Читать книгу Person und Religion - Ciril Rütsche - Страница 65

5.3.2 „Omne vivum ex vivo“

Оглавление

Wie DarwinDarwinCharles selbst schon bemerkt hatte, bestehen in der geologischen Kette der Fossilien Lücken. DawkinsDawkinsRichard versucht sie mit der Behauptung zu stopfen, dass trotz der Lücken „die Belege für die EvolutionEvolution, beispielsweise aus Molekulargenetik oder geografischer Verteilung, immer noch überwältigend stark“1 seien. Demgegenüber verweist von HildebrandHildebrandDietrich von auf die Doppeldeutigkeit der EvolutionstheorieEvolutionstheorie. Was er selbst dieser Theorie und den naturwissenschaftlichen Methoden im besten Falle zugesteht, ist, „dass es im Reich des Organischen einen kontinuierlichen Wachstumsvorgang von niedrigeren zu höheren Formen gibt“2. Doch wird von DarwinDarwinCharles ebenso wie von DawkinsDawkinsRichard und allen übrigen Evolutionisten die Tatsache übersehen, „dass ein solcher kontinuierlicher Entwicklungsprozess im Reich des Organischen auch nicht das Geringste für die von ihnen damit verbundene TheseThese besagen würde, dass niedrigere Formen in einer immanenten Entwicklung höhere ‚hervorbringen‘ könnten“3. Insofern diese These vertreten wird, handelt es sich um einen philosophischen IrrtumIrrtum. Die Veränderung des materiellen Seins ist kontingentkontingent und determiniert und setzt als UrsacheUrsache das absolute Sein Gottes voraus.

Von HildebrandHildebrandDietrich von unterscheidet die EvolutionstheorieEvolutionstheorie in zwei völlig verschiedene Thesen. „Die erste ist eine naturwissenschaftliche Hypothese, die annehmbar ist“, sofern es sich nicht um Wirklichkeiten handelt, die wesensverschieden sind, „zwischen denen es niemals kontinuierliche ‚Übergänge‘ geben kann“.4 In diesem ersten SinnSinn meint man mit EvolutionEvolution die Seinswerdung der Lebewesen (Ontogenese), die beobachtet werden kann. „Die zweite TheseThese ist ein rein philosophischer IrrtumIrrtum eines ImmanentismusImmanentismus und MaterialismusMaterialismus“5, der eben gerade darin besteht, dass die Realität der kontinuierlichen Übergänge behauptet wird, wie im Falle der immer wieder postulierten Höherentwicklung vom Affen zum Menschen. Wenn heute von Evolution gesprochen wird, dann bezieht man sich auf diesen zweiten Sinn, auf die Artbildung (Phylogenese). Dann aber hört die Evolutionstheorie auf, „eine wissenschaftliche Hypothese zu sein, und wird zu einer höchst unwissenschaftlichen IdeologieIdeologie – dem ‚EvolutionismusEvolutionismus‘“6.

Zwar entdeckte DarwinDarwinCharles die Veränderbarkeit der Arten durch die Umstrukturierung einer gemeinsamen DNA, d.h. des Biomoleküls, das Träger der Erbinformation oder der Gene ist. Doch fälschlicherweise wurde die geniale Anpassungsstruktur, die in den einzelnen Arten vorhanden ist, um sie vor dem Aussterben zu bewahren, von der Mikro- auf die Makroevolution übertragen. Die Makroevolution steht im Unterschied zur Anpassung an sich verändernde Umstände für die Neukonstruktion von etwas vorher nicht Vorhandenem, von qualitativ neuen Genen, wie z.B. die Entstehung des Lebendigen oder die Entwicklung des Einfachen zum Komplexen. Doch während die Mikroevolution, bei der keine qualitativ neue Gene entstehen, bewiesen werden kann, wurden ihre Ergebnisse ohne Beweise einfachhin auf die Makroevolution übertragen. Und das, obwohl Gregor MendelMendelGregor (1822–1884) die Ergebnisse seiner Forschungen 1866 unter dem Titel Versuche über Pflanzen-Hybride veröffentlichte. Er erkannte, dass die VererbungVererbung durch zahlreiche Gene gesteuert wird (den Ausdruck „GenGen“ kannte er zu seiner Zeit allerdings noch nicht, er wurde erst 1909 vom dänischen Biologen Wilhelm JohannsenJohannsen eingeführt), wobei es von jedem Gen zwei Ausführungen gibt: eine herrschende (dominante) und eine untergeordnete (rezessive). Im Falle der Vererbung setzen die dominanten sich jeweils gegen die rezessiven Gene durch, wodurch die Arten letztlich konstant bleiben. Darum, so der bekannte Anatom und Humanembryologe Erich BlechschmidtBlechschmidtErich (1904–1992), entwickelt auch der MenschMensch sich nicht zum Menschen, sondern als Mensch.7 Ohnehin kann am Beginn alles Seienden nicht die tote MaterieMaterie gestanden haben, denn vor der Materie mussten die NaturgesetzeNaturgesetze existieren, nach denen die Materie sich auferbaut und erhält. Das aber heisst, dass am Beginn die Information war, der GeistGeist, denn die Naturgesetze sind ja nichts Materielles, sondern etwas Geistiges.

Wie DescartesDescartesRené in seinen Meditationen betonte, sind die Irrtümer einzig darin fundiert, dass „der Wille weiter reicht als der VerstandVerstand, ich jenen nicht in dessen Grenzen einschliesse, sondern ihn auch auf das erstrecke, was ich nicht einsehe“8. Obwohl DarwinDarwinCharles selbst kein Atheist war, gaben Thomas Henry HuxleyHuxleyThomas Henry (1825–1895) und Ernst HaeckelHaeckelErnst (1834–1919) der Theorie von Beginn weg atheistische Implikationen. Denn dass es nichts anderes als das Nichtsein Gottes ist, was mit dieser Theorie nachzuweisen versucht wird, liegt offen zutage. Soll doch gerade die EinsichtEinsicht untergraben werden, dass nur ein persönlicher GottGott der Schöpfer des Lebens und der Personen sein und nur ein allmächtiges und unendlich intelligentes Sein alle Seienden, vom Bakterium bis zu den Elefanten, hervorgebracht haben kann.

Für den US-amerikanischen Philosophen Thomas NagelNagelThomas (1937-), der einen Atheismus vertritt, in dem er die EvolutionstheorieEvolutionstheorie ebenso ablehnt wie den Gottesgedanken, sind die evolutionären Thesen jedenfalls ein „Beispiel für die Tendenz, eine Theorie, die anderswo erfolgreich war, heranzuziehen, um sie auf etwas anzuwenden, was man gerade nicht versteht“9. Das zeige sich an der Verwendung des einschlägigen Wortes „überlebenswert“, das „in unseren Tagen eine magische Formel für alles und jedes“ sei, „von der EthikEthik bis zum Verständnis der Sprache“.10 Zwar räumt er Darwins Theorie der natürlichen Selektion ein, vielleicht erklären zu können, „warum WesenWesen mit visueller Wahrnehmung oder mit der Fähigkeit zum logischen Schliessen überleben werden, doch sie erklärt nicht, warum das Sehen selbst oder das logische Schliessen möglich werden“11. Die Theorie der natürlichen Selektion erklärt eben nicht Möglichkeiten als solche, „sondern immer nur die Selektion aus einem vorgegebenen Bereich von Möglichkeiten“12. NagelNagelThomas sieht deutlich, wie in der Evolutionstheorie alles von der Unterstellung abhängt, „dass schlechterdings jedes bemerkenswerte Merkmal menschlicher oder anderer Organismen auch eine darwinistische Erklärung haben müsse“13. „Doch welchen Grund gibt es eigentlich dafür, an so etwas zu glauben?“14 Warum eigentlich zwingt man die Entwicklung „mit wenig wahrscheinlichen Spekulationen, die in keiner Weise durch Daten abgesichert sind“, unter das Gesetz, dass die natürliche Selektionnatürliche Selektion alles und jedes erklärt?15 Weil man es hier mit einem jener einflussreichen Glaubenssätze zu tun hat, „die offensichtlich in der intellektuellen Luft liegen, die wir gegenwärtig atmen“16.

Dass es sich bei der von DawkinsDawkinsRichard behaupteten „EvolutionEvolution der ReligionReligion“17 um einen ebensolchen Glauben handelt, welcher in der Religion nicht eine die ImmanenzImmanenz transzendierende interpersonale Beziehung zwischen MenschMensch und GottGott sieht, sondern ein Nebenprodukt bzw. eine Fehlfunktion eines im Kampf ums DaseinKampf ums Dasein eigentlich nützlichen Mechanismus, bedarf im Grunde keiner weiteren Erklärung. Der Bestand des notwendigen und intelligiblen Sachverhalts, den sowohl Johann Wolfgang von GoetheGoetheJohann Wolfgang von mit seinem WortWort „Leben erst muss Leben geben“18 wie auch Louis PasteurPasteurLouis mit seinem bekannten Ausdruck Omne vivum ex vivo (alles Leben kommt aus dem Leben) zur Sprache gebracht haben, den die Evolutionstheoretiker jedoch ignorieren,19 wird im nächsten Punkt mit einigen philosophischen Argumenten untermauert werden.20 Mit ihnen wird einsichtig gemacht, warum die geistige PersonPerson nicht die WirkungWirkung materieller Ursachen sein kann, wie die Evolutionisten suggerieren.

Im Übrigen hatte schon PlatonPlaton zu seiner Zeit sich mit den ähnlich gelagerten „Erklärungen“ des AnaxagorasAnaxagoras (500–428 v. Chr.) auseinandergesetzt, der behauptete, dass die VernunftVernunft die UrsacheUrsache von allem sei, was entsteht, besteht und vergeht. Nachdem ihm dessen Erklärung des Werdens, Bestehens und Vergehens zuerst als richtig erschienen sei, habe er sie später wieder verwerfen müssen. Denn es sei offenkundig mangelhaft, wenn jemand zu ihm sagen würde, dass er alles, was er tue, aufgrund der Vernunft tue, und dann als Ursache für dieses Tun eine Fähigkeit des Körpers angäbe. So sei der Grund, weswegen er an der Stelle sitze, weil sein Leib aus Knochen und Sehnen bestehe, die Knochen dicht und voneinander geschieden und die Sehnen so gerichtet seien, dass sie angezogen und nachgelassen werden könnten. Und da die Knochen von den Gelenken getragen würden, bewirkte das Anziehen und Nachlassen der Sehnen, dass er seine Glieder bewegen könne, und das sei der Grund, weswegen er hier sitze. Das hiesse nichts anderes, als nicht zwischen der eigentlichen Ursache und der blossen Mitursache zu unterscheiden.21

Auch Gottfried Wilhelm LeibnizLeibnizGottfried Wilhelm (1646–1716) wandte sich, die EvolutionstheorieEvolutionstheorie gleichsam antizipierend, gegen die allzu materialistischen Philosophen, „die alles der materiellen NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive [necessité] oder einem gewissen Zufall [hazard] zuschreiben“, und „zur Erklärung der Phänomene nur der materiellen Eigenschaften [sich] bedienen“.22

Die EvolutionstheorieEvolutionstheorie steht wieder da, wo BaconBaconFrancis die grosse Erneuerung der Wissenschaften ins Leben rief: beim Teil. Damals wie heute konnte und kann der MenschMensch nicht leugnen, dass der Teil integral zu seiner Lebenswelt gehört und auch er selbst aus Teilen besteht. Dass der Mensch jedoch nicht nur der Teile bedarf, hat sich seit dem 19. Jahrhundert immer deutlicher gezeigt. Seit jener Zeit tritt der existentiell-anthropologische BeweisBeweis immer deutlicher ins allgemeine BewusstseinBewusstsein, dass der Mensch sein Dasein als sinnvoll erfahren muss, wenn er leben will. SinnSinn kann er aber nur dann erfahren, wenn er sich einem grösseren sinnvollen Ganzen sich selbst überschreitend angleicht. Denn auch der Mensch ist seinem WesenWesen nach eben nicht nur eine Komposition von Teilen, sondern selbst eine Ganzheit, die das ihr angemessene Leben nur aus der Sinnfülle selbst, der vollkommenen PersonPerson empfangen kann – omne sensum ex sensu. Mit anderen Worten: Das eigene Dasein wird nur dann als sinnvoll, bedeutsam und lebenswert erfahren, wenn der betreffende Mensch sich nicht mit dem zufrieden gibt, was nur für ihn wichtig ist, sondern sich vielmehr an dem orientiert und auf die je angemessene Weise zu beantworten sucht, was ihm mit einer BedeutsamkeitBedeutsamkeit gegenübertritt, die die Welt seines eigenen Lebens und seiner eigenen Wichtigkeiten übersteigt.

Person und Religion

Подняться наверх