beide seid mit mir zusammen und morgen bin ich offiziell Frau Unterseer! «

Ich küsste ihn zärtlich, da hörte ich ein Raunen von hinten.

»Ihr küsst euch jetzt aber nicht den ganzen Tag, wir müssen Omi abholen. «

Wir lachten beide und schauten zu Carlotta.

»Hast Recht, wir müssen jetzt los. «

Als wir in der Ankunftshalle ankamen, mussten wir noch ein paar Minuten warten, dann kam der Hinweis:

Maschine aus Berlin gelandet.

Gleich würde meine Mutter durch das Gate kommen. Auch das war keine Selbstverständlichkeit. In dem ganzen Trubel der Trennung mit Peter, hatten meine Mutter und ich uns wieder angenähert. Ich hatte zuvor eine fünfjährige Zwangspause eingelegt, es gab zu viele Verletzungen, die sie mir zugefügt hatte. Als sie vor gut einem dreiviertel Jahr wieder in mein Leben trat, fingen wir an, unsere Vergangenheit aufzuarbeiten. Gerade als wir dabei waren die alten Wunden und Verletzungen zu besprechen, bekam sie die Diagnose: Krebs! Mein Leben wurde wieder Mal durcheinandergeschüttelt.

Doch sie besiegte die tückische Krankheit und wir konnten uns aussöhnen. Obwohl sie gesundheitlich noch angeschlagen war, ließ sie es sich nicht nehmen zu unserer Hochzeit zu kommen.

Da stand sie nun am Gate.

Maurice nahm ihr die Tasche ab und begrüßte sie. Carlottachen rannte dazwischen und schlang ihre Arme um sie.

»Omi, endlich bist du da. Ich muss dir gleich die neuen Kunststücke zeigen, die ich Dinky beigebracht habe. «

Meine Mutter strahlte über das ganze Gesicht.

»Ach Carlotta, du bist ja schon wieder gewachsen. Gut siehst du aus, das italienische Klima bekommt dir gut. «

Sie drehte sich zu mir um. Ihre Augen wurden feucht. Sie breitete ihre Arme aus.

»Meine Chiara, schön dich zu sehen. Ich habe dich vermisst. «

»Ach Mama! «, ich schluckte, denn ein dicker Kloss machte sich auch bei mir breit. Ich lief ihr in die Arme und genoss es von ihr gedrückt zu werden. Wir standen ganz still und verharrten in der Wiedersehensfreude.

»Bist du traurig, Omi, du weinst ja! «, hörte ich Carlotta sagen.

Darauf erwiderte meine Mutter: »Ach Carlotta, nein, ich bin froh euch gesund, munter und so glücklich zu sehen. «

»Wie war der Flug, Walli? «, hörte ich Maurice fragen.

»Angenehm, Maurice. Keine Turbulenzen. Wir hatten gute Sicht. Ach, es war so schön. «

»Das freut mich! Sag, Walli, können wir dich um einen Gefallen bitten. Ich muss mit Chiara noch etwas klären. Unsere Freunde kommen mit der Mittagsmaschine an, denn leider war in deiner nichts mehr frei. Es gibt ein Problem mit den Plätzen im Shuttlebus, da sich zwei weitere Gäste angemeldet haben. Würdest du mit Carlotta dort vorne ins Café gehen? «

»Kein Problem, Maurice! Sag mal, gibt es vielleicht eine Terrasse, wo wir einen Kaffee trinken könnten. Es scheint ja Traumwetter zu sein. «

»Ja komm, wir bringen dich hin «, sagte Maurice. Wir liefen gemeinsam zur Terrasse des Cafés, stellten ihre Tasche am Tisch ab. Carlotta erzählte meiner Mutter eifrig Geschichten und so konnten wir zum Schalter des Shuttlebusses gehen.

»Chiara, ich freue mich so für dich. Deine Mutter scheint sich gut erholt zu haben und glaube mir…sie liebt dich sehr! «

»Ja, Maurice, das spüre ich auch. Ach, es ist so schön. Alles hat sich ins Positive gedreht. Und weißt du was: Ich liebe dich so sehr… «, dann blieb ich stehen und schaute ihn an und dachte: Warte mal ab, bis du morgen mein süßes Geheimnis erfährst…

Wir küssten uns leidenschaftlich, vergaßen Zeit und Raum um uns herum. Langsam lösten wir uns und setzten unseren Weg zum Schalter fort.

Wir hatten Glück, zwei weitere Plätze waren im Bus frei. Unsere Gäste würden durch den Busfahrer in Empfang genommen und danach zum Hotel gefahren werden. Wir würden rechtzeitig im Hotel dort sein um die Gäste persönlich zu begrüßen. Maurice und ich schlenderten Händchen haltend zur Terrasse zurück. Von weitem sah ich, wie Carlotta meiner Mutter tausendundeine Geschichte erzählte; sie redete sich gerade in Fahrt. Meine Mutter schaute sie ganz verzückt an.

»Ach Maurice, schau mal, die beiden verstehen sich prächtig. Carlotta ist in ihrem Element und meine Mutter hört ihr so geduldig zu. Hättest du gedacht, dass alles so ein glückliches Ende nimmt? «

»Dass mit deiner Mutter ist ein Geschenk, Chiara, da war ich mir anfangs nicht so sicher, aber… « er drehte sich zu mir um, » dass wir beide zusammenkommen, dafür habe ich gekämpft! «

Glücklich fiel ich ihm um den Hals.

»Danke Maurice, dass du alles auf dich genommen hast. Was hätte ich nur ohne dich gemacht? Du bist mein Held!«

»Da seid ihr beiden ja, hat alles geklappt? « fragte meine Mutter.

»Ja, alles geregelt. Wir fahren jetzt erst einmal nach Hause, denn bald müssen wir los um zum Hotel zu fahren,« sagte Maurice zu meiner Mutter.

»Ich trinke meinen Kaffee aus und dann können wir los. Ich bin so gespannt auf euer neues Zuhause! «

»Schaffen wir noch einen Espresso? «, fragte ich Maurice.

Er nickte.

Wir bestellten uns zwei Espressi und die Rechnung. Dann machten wir uns auf den Weg zum Auto. Meine Mutter nahm hinten bei Carlotta Platz.

Ich fragte meine Mutter nach ihrem Befinden.

»Gut, mein Kind. Mach dir keine Sorgen. Jetzt, wo ich bei euch bin, noch besser!«

Ich strahlte sie überglücklich an.

Bei unserem Haus angekommen riss Carlotta, kaum dass das Auto stand, die Tür auf, rannte um das Auto herum und half ihrer Oma aus dem Wagen. Ehe ich etwas sagen konnte, hatte Carlotta sie zum Haus gebracht. Ich stieg aus dem Wagen und schloss die Tür auf. Maurice kam mit der Tasche meiner Mutter hinterher.

Da stand meine Mutter nun in unserem Haus, Carlotta nahm sie an die Hand und zeigte ihr alles.

Dann bot ich meiner Mutter erst einmal an, sich das Gästezimmer anzuschauen um sich vielleicht noch etwas auszuruhen, bevor wir wieder aufbrechen mussten.

»Nein Kind, erst einmal zeig mir den Garten. «

»Und Dinky! «, sagte Carlotta ganz euphorisch.

»Natürlich, Carlotta, Dinky will ich sehen! «

Innerlich musste ich grinsen, da hatten sich zwei gefunden. Carlotta und meine Mutter hatten einen tollen Draht zueinander.

Dinky stand auf unserer Terrasse.

Kaum dass Carlotta ihn sah, nahm sie ihre Oma bei der Hand und zog sie mit sich.

»Carlotta, lass Omi bitte erst einmal ankommen, « sagte ich, doch Carlotta hatte meine Mutter bereits zur Terrasse gebracht. Sie setzte sich mit ihr auf unsere Sitzecke und sogleich hörte ich wie Carlotta mit Dinky sprach und er sofort mit weiteren Kunststückchen dienen sollte.

Ich ging zur Küche und holte etwas zu trinken. Als ich auf der Terrasse ankam, hörte ich das eifrige Geschnatter meiner Tochter. Ich fragte meine Mutter, ob ich ihre Tasche auspacken soll, doch sie antwortete:

»Nein, lass uns das später machen, setz dich zu uns, wir haben doch noch ein wenig Zeit, oder? «

Ich lächelte sie an, »Eine Stunde können wir uns Zeit lassen, dann würde ich dir gerne dein Zimmer zeigen. Du kannst dich dann frisch machen. In circa drei Stunden müssen wir los, damit wir uns nicht abhetzen müssen. «

»Mein Kind, erzähle mir mal, wie geht es dir? «

»Mama, mir geht es gut. Schau dir Carlotta an, sie ist glücklich und zufrieden. Alles hat sich positiv entwickelt. Mit Maurice habe ich den besten Mann, den eine Frau sich nur wünschen kann. Wir haben hier ein wunderschönes Fleckchen gefunden. Es geht mir prächtig! «

Sie strahlte über das ganze Gesicht, drückte meine Hand und betrachtete mich.

»Du siehst auch entspannt und glücklich aus. Wie du alles gemeistert hast in der Zwischenzeit, ich bin so stolz auf dich! «

Das Kompliment tat mir gut.

Da Carlotta gerade hinter Dinky herlief, konnte ich mit meiner Mutter etwas offener reden.

»Ich bin so froh, dass Carlotta alles so gut verkraftet hat. Diese Manipulationen durch Peter und dann die Tatsache, dass ihr Vater ins Gefängnis kam. «

Ich schaute nach Carlotta, aber sie war weit genug weg um unser Gespräch nicht zu hören.

»Weißt du, Mama, Maurice hat sich rührend um Carlotta gekümmert, er ist ihr ein guter Ersatzvater. Sie versteht sich blendend mit ihm! Wenn sie manches Mal Kummer hatte, weil sie es einfach nicht verstehen konnte, was ihr Papa mit ihr gemacht hat, dann stand Maurice ihr genauso zur Seite wie ich ihr. Bevor wir zum Flughafen gefahren sind, saßen sie beide angekuschelt und haben mit Dinky gespielt. Maurice zeigt nicht nur Verständnis, er hat es auch. Wenn Maurice damals in Berlin nicht so eifrig im Hintergrund Beweise gegen Peter gesucht und auch gefunden hätte, wer weiß, ob ich hier überhaupt noch sitzen würde. Und, Mama, ich liebe ihn so sehr. Er ist so anders als Peter, er ist liebevoll, aufmerksam, respektvoll und ehrlich zu mir! Er würde mir nie solche Schmerzen zufügen oder mich derart demütigen wie Peter es einst tat. In ihm habe ich einen Menschen gefunden, der mir aufrichtig zur Seite steht. Er ist einfach wundervoll! «

Meine Mutter schaute mich an: »Kind, ich freue mich für dich. Du hast viel Leid einstecken müssen, aber jetzt weiß ich, du bist sicher und behütet. Du hast in Maurice einen Partner gefunden, der mit dir durch gute und schlechte Zeiten geht. Bestimmt trägt er dich auf Händen. Ich bin so froh zu wissen, dass es dir und Carlotta endlich gut geht. Glaube mir das bitte! Von Peter war ich nie überzeugt. Natürlich habe auch ich Fehler gemacht, aber ich wollte dennoch immer, dass du glücklich bist. «

Sie schaute zur Seite, denn Maurice kam auf uns zu.

»Na, ihr beiden, geht es euch gut? Ich schaue mal nach Carlotta, dann könnt ihr beide in Ruhe weiterreden. «

»Danke, mein Schatz! «

Ich warf ihm einen Luftkuss zu und drehte mich zu meiner Mutter.

»Ist er nicht toll? «

Sie nickte und zwinkerte mir zu.

Wir unterhielten uns noch eine ganze Weile. Ich fragte sie nach der überstandenen Krebstherapie und wie sie die Dialyse verkraftet. Meine Mutter musste nun schon seit über zwei Jahrzehnten an die künstliche Niere, aufgrund einer Niereninsuffizienz. Die transplantierte Spenderniere die sie fünf Jahre nach ihrer Diagnose bekam, wurde teilweise von ihrem Körper abgestoßen, sodass sie weiterhin zur Dialyse gehen musste. Zum Glück schien es ihr gut zu gehen und sie sah entschieden besser aus als noch vor einem dreiviertel Jahr. Langsam mussten wir nach oben in ihr Zimmer. Meine Mutter packte ihre Sachen aus und wir nahmen uns noch einmal ganz fest in die Arme.

»Mama, ich habe noch eine Überraschung, aber du darfst noch nichts sagen… «

Sie schaute mich an und sagte: »Ich glaube, ich ahne es bereits? «

Sie schaute auf meinen Bauch und ich nickte nur.

»Seit wann weißt du es? «

Ich machte nur: »Pscht…, Maurice weiß es noch nicht. Ich habe vor drei Tagen einen Test gemacht. Ich will ihn morgen damit überraschen. Dir wollte ich es zuerst sagen. Versprich mir… «, da fiel sie mir in die Arme und flüsterte:

»Herzlichen Glückwunsch, meine Süße, ich verrate nichts. Dann werde ich bald wieder Großmutter. «

Sie drückte mich ganz fest und sagte noch immer mit flüsternder Stimme: »Pass bitte gut auf dich auf! «

»Das mache ich, Mama, fest versprochen! Ich bin so gespannt, was Maurice sagen wird. «

»Der wird dir vor Freude um den Hals fallen! «

Just in dem Moment steckte Maurice seinen Kopf zur Tür herein.

»Wer wird meiner Chiara um den Hals fallen? «

»Na hoffentlich du, Schwiegersohn in spe, morgen nach dem ›Jawort‹! Da wirst du ihr doch um den Hals fallen, oder? «

Meine Anspannung wuchs, hoffentlich hatte er nichts mitbekommen. Doch scheinbar hatte meine Mutter die Kurve gut hinbekommen, er ahnte nichts.

»Ich habe eine Kleinigkeit gekocht, schafft ihr beiden es gleich runter? Carlotta sitzt schon unruhig und hat so großen Hunger! «

Ich schaute ihn verschmitzt an und erwiderte: »Wir kommen gleich, Liebling! «

Er ging wieder herunter und meine Mutter und ich kicherten ganz leise, damit er es nicht hören konnte.

Ich flüsterte: »Das war knapp! «

Meine Mutter nickte.

Sie machte sich kurz frisch und ich ging hinunter zu den beiden. Maurice hatte ›Penne arrabbiata‹ gekocht, Carlottas Lieblingsgericht.

Meine Mutter kam kurze Zeit später hinzu und wir aßen fröhlich unsere Penne. Wir erzählten und lachten. Kurzum, es war eine friedliche und fröhliche Atmosphäre.

Dann weihten wir meine Mutter in den Ablauf des Polterabends und der Hochzeit ein. Heute würden wir uns in dem Hotel treffen, in dem die übrigen Freunde und die Familie untergebracht waren. Dort hatten wir einen Saal gemietet und wollten mit einem leckeren italienischen Buffet unseren Polterabend feiern. Ein DJ war bestellt und gegen Mitternacht wollten wir den Abend ausklingen lassen, damit es morgen zur Hochzeit keine unausgeschlafene Braut geben würde.

Der einzige Wehrmutstropfen des Bräutigams: Ich bestand darauf die Nacht vor der Hochzeit nicht gemeinsam mit ihm zu verbringen.

So sehr er auch bettelte, ich sagte ihm: »Schatz, du kennst den Brauch, diesmal will ich alles richtig machen!!! Du und ich für immer! «

Damit war er mehr als glücklich und stimmte zu. Ich würde die Nacht mit meiner Mutter und Carlotta verbringen und er allein in einem anderen Zimmer. Die morgige Hochzeit würde am Vormittag auf dem Standesamt beginnen und danach würde die Festgesellschaft zurück zum Hotel fahren, um dort ausgelassen zu feiern. Hinter dem Hotel gab es einen lauschigen Hof und die Feier konnte dort im Freien stattfinden.

Es war einfach perfekt.

Meine Mutter staunte und freute sich auf die bevorstehenden Ereignisse.

Wir räumten die Teller zusammen und dann mussten wir unsere Zwischenübernachtungstaschen mit den letzten Utensilien befüllen. Meiner Mutter half ich schnell mit ihrer kleinen Tasche und dann zog ich mich für den Polterabend um. Mein Brautkleid hatte ich bereits im Hotel deponieren lassen, sowie Schuhe, Brautschmuck und alles Weitere. Maurice durfte mich nicht vorher sehen. Carlottas Kleid und Maurice’ Anzug waren auch schon vor Ort.

Eine gute halbe Stunde später standen wir im Hotel. Während Maurice mit dem Hotelmanager noch einmal die Checkliste durchging, setzte ich mich mit meiner Mutter und Carlotta an die Hotelbar. Gleich würde ich meine Freunde treffen und eine weitere Überraschung für Maurice stand bevor.

Ich hatte mit seinem Sohn Felix einen Plan ausgeheckt. Felix hatte nämlich gesagt, dass er durch sein Studium keine Zeit hätte mit zu feiern. Insgeheim hatten wir beide aber alles organisiert und er würde als Überraschungsgast am Polterabend mit seiner Freundin kommen. Er hatte die ehrenvolle Aufgabe der Trauzeuge von Maurice zu sein. Ich war mächtig gespannt auf Maurices Gesichtsausdruck, wenn er ihn erst einmal erstaunt anschauen und ihn danach überglücklich in die Arme nehmen würde.

Da schaute ich mich um und wer stieg aus dem Fahrstuhl? Meine beste Freundin Iris, begleitet von ihrem Mann Klaus und ihrer Tochter Nancy. Jetzt konnte ich mich nicht länger auf meinem Stuhl halten und rannte zu ihnen hin.

»Hallo, Iris, Klaus und Nancy, ich freue mich euch begrüßen zu können. Wie war der Flug? Hat alles geklappt? «

Bevor meine Freundin antworten konnte, nahm ich sie in den Arm. Wir drückten uns.

»Chiara, es hat alles gut geklappt. Du siehst prima aus! «

Dann drückte ich Klaus und danach Nancy.

»Kommt zur Hotelbar und lasst uns erst einmal etwas trinken. «

Wir liefen los und danach begrüßten meine Freunde meine Mutter und Carlotta. Iris berichtete von dem Flug, Klaus wirkte etwas benommen.

»Hey, Klaus, was ist los? «, fragte ich ihn.

»Es war mein erster Flug und mir ist noch etwas wackelig. Es schaukelte ganz schön.«

»Gab es Turbulenzen? «, fragte ich ihn.

»Wenn das Schaukeln so heißt, ja, dann gab es die. «

Darauf bestellte ich ihm erst einmal einen Grappa.

Nach einer Weile ging es Klaus wieder besser und wir unterhielten uns über den Ablauf des Abends. Plötzlich tippte mir jemand auf die Schulter. Ich drehte mich um und sah meine Freundin Caroline.

»Hey, Caroline, schön dich zu sehen. Wie war der Flug?«

Sie gab mir einen Kuss auf die Wange und antwortete:

»Alles prima! «

Dann gesellte sie sich zu unserer Runde und bestellte sich einen Espresso. Nach und nach trudelten die anderen Gäste ein. Maurice kam mit Beate und Martin zur Bar.

Carlotta freute sich sehr beide zu sehen, denn sie war schon früher gerne bei Martin und Beate gewesen. Sie haben vier Kinder, zwei Mädchen und zwei Jungen mit denen Carlotta gerne gespielt hatte.

Dann kam Onkel Hans mit Katharina auf mich zu.

Ich drückte die beiden ganz fest.

»Schön, dass ihr beide unserer Einladung gefolgt seid. Ich freue mich so sehr…«, sagte ich zu meinem Onkel und meiner Tante.

Freudentränen stiegen bei mir auf.

Maurice kam auf mich zu, nahm meine Hand und sprach in die Runde: »Ich glaube, wir sind vollzählig. Wir wollen uns recht herzlich bei euch für euer Kommen bedanken. «

Unsere Freunde klopften auf die Tische.

»Nach der turbulenten Vergangenheit, die Chiara und ich erlebt haben, wollen wir mit euch zwei wunderschöne Tage verleben. Endlich müssen wir uns nicht mehr verstecken und können mit euch den schönsten Tag unseres Lebens gemeinsam feiern! Wir wünschen euch einen schönen Aufenthalt! Lasst uns nun in den Saal gehen, das Buffet ist eröffnet! «

Nachdem Maurice den Satz beendet hatte, fiel ich ihm um den Hals.

»Maurice, ich bin so glücklich. Es ist wie im Märchen. Ich liebe dich! «

Dann küsste ich ihn voller Hingabe und schlang meine Arme um ihn.

»Und ich liebe dich, du tust mir so gut! «

Wir lösten uns aus unserer Umarmung und liefen mit unseren Freunden und der Familie in den Saal hinüber.

Der Koch des Hotels hatte sich selbst übertroffen. Das Buffet war ein Gedicht. Es gab kalte und warme italienische Vorspeisen. Meine Lieblingsvorspeise Vitello Tonnato war auch dabei, Carpaccio, gegrilltes Gemüse und vieles mehr. Als Hauptgang gab es Pasta satt, verschiedene Fleischgerichte, Fisch und Kaninchen. Das Buffet wurde abgerundet durch umfangreiche Desserts. Es war wahrlich eine Augenweide und obwohl ich erst vor kurzem etwas gegessen hatte, bemerkte ich, wie mein Appetit auf diese leckeren Speisen erwachte.

Wir nahmen auf unseren Plätzen Platz und nach kurzer Zeit begann der große Festschmaus. Maurice beugte sich gerade zu mir, um etwas zu fragen, da sah ich Felix mit seiner Freundin aus dem Augenwinkel auf uns zukommen.

Ich zwinkerte ihm zu.

Maurice hatte es nicht bemerkt.

Im nächsten Augenblick klopfte er Maurice auf die Schulter. Maurice drehte sich um, dann schaute er verwirrt und sprachlos.

Ich ergriff ganz schnell das Wort und sagte: »Mein lieber Schatz, darf ich dir deinen Trauzeugen vorstellen! «

Maurice sprang vom Stuhl auf und fiel seinem Sohn in die Arme.

Wie er sich freute!

Dann sagte er lachend: »Da habt ihr euch ja eine schöne Überraschung einfallen lassen, von wegen Lernen, Studium, keine Zeit! «

»Papa, das ist auch nicht ganz falsch, aber Chiara hat mich so nett gebeten, wer kann zu ihr schon ›Nein‹ sagen!«

»Felix, ich freue mich so sehr, die Überraschung ist euch gelungen. Gut, schaust du aus! Lass dich noch einmal drücken. «

Dann stellte Felix seine Freundin Katja vor.

Eine freundliche junge Frau mit wunderschönen blauen Augen. Sie trug ihr blondes Haar zu einem Dutt und sah einfach nur bezaubernd aus. Felix hatte Katja während des Studiums kennengelernt.

Sie waren jetzt seit einem halben Jahr ein Paar und sahen sehr vertraut miteinander aus.

Jetzt konnte das Fest beginnen!

Die Stimmung war ausgelassen und fröhlich, jedes Mal, wenn ich in die Gesichter meiner Familie und meiner Freunde blickte, sah ich, wie sehr sie sich mit uns freuten.

Eine kleine Glocke ertönte, im nächsten Moment sah ich, wie Iris ihr Kleid zupfte und aufstand.

»Meine Lieben, darf ich kurz um eure Aufmerksamkeit bitten. Als Trauzeugin der Braut und als beste Freundin, möchte ich gerne ein paar Worte sagen. «

Augenblicklich wurde es mucksmäuschenstill und alle schauten gespannt auf Iris.

»Liebe Chiara, als du mich gefragt hast, abermals deine Trauzeugin zu werden, habe ich keinen Moment gezögert, aber «, sie legte eine Pause ein und um zu unterstreichen wie wichtig der nachfolgende Satz sein wird, hob sie ihren Finger und verdrehte ihre Augen.

»Aber es soll das letzte Mal sein! «

Dann lächelte sie mir zu.

Ich rief in die Menge: «Fest versprochen! «

»Liebe Chiara und lieber Maurice, ich freue mich heute auf eurem Polterabend zu sein und morgen ein letztes Mal meine beste Freundin unter die Haube zu bringen!«

Gelächter machte sich breit.

»Wir alle wissen, welche harte Zeit ihr durchleben musstet. Es gab so viele Irrungen und Wirrungen und noch vor einem dreiviertel Jahr hätte wahrscheinlich keiner von uns geglaubt, dass wir heute hier auf dieses glückliche Ereignis anstoßen werden. Ich wünsche euch von Herzen alles Gute. Bei euch beiden stimmt der Satz: Ende gut, alles gut! Die Liebe hat gesiegt! Bleibt glücklich und seid füreinander da. Aber da mache ich mir keine Sorgen, nach allem, was ihr zusammen gemeistert habt, sehen wir uns alle zur ›Goldenen Hochzeit‹ wieder. Chiara ich habe dich so lieb und weißt du was, Maurice ist der Richtige! Maurice nun zu dir: Pass gut auf Chiara und Carlotta auf «, dann zeigte sie mit ihrem Zeige – und Mittelfinger erst auf ihre, dann auf seine Augen und schloss den Satz mit den Worten, » Ich hab dich im Auge! «, dabei musste sie lachen.

Sie erhob ihr Glas und sprach: »Auf Chiara und Maurice, mögen sie glücklich und zufrieden in ihrer Ehe leben. Ein Hoch auf das künftige Ehepaar! «

Die übrigen Gäste erhoben ebenfalls die Gläser und prosteten uns zu.

»Ich habe mal etwas vorbereitet «, sagte Iris, »bevor ihr weiter feiert, heißt es doch noch einmal böse Geister zu vertreiben. Bei eurer Vorgeschichte haben wir einiges an Porzellan für euch gesammelt. Wir wollen nichts dem Zufall überlassen. Wenn ihr bitte mal nach vorne geht, da steht alles für euch bereit! «

Alle klatschten und klopften auf die Tische.

Maurice nahm mich an die Hand und so liefen wir zum Eingang. Iris hatte sich selbst übertroffen, wüsste ich es nicht besser, hätte ich darauf getippt, dass es in ganz Italien keinen einzigen Teller mehr gibt. Aber ich verstand natürlich den Wink.

Maurice und ich hatten eifrig zu tun.

Wir wurden fotografiert und beklatscht. Nach dieser erfolgreichen Aktion gingen Maurice und ich auf die Tanzfläche und tanzten eng umschlungen.

Das Fest war einfach wunderschön. Wir hatten alle Spaß. Wir tanzten, lachten und genossen diesen wunderbaren Abend.

Carlotta genoss die Feier ebenfalls. Wir tanzten zusammen mit ihr, dann tanzte sie mit ihrer Oma und mit Felix. Immer wenn ich in ihre Augen schaute, freute ich mich darüber zu sehen, wie entspannt und glücklich sie wirkte.

Kurz vor Mitternacht ließen wir das Fest ausklingen, verabschiedeten unsere Gäste und beschlossen einen kurzen Abendspaziergang zu unternehmen.

Händchen haltend liefen wir los.

Ganz in der Nähe stand eine kleine Bank.

Wir setzten uns.

Maurice legte seine Hand in meine, das Mondlicht schien hell und ich sah seine geröteten Augen.

»Chiara, du Liebe meines Lebens, wer hätte das gedacht, jetzt sitzen wir hier zusammen am Abend vor unserer Hochzeit. Ich bin so glücklich und so dankbar! «

»Maurice, ich auch! Ich liebe dich so sehr! Es gibt da etwas, was ich dir sagen muss...«, ich konnte nicht länger an mich halten.

Warum bis morgen warten?

»Ist etwas mit dir? Hat es mit Peter zu tun? Hat deine Mutter etwas zu dir gesagt?Was hast du mein Herz? «

»Es ist etwas sehr Schönes, es verbindet unser beider Leben! «

»Du sprichst in Rätseln? «

Plötzlich sah ich wie Tränen seine Augen erfüllten.

Er wollte etwas sagen, doch ihm versagte die Stimme.

Dann schaute er mich an, küsste mich ganz zart auf die Lippen. Seine Augen wanderten hinunter zu meinem Bauch und schauten mich fragend an.

»Ja, Maurice! Wir bekommen ein Baby! Ich weiß es auch erst seit drei Tagen, ich habe Zuhause einen Test gemacht. Um sicherzugehen bin ich am nächsten Tag zu meinem Frauenarzt. Eigentlich wollte ich es dir erst an unserem Hochzeitstag sagen. Aber in dem Moment, als wir uns auf die Bank setzten, da konnte ich es nicht länger für mich behalten. Was sagst du dazu? «

Anstatt etwas zu sagen, zog er mich an sich heran und streichelte erst mein Gesicht, dann meinen Bauch.

»Das ist das schönste Geschenk für mich, ich liebe dich. «

Dann überschlug sich seine Stimme fast: »Wir bekommen ein Kind! «

Im nächsten Moment umarmte er mich und drückte mich so fest, dass ich seinen Herzschlag spüren konnte.

»Du musst jetzt gut auf dich aufpassen, versprichst du mir das? «

»Maurice, ich bin schwanger, nicht krank, ich passe gut auf mich auf. Mache dir bitte keine Sorgen, es geht mir soweit gut, bis auf die Morgenübelkeit, alles ist gut… «, bevor ich weitersprechen konnte, umarmte er mich erneut und seine Lippen legten sich auf meine.

Wir waren beide so versunken in dem wohligen Gefühl der Liebe, dass wir das Krachen der Äste uns gegenüber zwar hörten, aber nicht weiter beachteten.

Wir küssten uns leidenschaftlich.

Nach weiteren zehn Minuten standen wir auf, denn wir wollten schließlich morgen frisch, munter und ausgeschlafen vor dem Standesbeamten unser ›Ja-Wort‹ geben. Händchen haltend wie wir zuvor gekommen waren, schlenderten wir in das Hotel zurück. Wir standen gerade am Hotel und schauten uns noch einmal um, da blitzte es aus dem Gebüsch, bestimmt war es das Mondlicht dachte ich.

Dann gingen wir in das Hotel.

Der Abschied fiel uns beiden sehr schwer, aber schließlich lösten wir uns und jeder ging in sein eigenes Zimmer. Ich schloss die Tür ganz vorsichtig auf, denn ich wollte weder Carlotta noch meine Mutter aufwecken. Meine Mutter hatte vorausschauend die kleine Nachtischlampe angelassen. Wie lieb von ihr! So konnte ich etwas sehen. Schnell huschte ich ins Badezimmer, schminkte mich ab und zog meinen Schlafanzug an, den meine Mutter bereits im Bad für mich hingelegt hatte. Sie macht sich also doch Sorgen, kam es mir in den Sinn. Dann beeilte ich mich, schaute noch einmal ob mein Wecker wirklich gestellt war und ging zum Bett. Kaum, dass ich die Decke hochgezogen und mich hingelegt hatte, fiel ich auch schon in einen tiefen Schlaf.

CHIARA SCHATTEN DER VERGANGENHEIT

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