Читать книгу CHIARA SCHATTEN DER VERGANGENHEIT - Cinzia G. Agostini - Страница 7
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ОглавлениеEin unbehagliches Gefühl kroch hoch.
Ich drehte und wendete mich, Maurice stand an meiner Seite, dann zog er mich plötzlich weg.
Ich knickte um und fiel mit meinem Brautkleid der Länge nach hin. Versuchte aufzustehen, doch meine Beine versagten.
Das Auto kam immer näher auf mich zu.
Ich wurde zur Seite geworfen.
Dann war es still!
Mein Herz pochte, ich konnte nichts mehr sehen. Ich versuchte meine Augen zu öffnen, aber es gelang mir nicht. Im nächsten Moment drehte sich alles und ich schrie. Von weitem hörte ich eine Stimme. Ich versuchte erneut meine Augen zu öffnen und sah in das Gesicht meiner Mutter. Erst ganz verschwommen, dann kam ich langsam zu mir.
»Chiara, was ist los? Hast du schlecht geträumt? «
Ich musste mich erst einmal sammeln.
Meine Mutter streichelte meine Wange und Carlotta kam zu mir ans Bett!
»Mami, was hast du denn? «
Immer noch war ich benommen.
Ich gab Carlotta einen Kuss und sagte dann: »Ich glaube, ich hatte einen Albtraum, aber jetzt geht es wieder.«
Ich hatte geträumt.
Aber, was für ein Traum war das?
Noch immer klopfte mein Herz wie wild, ich war völlig verschwitzt. Ich drückte Carlotta ganz fest und sie legte sich wieder hin.
Meine Mutter stand immer noch mit besorgter Miene an meinem Bett.
»Mama, mache dir bitte keine Sorgen, es geht langsam wieder. «
Da Carlotta im Begriff war wieder einzuschlafen, flüsterte ich.
Nach einer Weile hörte ich ihren ruhigen Atem, sie schlief.
Meine Mutter war durch meinen Schrei so wachgerüttelt, dass sie sich auf einen der beiden Sessel setzte. Ich kroch ganz vorsichtig aus dem Bett und setzte mich auf den anderen Sessel.
»Liebe Chiara, es war zu viel für dich in der letzten Zeit… «, sie sprach leise.
»Mama, ich weiß es nicht. Es war so real, mir zittern noch immer die Knie! «
»Was hast du denn geträumt? «, fragte mich meine Mutter.
Ich erzählte ihr die Bruchstücke des Traums, die mir noch in der Erinnerung waren.
»Mama, habe ich etwas übersehen? Meinst du Peter hat noch etwas vor. Mein Gott, Mama, ist das ein schlechtes Omen für die Hochzeit? Was bedeutet das? Holt mich jetzt noch einmal die Vergangenheit ein? Ich habe Angst! «
Ich zitterte am ganzen Körper.
Meine Mutter sah mich sehr nachdenklich an, nahm meine Hand und streichelte sie.
»Mein Schatz, beruhige dich erst einmal. Ich glaube, die schlimmen Ereignisse der letzten Jahre kommen jetzt kurz vor deiner Hochzeit noch einmal hoch. Du weißt, wie sehr ich dich dafür bewundere, wie du dein Schicksal gemeistert hast, aber vielleicht ist immer noch ein kleiner Funken Angst in dir, dass etwas oder jemand deinen größten Wunsch, deine Hochzeit, sabotiert. Peter hat dir so viel Böses angetan, er ist ein schlechter Mensch. Die Zeit damals war wie ein Albtraum für dich. Gestatte dir auch nur ein Mensch zu sein. Bestimmt kam jetzt kurz vor dem krönenden Abschluss einfach noch einmal schiere Angst in dir auf. Ich könnte Peter den Hals umdrehen! «
Ich drückte ihre Hand.
»Mama, es geht mir etwas besser. Ich trinke jetzt noch ein Glas Wasser und dann lege ich mich wieder hin. Ich lass mir meine Hochzeit nicht durch böse Gedanken kaputt machen. Danke, Mama!«
»Nicht dafür, versuche noch ein wenig zu schlafen, meine hübsche Braut. Ich habe dich lieb, Chiara! «
Ich schaute sie an und erhob mich leise von meinem Sessel, um sie dann ganz fest zu umarmen.
»Mama, habe ich dir gesagt, wie sehr ich mich freue, dass du da bist. Ich habe dich sehr lange vermisst… «, Tränen standen in unser beiden Augen.
Nach diesem innigen Moment legte ich mich in mein Bett, kuschelte mich ein und fiel in den ersehnten Schlaf.
Am nächsten Morgen wurde ich durch einen dicken fetten Kuss geweckt.
Carlotta stand schon angezogen vor mir.
Sie sah entzückend aus in ihrem rosa Kleidchen.
Mit einem Ruck richtete ich mich auf, ich hatte meinen Wecker nicht gehört, oh Gott, hatte ich meine Hochzeit verschlafen?
Doch da stand auch meine Mutter, sie wirkte ganz entspannt und schaute mich an.
»Sagt, habe ich verschlafen? «
Beide schüttelten den Kopf.
»Wie spät ist es denn? «
»Es ist kurz vor acht! Dein Wecker sollte gleich klingeln! «
»Aber, wann seid ihr denn aufgestanden, ihr seid ja schon fertig. «
»Carlotta wurde vor zwei Stunden wach und hat dich schlafen lassen. Als sie aus dem Bett aufstand, bin ich wachgeworden und konnte auch nicht mehr schlafen. Wir sind beide runter und haben gefrühstückt und dann haben wir uns hier oben fertig gemacht. «
»Ihr seid ja süß, danke! «
Dann summte ich ein Lied, denn heute war mein Hochzeitstag.
Ich musste mich erst einmal kneifen…
Heute endlich!
Ich sprang unter die Dusche und machte mich fertig. Gegen halb neun kam meine Freundin Iris und wollte mir die Haare machen.
Da klopfte es auch schon.
»Parole? «, fragte ich, da hörte ich die Stimme meiner Freundin, »hier steht dein Haus – und Hoffriseur und will die Braut jetzt kämmen! «
Ich öffnete die Tür.
»Ach, Iris, schön dich zu sehen, komm rein. «
»Komm erst einmal her Chiara, lass dich drücken! «
Nur zu gern ließ ich das zu.
»Ach Chiara, endlich ist es soweit und ich sage dir etwas…Maurice ist der Eine! Der Richtige!!! Jetzt weiß ich endlich, dass du glücklich bist und habe keine Angst mehr um dich! «
Ich drückte sie.
»Du spürst es auch, nicht wahr! Ich bin so glücklich mit ihm und spüre endlich Zuhause zu sein. Ich fühl mich von ihm so verstanden und geliebt. Aber…«, ich stammelte, da es mir schwer fiel die Worte zu formulieren. »Das mit der Angst… «, weiter kam ich nicht, ich zitterte und fühlte mich sehr beklommen.
»Was hast du denn? «, fragte Iris ganz besorgt.
»Ich hatte einen Traum, aber er fühlte sich so real an! «
»Komm erst einmal her «, sagte Iris und drückte mich.
»Erzähl mir davon! «
Ich sammelte mich und berichtete von diesem schrecklichen Albtraum.
»Wenn Maurice mich nicht zur Seite gezogen hätte…Oh Gott, Iris, wenn ich nicht wüsste, dass Peter hinter Gittern sitzt, dann… «, da fing ich zu weinen an.
»Du hast sehr viel Schlimmes erlebt und jetzt da du alles überstanden hast, kommt noch einmal die Vergangenheit und präsentiert sich, aber… «, sie schaute mir jetzt tief in die Augen. »Maurice ist da und er beschützt dich, das sagt dir der Traum. Nichts und niemand steht mehr zwischen euch. Das Alte ist vorbei und du bist nicht mehr allein. Maurice stößt alle Widerstände weg. «
Sie gab mir einen Kuss auf die Stirn.
»Meinst du? «
»Ja, das meine und weiß ich. Die alte Geschichte kommt noch einmal hoch, weil du auf der Schwelle zu deinem neuen Leben stehst. Alles wird gut! «
Wir hatten jetzt beide Tränen in den Augen.
»Dann lass uns mal deine Haare schön machen, ich habe mir schon etwas ganz Tolles für dich ausgedacht. «
»Du spannst mich jetzt aber auf die Folter… «
Dann fing sie an und wir erzählten uns Anekdoten aus der Vergangenheit und nach und nach konnte ich wieder lachen.
»Geht es Klaus nach diesem schaukligen Flug wieder gut? «
»Du kennst doch Männer! «, sagte sie nur und wir gackerten wieder los.
Nach einer guten halben Stunde war sie fertig.
Jetzt reichte sie mir einen Spiegel und ging mit mir in das Badezimmer. Ich drehte mich zum Spiegel und staunte nicht schlecht.
»Wow! Ich sehe ja fantastisch aus! Danke! «
Sie hatte eine mit Perlen verzierte Hochsteckfrisur gezaubert. Dann ging es an das Make-Up. Nach einer weiteren halben Stunde half sie mir das Kleid anzuziehen.
Ich war bereit!
Ich hatte mir ein figurbetontes cremefarbenes mit Spitzen gearbeitetes Kleid ausgesucht.
Es saß wie angegossen.
Als ich mich im Spiegel anschaute kamen mir die Tränen. Alles war einfach nur perfekt!
Jetzt wurde ich nervös.
Iris machte noch ein paar Fotos und dann wollte sie mit einem Glas Champagner anstoßen.
»Iris, hast du auch einen Saft dabei? «
»Ach, ein Schlückchen Schampus geht doch immer «, meinte sie.
»Nein, das geht gar nicht, weil… «, ich grinste ihr zu. Es dauerte einen kleinen Moment, dann stieß sie einen Schrei aus und rief: «Bist du schwanger? Wann wolltest du mir das sagen? «
Ich lächelte sie an: »Nicht böse sein, ich weiß es auch erst seit ein paar Tagen, warte mal kurz… «
Ich ging zu meiner Tasche, holte eine kleine Schachtel heraus und reichte sie ihr.
»Mach auf! «
Sie öffnete ganz vorsichtig die Schachtel und ein Babynuckel kam zum Vorschein.
»Die Schachtel wollte ich dir jetzt gleich geben, du bist mir durch den Champagner einfach nur zuvor gekommen. Ich hatte alles so gut geplant «, sagte ich.
»Chiara, mir fehlen die Worte, du machst Sachen! Ich freue mich für dich! «
»Und ich mich erst, jetzt ist unser Glück vollkommen, hab ich mir verdient… «, sie prostete mir zu.
»Und wie! Prost meine Liebe! Auf deine Hochzeit, dein neues Leben und auf deine Schwangerschaft! Weiß Carlotta schon Bescheid? «
»Nein, ich will es ihr nachher sagen. Ich bin so gespannt, wie sie es aufnehmen wird, ein kleines Geschwisterchen zu bekommen. Ich hoffe, sie weiß, dass sie immer mein kleiner Schatz bleibt… «
Iris wischte sich eine Träne aus dem Gesicht und sagte dann: »Ich bin sicher, dass sie sich freuen wird. Sie wirkt jetzt so glücklich und froh, ich glaube, sie hat die schlimmen Ereignisse mit ihrem Vater gut verarbeitet. «
Ich nahm mein Glas Orangensaft und prostete ihr zu:
»Darauf trinken wir jetzt. Alles ist gut! Jetzt muss ich aber langsam mal auf die Uhr schauen. «
Wir lagen gut in der Zeit, gleich müsste Onkel Hans kommen. Ich hatte ihn gebeten mich zum Standesamt zu bringen. Da ging die Tür auf und Carlotta kam hereingestürmt.
»Oh Mama, du siehst aber schön aus. «
»Danke, mein kleiner Engel. Hast du schon die Blütenblätter bekommen? «
»Ja, hier schau einmal. «
Ich ging in die Hocke und flüsterte ihr ins Ohr: »Ich habe dich so lieb mein Schatz, du bist mein Spatzenkind. Ich bin so froh, dass du heute dabei bist und umso mehr freue ich mich, dass du mich mit Onkel Hans zum Standesamt begleitest. «
»Klaro, du kannst doch nicht alleine gehen! «
Sie sagte es so souverän, dass ich um Fassung ringen musste um nicht zu weinen.
Ich war gerührt.
Hoffentlich hatte Iris Recht und meine Carlotta freute sich auch über die Nachricht ein Geschwisterchen zu bekommen und mein böser Traum von heute Nacht war kein böses Omen.
Es klopfte.
Carlotta stürmte zur Tür, da stand mein lieber Onkel Hans.
Schick hatte er sich gemacht, der Smoking saß perfekt.
Ich lief auf ihn zu.
»Schön, dass du da bist. Ich bin so gut wie fertig. «
Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
»Gehst du so mit mir zum Standesamt? «, fragte ich ihn.
»Meine kleine Kiki, du siehst wundervoll aus. Die Frage ist doch eher, ob ich dich begleiten darf. Ach Kind, ich freue mich so sehr diesen wichtigen Schritt gemeinsam mit dir zu beschreiten. «
»Danke, das bedeutet mir sehr viel! «
Die Rührung in diesem Moment stand uns beiden im Gesicht geschrieben. Wir drückten uns noch einmal. Dann zog ich meine Schuhe an und legte noch etwas Lippenstift auf, nahm meine kleine Tasche. Iris legte mir meinen Brautstrauß in die Hand. Ein wunderschöner Rosenstrauß gepaart mit kleinen Perlen, er sah aus wie ein kleines Kunstwerk.
Carlotta nahm ihr kleines Körbchen mit den Blütenblättern, Iris verabschiedete sich.
An der Tür drehte sie sich noch einmal um und formte mit ihren Händen ein Herz.
Auf dem Flur stand meine Mutter.
Sie kam auf mich zu, nahm mich in den Arm und flüsterte mir zu: »Meine Süße, genieße jetzt deinen Tag, alles ist gut. Ich habe dich lieb und wünsche dir ein Leben voller Glück und Liebe. Dein Maurice ist ein Glückskind, das er mit dir zusammen sein kann. «
»Danke, Mama. Ich habe dich auch lieb. Iris und Klaus nehmen dich jetzt mit, wir sehen uns gleich auf dem Standesamt. Mama, ich bin so aufgeregt… «, eine letzte Umarmung und dann nahm ich Carlotta auf der rechten Seite an die Hand und Onkel Hans an die Linke.
Martin wartete bereits am Eingang des Hotels auf uns.
Er öffnete die Türen des Wagens und ich stieg hinten ein, dann setzte sich Carlotta.
Onkel Hans nahm vorne Platz und Martin setzte sich auf den Fahrersitz.
»Wohin darf ich die Braut entführen? «, fragte er ganz schelmisch.
»Einmal ins Glück «, sagte ich freudig.
Nach kurzer Zeit kamen wir am Standesamt an.
Martin half mir aus dem Wagen und dann schritten wir gemeinsam in das Standesamt. Nur noch ein paar Stufen, dann standen wir vor der Tür.
»Kiki, bevor es nachher im Trubel untergeht. Du bist eine wundervolle Frau und ich wünsche dir alles Glück dieser Welt. Ich habe dich sehr lieb, meine Kleine! «
Ich drückte seine Hand, atmete noch einmal tief durch und dann öffnete Onkel Hans die Tür. Ich betrat den Raum und da sah ich ihn, meinen geliebten Maurice.
Er drehte sich langsam um und seine Augen sahen mich an. Ich bemerkte wie er nach Luft rang und seine Augen mich voller Wärme anschauten. Neben ihm stand sein Sohn Felix, er legte seinen Arm auf die Schulter seines Vaters und flüsterte ihm etwas ins Ohr.
Maurice nickte und sah sehr ergriffen aus.
Am liebsten wäre ich nach vorne gerannt, aber ich ging ganz langsam Schritt für Schritt bis ich vorne ankam. Mein Herz pochte wie wild und ich fragte mich, ob ich überhaupt ein Wort über die Lippen bringen könne, so aufgeregt wie ich war.
Onkel Hans nahm meine Hand und legte sie in die Hand von Maurice, Carlotta ging zu Felix und sagte:
»Meine Mama sieht aus wie ein Engel. «
Felix nahm ihr Händchen und nickte nur.
Der Standesbeamte, ein etwa fünfzigjähriger grauhaariger gemütlich wirkender Mann nahm erst einmal unsere Personalien auf. Dann sprach er eine Einleitung und darauf folgten einige Worte unseres Kennenlernens.
Meine Aufregung legte sich ein wenig und immer wenn ich dachte, gleich weinen zu müssen, drückte Maurice mir die Hand.
Dann sagte der Beamte zu Maurice:
»Und jetzt frage ich Sie, Maurice Unterseer, wollen Sie mit der hier anwesenden Chiara Schönfeld die Ehe eingehen, sie lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, dann antworten Sie mit ›Ja!‹ «
Maurice schaute mich mit einem tiefen Blick an und sagte laut und energisch:
»Ja, ich will für immer! «.
»Dann frage ich nun Sie, Chiara Schönfeld, geborene Bartel, wollen Sie mit dem hier anwesenden Maurice Unterseer die Ehe eingehen, ihn lieben und ehren in guten wie in schlechten Zeiten, dann antworten Sie mit ›Ja!‹ «
Ich blickte zu Maurice und sagte: »Ja! Ich will für immer! «
Der Standesbeamte nickte und ich hörte wie er sagte:
»Zum Zeichen ihrer Liebe stecken sie sich nun die Ringe an. «
Felix trat hervor und übergab Carlotta die kleine Schachtel mit den Ringen.
Maurice beugte sich zu Carlotta, nickte ihr zu und nahm den Ring.
Er steckte mir den Ring ganz vorsichtig an.
»Dieser Ring symbolisiert unsere Liebe, ich werde dich immer lieben und immer für dich da sein, solang ich lebe. Ich liebe dich! «
Mir schlotterten die Knie, Tränen schossen in mein Gesicht.
Dann beugte ich mich zu Carlotta und nahm den Ring um ihn Maurice anzustecken:
»Maurice, du und ich für immer. Du bist die Liebe meines Lebens. Du bist einfach wundervoll. Ich liebe dich! «
Die Worte des Standesbeamten drangen an mein Ohr.
»Nachdem Sie beide meine Frage mit ›Ja‹ beantwortet haben, erkläre ich Sie nunmehr kraft des Gesetzes zu rechtmäßig verbundenen Eheleuten. Sie dürfen die Braut küssen!!! «
Das ließ Maurice sich nicht zweimal sagen, er nahm meinen Kopf in seine Hände und küsste mich zart und liebevoll.
Im nächsten Moment brach ein lautes ›Juchhu‹ los und ich hörte unsere Gäste klatschen.
»Ein Hoch auf das Brautpaar, mögen sie immer so glücklich und verliebt sein wie heute! «, rief Martin in den Raum.
Der Standesbeamte legte uns die Heiratsurkunde vor und wir unterschrieben. Ich hatte schon die letzten Wochen heimlich geübt, damit ich ein schwungvolles ›Unterseer‹ hinbekomme. Danach gratulierte uns der Standesbeamte zur Vermählung.
»Sie sehen sehr glücklich aus. Ich wünsche Ihnen alles Gute zu ihrer heutigen Vermählung. «
Carlotta streckte uns ihre Ärmchen entgegen und sagte:
»Na endlich! Jetzt sind wir eine richtige Familie. «
Wir nahmen sie in unsere Mitte und gaben ihr abwechselnd einen Kuss auf die Wange und drückten und herzten sie.
Nach und nach kamen unsere Gäste auf uns zu und beglückwünschten uns.
Dann ging ich untergehakt mit Maurice nach draußen. Carlotta war schon mit Felix vor dem Standesamt und als wir die Stufen der Treppe nach unten gingen, streute sie mit Felix die Blumen.
Was für ein süßer Moment.
Sie strahlten beide über das ganze Gesicht.
Ich war so unendlich froh, dass unsere Kinder sich mit uns freuten.
Das war ein wunderbares Geschenk.
Dann sollten wir uns alle aufstellen, Iris hatte einen Fotografen organisiert und so wurden wir zusammen, alleine und mit unserer Familie und unseren Freunden abgelichtet.
Jetzt hieß es: »Partytime! «
Martin holte den Wagen.
Ich nahm meinen Brautstrauß und trat ein paar Schritte nach vorne.
Just in diesem Moment hörte ich ein Quietschen, dann schrie jemand, ich taumelte!
Der Wagen schoss lediglich ein paar Millimeter an mir vorbei. Als ich begriff was los war, hatte Maurice mich schon gepackt und auf den Bürgersteig gezogen. Ich verlor fast den Halt, taumelte, doch Maurice hielt mich ganz fest in seinen Armen.
Augenblicklich war es mucksmäuschenstill.
Man hätte eine Stecknadel fallen hören können.
Ich brachte kein Wort heraus, ich zitterte am ganzen Körper und musste sofort an meinen schrecklichen Albtraum denken.
War der Traum ein Zeichen?
Angst überfiel mich, Maurice schaute mich an.
»Ist alles okay, hast du dir wehgetan. Wollen wir lieber nach Hause? «
»Nein, es ist unser schönster Tag, den lass ich mir doch nicht durch einen unvorsichtigen Autofahrer nehmen, mir tut nichts weh. Ich bin nur durcheinander, vielleicht kann ich mich gleich im Hotel für einen Moment ausruhen. Ich muss dir etwas erzählen, aber nicht hier. Ich möchte es dir in Ruhe sagen. «
»Fahr mit Martin schon einmal vor! Schau da kommt er. «
»Und du? «
»Ich sag den anderen Bescheid! Pass auf dich auf! «
»Danke, mein Schatz! «
Ich sah seine besorgte Miene.
Maurice half mir in den Wagen und wechselte noch ein paar Worte mit Martin, dann fuhren wir los.
»Chiara, wie geht es dir? «, fragte Martin mit einfühlsamer Stimme.
»Mir ist zum Glück nichts passiert, aber erschrocken habe ich mich schon. Der Fahrer scheint seinen Führerschein ja im Lotto gewonnen zu haben «, wollte ich mit fröhlicher Stimme sagen, aber Martin bemerkte, dass ich mit meiner Fassung ring.
»Ich will dich nicht beunruhigen, Chiara, aber es war ein deutsches Kennzeichen. Den Fahrer konnte ich leider nicht erkennen, es ging alles so schnell. Ich wollte vorhin den Wagen holen und da sah ich das Auto stehen, habe mir aber nichts weiter dabei gedacht. Ich wollte gerade die Tür aufmachen, da sah ich aus dem Augenwinkel wie das Auto losbrauste. Ich dachte noch, welches Gespenst hat denn der Fahrer da gesehen. Dann hörte ich nur einen Schrei und das Auto war wieder weg. «
»Du meinst, da ist jemand absichtlich auf mich los? «
»Meine Hand würde ich nicht dafür ins Feuer legen, aber…ja, den Eindruck hatte ich! «
»Oh mein Gott, dann war der Traum eine Vorahnung. Hätte ich doch nur Maurice schon davon erzählt. «
Ich fing zu weinen an.
Martin lenkte den Wagen an die Seite und hielt an.
Er stieg aus und kam zu mir nach hinten.
»Chiara bitte beruhige dich, ich habe Maurice versprochen dich sicher zum Hotel zu bringen. Alles wird gut, du schöne Braut. Komm einmal her «, er drückte mich fest. »Mach dir keine Sorgen, Chiara, vielleicht habe ich mich auch geirrt. Was meinst du mit Vorahnung? «
Ich suchte in meinem Täschchen nach einem Taschentuch, bevor ich zu sprechen anfing.
»Heute Nacht hatte ich einen schrecklichen Albtraum. Die Bruchstücke, an die ich mich erinnere, haben sehr viel Ähnlichkeit mit dem Vorfall von vorhin. In meinem Traum bin ich der Länge nach mit meinem Brautkleid auf die Straße gefallen. Verstehst du jetzt, warum ich so durcheinander bin? «
Wieder überkam mich ein Schluchzen, «Peter sitzt doch immer noch im Gefängnis, oder? «, fragte ich Martin aufgewühlt.
Martin räusperte sich: »Soviel ich weiß bleibt er da noch die nächsten Jahre. Es tut mir so leid! «
Er drückte mich noch fester und ein weiterer Schwall Tränen brach aus mir heraus.
»Maurice weiß noch nichts davon? «, fragte er fürsorglich.
»Ich hatte noch keine Gelegenheit es ihm zu erzählen, es war ja erst heute Nacht! Martin, ich mache mir Sorgen! «
»Sprich erst einmal mit Maurice und dann schauen wir weiter, du weißt, dass er alles unternehmen wird um dich zu beschützen. Vielleicht war es doch nur ein böser Zufall. Heute ist euer schönster Tag und ihr habt ihn euch verdient. «
Er nahm ein neues Taschentuch aus der Packung und tupfte meine Tränen fort.
»Alles wird gut! «
Ich versuchte mich zu beruhigen und ermahnte mich das Gespräch mit Maurice abzuwarten. Die Angst, die mich die letzten Jahre begleitete, durfte nicht wieder in den Vordergrund meines Lebens treten.
»Danke, Martin. Lass uns fahren, sonst wundert sich Maurice und macht sich Sorgen. «
Martin stieg aus dem Wagen und begab sich auf den Fahrersitz. Er schaute in den Rückspiegel, nickte mir noch einmal zu und startete dann den Motor.
Die restliche Fahrzeit blieben wir stumm.
Als wir am Hotel ankamen, stand Maurice bereits auf der Straße. Martin stieg aus, sprach ein paar Worte mit ihm und dann öffnete Maurice die Tür und half mir aus dem Wagen. Noch immer arg angeschlagen ging ich mit ihm in das Hotel. Wir hielten uns fest an den Händen und sagten kein Wort. Als wir an der Tür unseres Zimmers standen, schaute mich Maurice ganz ruhig an.
Er zog mich an sich und küsste mich.
Dann öffnete er die Tür, legte seinen Arm unter meine Beine und hob mich über die Schwelle des Hotelzimmers. Vorsichtig ließ er mich herunter und schloss die Tür.
Ich fiel ihm um den Hals und mein Schluchzen fing erneut von vorne an. Er zog mich zur Sitzgruppe und wir setzten uns.
»Erzähle mir, was dich bedrückt. «
Ich schaute ihn durch meine verweinten Augen an und stammelte einige Worte. Maurice sah, wie mich alles mitnahm, und drückte meine Hand.
Dann erzählte ich ihm von meinem Traum in der letzten Nacht. Danach, dass, was Martin beobachtet hatte.
Maurice wirkte sehr beunruhigt, denn er ließ meine Hand nicht mehr los und sprach aber ganz ruhig mit mir, genau das liebte ich so an ihm. Er war der einzige Mensch, der imstande war mich zu beruhigen.
»Chiara, wir dürfen es nicht auf die leichte Schulter nehmen, aber wir sollten uns unser heutiges Fest auch nicht kaputt machen lassen. Unsere Hochzeit ist der krönende Abschluss unseres gemeinsamen Kampfes zusammen sein zu können. Ich hoffe, Martin irrt sich, aber ich spreche morgen einmal mit ihm. Mein Schatz, wenn du aber sagst, du magst jetzt nur deine Ruhe, dann sage ich natürlich den Gästen Bescheid. «
Ich drückte seine Hand. »Können wir einfach nur noch ein paar Minuten ganz ruhig sitzen? Dann würde ich gerne mit dir zusammen runtergehen und unser Fest feiern. Ich liebe dich so sehr und ich möchte…nein…ich will diesen unseren besonderen Tag mit dir feiern. «
Er nahm mich ganz fest in seine Arme, drückte mich an sein Herz.
Sein Herzschlag beruhigte mich sehr.
Sein Atem war ruhig und er roch so gut.
Ich schmiegte mich an ihn und genoss unsere Zweisamkeit.
Er räusperte sich: »Chiara, du hast mich heute zum glücklichsten Menschen der Welt gemacht und auch wenn wir weitere Hindernisse auf unserem gemeinsamen Weg haben werden, ich werde immer für dich da sein und dich beschützen. Du bist das Beste und Liebste für mich. «
»Maurice, du auch für mich, komm jetzt mache ich mich kurz frisch im Bad, bestimmt ist mein Make-up verlaufen. «
Ich erhob mich und ging in das Bad. So schlimm sah ich zum Glück nicht aus, ein bisschen Rouge hier, eine kleine Korrektur am Lidstrich und ich war wieder die glückliche Braut. Meine Augen waren zwar noch etwas gerötet, aber ich hatte den festen Vorsatz: Heute wird nicht mehr geweint und wenn, … dann nur noch Freudentränen.
Nach etwa zehn Minuten kam ich aus dem Bad und lief zu Maurice, der mittlerweile nachdenklich aus dem Fenster schaute.
»Maurice, lass uns feiern, bitte mache dir keine Sorgen. Wir werden das Rätsel lösen. Jetzt haben wir Spaß. Unsere Gäste warten schon. «
Maurice nickte mir zu und wir gingen hinunter zu unseren Gästen. Es war unverkennbar, die Stimmung war keineswegs mehr ausgelassen und fröhlich. Als wir in den Hof kamen, schauten wir in besorgte Augen und Mienen.
»Wir wollen gerne mit euch feiern. Es war ein ganz dummer Zwischenfall, aber zum Glück ist Chiara nichts passiert. Lasst uns den Tag so verbringen, wie wir uns das gewünscht haben, mit euch zusammen! «
Sie schauten uns an und nickten.
Wir nahmen an der großen Tafel Platz und die Kellner kamen mit der Vorspeise.
Langsam wich die angespannte Stimmung und es wurde auch wieder gesprochen und gelacht. Dennoch hatte dieser Zwischenfall die ausgelassene Stimmung getrübt.
Nach dem Essen ertönte ein Tusch und unser Hochzeitswalzer wurde angestimmt. Galant nahm Maurice meine Hand und wir liefen zur Tanzfläche. Wir drehten uns im Takt, alle Augen waren liebevoll auf uns gerichtet.
Als der letzte Takt des Liedes verstummte, holte Maurice Carlotta auf die Tanzfläche und der nächste Tanz gehörte den beiden.
Onkel Hans stand auf, nahm mich an die Hand und begann mit mir zu tanzen. Nach und nach füllte sich die Tanzfläche.
Eine gute Stunde später wurde die Hochzeitstorte mit funkensprühenden Wunderkerzen hereingebracht.
Wir schnitten sie an und langsam wurde auch ich wieder gelöster und machte wieder meine Scherze.
Heiße Rhythmen erklangen, wir tanzten und lachten.
Als Abschluss des Festes versammelten wir uns vor dem Hotel.
Klassische Musik ertönte und dann entlud sich ein gigantisches Feuerwerk über unseren Köpfen. Die Feuerwerkskörper erhoben sich zum Takt der Musik und es entstand eine einzigartige Symbiose am Himmel.
Es war ein unbeschreiblich schöner Augenblick, den ich tief in meinem Herzen einschloss. Danach löste sich die Gesellschaft langsam auf. Ich hatte gerade auf meinen Stuhl Platz genommen, als Caroline zu mir kam.
»Ich danke euch sehr, dass ich dabei sein durfte. Es war eine wunderschöne Hochzeit und ein ergreifendes Fest. Trotz der Widrigkeiten, die euch scheinbar auch jetzt noch begleiten, sehe ich, wie glücklich ihr seid. Behaltet dieses Gefühl. Ihr seid so ein schönes Paar und man sieht euch an eurer beiden Nasenspitzen an, wie sehr ihr euch liebt. «
Dankbar schaute ich sie an.
»Danke Caro. Das tat gut. Es war wunderschön. Ich hätte vorhin nicht gedacht, dass ich heute noch ein Lächeln auf meine Lippen bekomme. Ich muss das erst einmal alles verdauen, aber wir fahren für ein paar Tage in die Flitterwochen. Allein. Carlotta bleibt bei meiner Mutter. Iris, Klaus und Nancy bleiben auch hier, unterstützen meine Mutter und fahren sie zur Dialyse. «
Caro drückte meine Hand: »Das ist sehr gut. Ich freue mich so sehr für dich. Carlotta hat sich erholt, deine Mama ist wieder an deiner Seite und ihr könnt ein paar Tage ausspannen, bestimmt kommst du bald mit einer freudigen Botschaft! «
Ich schaute sie an, bat sie näher zu kommen und flüsterte ihr ins Ohr: »Die freudige Botschaft sag ich dir schon einmal. Ich bin schwanger! Wir bekommen ein Baby, aber sag noch nichts, ich muss es erst Carlotta sagen.«
Caro saß sprachlos vor mir.
»Du bist… «, ich machte nur: »Pscht! «
Sie drückte mich ganz doll und die Freude stand ihr im Gesicht geschrieben. Dann kamen nach und nach die verbliebenen Gäste zu mir und verabschiedeten sich. Carlotta hatte Martin voll im Beschlag und wollte partout nichts davon wissen, dass es langsam Schlafenszeit war.
Ich drückte sie ganz fest und dann ging sie mit meiner Mutter nach oben in ihr Zimmer.
Nach einer weiteren halben Stunde, saß ich mit Maurice allein an unserer Tafel.
Er goss sich ein Glas Rotwein ein und mir einen Orangensaft.
»Das war ein schönes Fest! Lass uns noch einmal anstoßen. «
Wir sprachen ein paar Worte, tranken und schauten in den Sternenhimmel.
Dann machten wir uns auf und gingen in unser Zimmer. Maurice half mir das Kleid auszuziehen und zog mich dann ganz vorsichtig an sich heran.
Endlich waren wir am Ziel unserer Träume!