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2 Das Zusammenwirken und gegenseitige Befruchten von VernunftVernunft, Wille und Herz und das geistig-intentionale affektive Leben der PersonPerson

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Wohl ist das ErkennenErkennen einer der tiefsten Wesenszüge der geistigen PersonPerson,1 doch ist es recht besehen eine Trias von geistigen Zentren, die im Menschen besteht: „VernunftVernunft, Wille und Herz (GefühlGefühl), die bestimmt sind zusammenzuwirken und einander zu befruchten“2. Vernunft, Wille und Herz sind ihm die „drei grundlegenden Zentren“, die „drei fundamentalen Fähigkeiten oder Wurzeln im Menschen“.3 Von HildebrandHildebrandDietrich von war jedoch nicht der erste Denker, der im Menschen verschiedene Vermögen oder Kräfte unterschied. Das tat – noch vor AugustinusAugustinus – bereits PlatonPlaton, indem er zwischen einem vernünftigen (logistikon), einem begehrlichen (epithimitikon) und einem zornmütigen (timoeides) Seelenteil unterschied.4

Von HildebrandHildebrandDietrich von sieht „das Geheimnis der menschlichen PersonPerson“ jedenfalls im Herzen bzw. im GefühlGefühl gelegen, „hier wird ihr innerstes WortWort gesprochen“.5 Der Ausdruck „Gefühl“ ist jedoch – ähnlich wie im Falle des oben besprochenen Begriffs der Erfahrung – alles andere als univok. Das liegt einmal daran, dass das Herz in der Geschichte der Philosophie weitgehend vernachlässigt und der VernunftVernunft und dem WillenWillen untergeordnet wurde. Auszunehmen ist davon aber zumindest Blaise PascalPascalBlaise, der unter anderem sagen konnte: „Das Herz und nicht die Vernunft nimmt GottGott wahr.“6 Auch Sören KierkegaardKierkegaardSören (1813–1855) hat in seinem programmatischen Hauptwerk Entweder-Oder vom Fühlen gesprochen. Er macht die ethische Reifung davon abhängig, ob „die PersönlichkeitPersönlichkeit mit ihrer ganzen Energie die Intensität der Pflicht gefühlt hat“7. „Die Hauptsache ist darum nicht, ob ein MenschMensch an den Fingern herzählen kann, wie viele Pflichten er hat, sondern dass er ein für allemal die Intensität der Pflicht so empfunden hat, dass das BewusstseinBewusstsein davon ihm die GewissheitGewissheit der ewigen Gültigkeit seines Wesens ist.“8

Den Hauptgrund der Diskreditierung des Herzens verortet von HildebrandHildebrandDietrich von „in der Loslösung der affektiven AntwortAntworttheoretische von dem motivierenden Objekt“9. Was sich gerade auch im Bereich der ReligionReligion zeigt. Sobald die religiösen Haltungen nämlich von ihrem Gegenstand abgelöst werden und die Frage nach der ExistenzExistenz Gottes beiseite geschoben und er als „blosses Postulat für den Genuss religiöser Gefühle“ betrachtet wird, „werden die religiösen AntwortenAntworten ihres wahren Sinnes und Gehaltes beraubt“.10 Das gibt zu erkennen, wodurch die Religion zur Unvernünftigkeit degradieren kann, es zeigt aber auch, dass die Vernünftigkeit der Religion ein intentionales, ein gegenstandgerichtetes Gefühlsleben bedingt.11

Zu den bedeutenden philosophischen Taten von Hildebrands ist auch seine Unterscheidung zwischen nichtgeistigen und geistigen Formen der AffektivitätAffektivität zu zählen. In grundlegender Weise differenziert er zwischen leiblichen und psychischen Gefühlen, was er mit dem Unterschied zwischen dem Kopfweh, dem Zahnschmerz, dem Wohlbehagen an einem warmen Bad, dem angenehmen GefühlGefühl des Ausruhens oder der körperlichen Erschöpfung einerseits und dem Kummer über ein tragisches Ereignis, der Lustigkeit oder der Depression andererseits veranschaulicht. Was die leiblichen Gefühle des Menschen betrifft, so haben sie einen anderen Charakter als die der Tiere. Obzwar es keine geistigen sind, sind es dennoch eindeutig personale. Auch wenn gewisse physiologische Vorgänge homolog verlaufen, so verlaufen sie im bewussten Leben des Menschen nichtsdestoweniger von der Wurzel her anders, sind sie doch „in die geheimnisvolle, tiefe Welt einer PersonPerson eingesenkt“ und werden „von diesem identischen Selbst erlebt“.12 Die psychischen Gefühle sind darüber hinaus noch subjektiver, sie „gehen mehr im SubjektSubjekt vor sich als die Körpergefühle“13. Sehr wohl können diese beiden Gefühlsarten koexistieren, so etwa ist der Einfluss der körperlichen Vitalität auf die psychische Stimmung ja geradezu feststellbar.

Von HildebrandHildebrandDietrich von unterscheidet die Gefühle sodann nach ihrer GeistigkeitGeistigkeit. Geistig sind ihm die Gefühle dann, wenn sie intentional sind, wie beispielsweise im Falle des Kummers über ein tragisches Ereignis. Sie sind es dann, wenn ihnen der Charakter einer AntwortAntworttheoretische zukommt, wenn sie in einer sinnvollen und bewussten Beziehung zu einem Gegenstand stehen. Dagegen sind nicht-intentionale Gefühle wie das Kopfweh oder das angenehme GefühlGefühl des Ausruhens spezifisch ungeistig. Zudem „werden psychische Zustände entweder durch körperliche oder psychische Vorgänge ‚verursacht‘, affektive Antwortenaffektive Antworten sind dagegen ‚motiviert‘“14. Doch besitzen nicht alle intentionalen affektiven AntwortenAntworten diese Geistigkeit. Ein Beispiel dafür ist etwa die Wut. Zwar ist die Wut für gewöhnlich motiviert und stellt eine AntwortAntworttheoretische auf etwas ganz Bestimmtes dar, womit sie eigentlich intentionale Züge trägt, doch ist sie trotzdem nicht in jedem Falle geistig. „Wenn sie durch ihre Intensität in ein ‚Den-Kopf-Verlieren‘ ausartet, stellt sie ein radikal Ungeistiges dar. Sie schaltet die VernunftVernunft und auch den klaren WillenWillen aus; sie paralysiert beide.“15 Dann hat sie sogar einen „geist-feindlichen Charakter“16.

Wichtig ist hier vor allem der Wesensunterschied zwischen den geistigen und den nichtgeistigen Formen der AffektivitätAffektivität. Wie gesehen, ist die GeistigkeitGeistigkeit einer affektiven AntwortAntworttheoretische nicht alleine durch ihre IntentionalitätIntentionalität gesichert, „sie erfordert darüber hinaus die für Wertantworten charakteristische TranszendenzTranszendenz“17. In der WertantwortWertantwort18 kommt es zu einem KonformierenKonformieren mit dem Wert, dem in sich Bedeutsamen, zu einer adaequatio cordis ad valorem. Es ist dies „einer der tiefsten Grundzüge der PersonPerson“19. Im selben Mass wie in der ErkenntnisErkenntnis kommt es in der affektiven Wertantwort zu einem Überschreiten der bloss subjektiven Bedürfnisse und Begierden. Doch reicht die der Wertantwort eigene Transzendenz noch weiter. „Indem unser Herz sich dem Wert angleicht, das in sich Bedeutsame uns ergreift, bildet sich eine EinheitEinheit, die über die im ErkennenErkennen liegende noch hinausgeht.“20 Das zeigt sich in aller Deutlichkeit an der affektivsten aller affektiven AntwortenAntworten, an der LiebeLiebe.21 In der Liebe ist die Person noch tiefer in die Vereinigung mit dem Objekt hineingezogen als in der Erkenntnis. Und doch erweist sich an der Liebe die „MitwirkungMitwirkung des Intellektes mit dem Herzen“22. Denn es ist ein ErkenntnisaktErkenntnisakt, in dem der Gegenstand der Liebe erfasst und es ist ein Erkenntnisakt, in dem sein Wert begriffen wird.

Etwas von dieser MitwirkungMitwirkung des Intellektes mit dem Herzen hat sich weiter oben bereits gezeigt, als das WertfühlenWertfühlen eingeführt wurde, das unmittelbare AffiziertwerdenAffiziertwerden vom Wert.23 Das erstens ein rezeptives Verhalten und zweitens die WirkungWirkung eines Erkannten ist, und zwar eine affektive Wirkung, das drittens ein ausgesprochen intentionales Erlebnis ist.24 Ohne dieses Affiziertwerden vom Wert – wie von HildebrandHildebrandDietrich von bereits in seiner Habilitationsschrift dargelegt hat – ist auch das ErkennenErkennen von Sachverhalten, die in dem betreffenden Gegenstand und seiner intrinsischen BedeutsamkeitBedeutsamkeit gründen, „nur in sehr beschränktem Masse möglich“25. Um ein Erkennen handelt es sich beim Wertfühlen jedoch allemal, denn wie sonst könnte man an dem axiomatischen SatzSatz, wie an dem notwendigen SachverhaltSachverhalt festhalten, dass nichts gewollt oder gefühlt werden kann, das nicht vorweg erkannt worden ist? Es handelt sich hierbei um eine Problemstellung, deren abschliessende Behandlung einer späteren Stelle vorbehalten bleibt. Nur andeutungsweise sei hier auf das anstehende Problem aufmerksam gemacht, das sich in die Frage fassen lässt, ob das Erkennen dem Wollen in jedem Falle vorhergeht oder ob es sich in gewissen Fällen auch so verhält, dass das Wollen dem Erkennen vorhergeht.26

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