Читать книгу Person und Religion - Ciril Rütsche - Страница 64
5.3 Richard DawkinsDawkinsRichard und der „Neue Atheismus“ 5.3.1 Thesen und BegründungBegründung
ОглавлениеVor dem Hintergrund des Aufweises der Erkennbarkeit Gottes und der Widerlegung der Thesen Ludwig Wittgensteins sei der Stimme von Richard DawkinsDawkinsRichard (1941-) Gehör geschenkt, der sich mit seiner im Jahre 2006 erstmals im englischen Original erschienen Monografie The God Delusion (Der Gotteswahn) gegen die theistischen Religionen und insbesondere gegen die drei abrahamitischen Religionen gewandt hat. Sein Buch gilt seither als einer der Haupttexte des „Neuen Atheismus“. DawkinsDawkinsRichard’ zentrale TheseThese, die im Rahmen dieser Untersuchung relevant ist, lautet, dass die ReligionReligion „ein unglückliches Nebenprodukt einer grundlegenden psychologischen Neigung“ sei, „die unter anderen Umständen nützlich sein kann oder früher einmal nützlich war“.1 Wie aber begründet er diese Behauptung, die der auf den vergangenen Seiten dargelegten und philosophisch wohlbegründeten Lehre diametral entgegengesetzt ist?
DawkinsDawkinsRichard Schrift ist in zehn Kapitel gegliedert, von denen in diesem Abschnitt die Kapitel drei bis sieben thematisiert werden. Im dritten Kapitel beschäftigt er sich unter anderem mit den klassischen Argumenten für die ExistenzExistenz Gottes, und kritisiert an den bekannten fünf Wegen des Thomas von AquinThomas von Aquin, „dass GottGott selbst gegen die Regression immun ist“2. Dabei geht es ihm um die in die unendliche Regression verlaufende Frage nach dem Ursprung Gottes, nach dem Gestalter des Gestalters. „Die Lösung ‚Gott‘ beendet also nicht die unendliche Regression, sondern verstärkt sie ganz gewaltig.“3 Das ontologische ArgumentArgument bezeichnet er sodann als das „kindische Argument“, aus dem „aus trickreichen Wortverdrehungen grossartige Schlussfolgerungen hervorgehen sollen“.4 Er bekundet „ein automatisches, tiefes Misstrauen gegenüber jedem Gedankengang, der zu einer derart bedeutsamen SchlussfolgerungSchlussfolgerung gelangt, ohne dass auch nur eine einzige ErkenntnisErkenntnis aus der WirklichkeitWirklichkeit dazu beigetragen hätte“5. Vielleicht, wie er eingestehen muss, „zeigt das einfach nur, dass ich kein Philosoph bin, sondern NaturwissenschaftlerNaturwissenschaftler“6, womit er gerade da positioniert ist, wo auch GauniloGaunilo stand. Hatte DawkinsDawkinsRichard die Argumente des Thomas von Aquin immerhin noch dahingehend kritisieren können, dass doch auch Gott einer AntwortAntworttheoretische auf das Woher bedarf, so bringt er keinerlei Verständnis mehr auf dafür, dass „Existenz […] ein Zeichen für VollkommenheitVollkommenheit“7 ist.
Auch weiss er mit der EinfachheitEinfachheit Gottes nichts anzufangen. „Ein GottGott, der ständig den Zustand jedes einzelnen Teilchens im Universum überwacht und kontrolliert, kann nicht einfach sein. Seine ExistenzExistenz erfordert schon als solche eine ungeheuer umfangreiche Erklärung.“8 Hieran zeigt sich DawkinsDawkinsRichard Unverständnis für die philosophische MethodeMethode ebenso wie sein szientistischer Zugang, denn wesentlich einfacher als die empirische ist die philosophische Erkenntnismethode. Während diese nämlich auf das Erfassen des Wesens des Seienden abzielt, geht jene beobachtend um das Seiende herum. Während die NaturwissenschaftenNaturwissenschaften von vielen BeobachtungenBeobachtungen auf das betreffende Arturteil schliessen, bedarf die Philosophie nicht des Vielerleis an Einzelbeobachtungen. Sie kann das SoseinSosein prinzipiell an einem einzigen Beispiel erfassen. Auch Maurice BlondelBlondelMaurice wusste darum, dass das Sein umso mehr inneren Reichtum hat, je mehr es eins ist.9
Die Suche nach einem ArgumentArgument für die ExistenzExistenz Gottes ist für DawkinsDawkinsRichard insgesamt ein BeweisBeweis dafür, dass das BewusstseinBewusstsein der betreffenden Personen noch nicht erweitert wurde. „[D]er grösste wissenschaftliche Bewusstseinserweiterer, den es je gab“, ist ihm „Darwins Theorie der EvolutionEvolution durch natürliche Selektionnatürliche Selektion“.10 Die Theorie der natürlichen Selektion geht auf Charles DarwinDarwinCharles (1809–1882) zurück, der mit seiner 1859 in London erstmals erschienen Schrift On the origin of species by means of natural selection, or the preservation of favoured races in the struggle for life nachzuweisen suchte, dass die Entstehung der Arten auf dem Wege der Evolution vonstatten geht. DawkinsDawkinsRichard wiederum nennt die natürliche Selektion einen „allgemeinen Prozess zur Optimierung biologischer Arten“11 bzw. „eine additive Einbahnstrasse in Richtung der Verbesserung“12. Über den UrknallUrknall13, die VererbungVererbung und den Kampf ums DaseinKampf ums Dasein, welchen das am besten angepasste Individuum überlebt und sich fortpflanzt, verläuft der Prozess der Entstehung und der Entwicklung der Lebewesen von niederen zu höheren Arten. Von da her ist es auch zu verstehen, dass DawkinsDawkinsRichard sich am unendlichen Regress stösst, da ihm jedes Lebewesen eine naturwissenschaftlich greifbare UrsacheUrsache haben muss.
Wenn er von da her auch von einer „EvolutionEvolution der ReligionReligion“14 spricht und diese von der darwinistischen Theorie her zu erklären versucht, dann fragt er nach dem Druck, den die natürliche Selektionnatürliche Selektion ausgeübt hat, „sodass die Hinwendung zur Religion begünstigt wurde“15. Da in der darwinistischen Selektion eine erbarmungslose Nützlichkeit vorherrscht und jegliche Verschwendung strikte vermieden wird, „muss jedes allgemein verbreitete Merkmal einer Spezies – auch die Religion – dieser Spezies einen gewissen Vorteil verschafft haben, sonst hätte es nicht überlebt“16. Auch bei der „Evolution der Religion“ geht DawkinsDawkinsRichard von den Vorzügen der natürlichen Selektion aus, die er in der „Fähigkeit zum Überleben und zur Verbreitung“17 sieht. Nach seiner eigenen Ansicht über den darwinistischen Überlebenswert ist die Religion „ein Nebenprodukt von etwas anderem“18. Wenn die Religion aber, wie eingangs erwähnt, „ein unglückliches Nebenprodukt einer grundlegenden psychologischen Neigung“ sein soll, „die unter anderen Umständen nützlich sein kann oder früher einmal nützlich war“,19 was ist dann dieses andere? Nach DawkinsDawkinsRichard, ein eigentlich nützlicher Mechanismus, von dem die Religion „eine Fehlfunktion“20 sei.
In groben Zügen ist an dieser Stelle auch auf seinen Erklärungs- und Begründungsversuch „der memetischen Theorie der ReligionReligion“21 einzugehen, nach der die Replikatoren, d.h. die codierten Informationen, die – nach dem Musterbeispiel eines Gens – exakte Kopien ihrer selbst erzeugen,22 welche sich kulturell replizieren und vererben. Nach DawkinsDawkinsRichard sind die Meme, „die allein nicht unbedingt gute Überlebensfähigkeit besitzen“, in Memplexe gruppiert, in denen sie erhalten blieben.23 Auf dieser Grundlage versucht DawkinsDawkinsRichard auch die Sprachevolution verständlich zu machen, nach der infolge der Veränderung des ersten Vokals sich auch andere hätten wandeln müssen, auf dass Zweideutigkeiten vermieden wurden. „In diesem zweiten Entwicklungsstadium wurden Meme vor dem Hintergrund bereits vorhandener Mempools selektiert und bildeten einen neuen Memplex aus untereinander verträglichen Memen.“24 Von da her versucht er auch die ExistenzExistenz der Religion so zu begründen, dass sie nur „wegen ihrer absoluten ‚Leistung‘ oder wegen ihrer Verträglichkeit mit dem vorhandenen Memplex“25 erhalten geblieben sei.
Auch wenn von einem Teil nicht auf das Ganze geschlossen werden kann, so wird der erste Eindruck, den diese Theorie erweckt, durch ein anderes WortWort nur bestärkt, nach dem auch die NächstenliebeNächstenliebe eine Fehlfunktion sei. Ein Wort, welches DawkinsDawkinsRichard „in einem streng darwinistischen SinnSinn“ gebrauche und „keinerlei Abwertung“ beinhalte.26 Unweigerlich entsteht bei diesem Verdrehen der WahrheitWahrheit der Eindruck, als sei der antike SophismusSophismus wiedererstanden. Was Grund genug ist, die EvolutionstheorieEvolutionstheorie insgesamt einer philosophischen Kritik zu unterziehen. Diese rechtfertigt sich auch von da her, dass diese Theorie eindeutig naturalistischnaturalistisch und materialistischmaterialistisch ist und zahlreiche philosophische Prämissen enthält, die sie selbst nicht zu begründen weiss, wie z.B. den wesentlichen Unterschied zwischen Apersonalem und Personalem.