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4.1 Das ArgumentArgument in der Darlegung durch AnselmAnselmvon Canterbury von Canterbury

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Das ist die grosse Frage, die die Philosophen seit jeher beschäftigt: Kann die ExistenzExistenz Gottes aus seinem WesenWesen erkannt werden? Wurzeln einer bejahenden StellungnahmeStellungnahme finden sich bei PlatonPlaton (427–347 v. Chr.)1 ebenso wie bei AugustinusAugustinus (354–430)2 oder bei BoethiusBoethius (etwa 480–524). Bei Letzterem findet sich unter anderem der zukunftsträchtige Gedanke, dass GottGott etwas ist, „über das hinaus es kein Besseres gibt“, ja sich „nichts Besseres als Gott ausdenken lässt“.3 AnselmAnselmvon Canterbury von Canterbury (1033–1109) hat diesen Gedanken in seiner Schrift Proslogion zu einem eigentlichen ArgumentArgument entwickelt, das seit Immanuel KantKantImmanuel als ontologischer GottesbeweisGottesbeweis bezeichnet wird.4 Die einschlägige Stelle aus dem genannten Werk von AnselmAnselmvon Canterbury von Canterbury sei in der Folge zitiert, um das Argument gründlich bedenken zu können:

So denn, Herr, der Du die Glaubenseinsicht schenkst, gib mir, soweit Du es für nützlich erachtest, dass ich verstehe, dass Du bist, wie wir es glauben, und dass Du das bist, was wir glauben. Und zwar glauben wir, dass Du etwas bist, über das hinaus nichts Grösseres gedacht werden kann [aliquid quo nihil maius cogitari possit]. Oder ist etwa ein solches WesenWesen nicht, weil der Tor in seinem Herzen gesprochen hat: Es ist kein GottGott? Wenn aber eben derselbe Tor eben das hört, was ich sage, nämlich etwas, über das hinaus nichts Grösseres gedacht werden kann, so versteht er ganz gewiss, was er hört, und was er versteht, ist in seinem Verstande, auch wenn er nicht versteht, dass dies ist. Eines nämlich ist es, wenn eine Sache im Verstande ist, etwas anderes, wenn man versteht, dass eine Sache ist. Wenn nämlich ein Maler zuvor denkt, was er ausführen wird, hat er [es] zwar im Verstande, aber er versteht noch nicht, dass das, was er noch nicht geschaffen hat, sei. Hat er es aber bereits gemalt, so hat er es sowohl im Verstande als auch versteht er, dass das, was er bereits geschaffen hat, ist. So wird also auch der Tor überzeugt, dass etwas, über das hinaus nichts Grösseres gedacht werden kann, zumindest im Verstande ist, weil er das versteht, wenn er es hört; und was auch immer verstanden wird, ist im Verstande. Und gewiss kann das, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, nicht allein im Verstande sein. Denn wenn es nur im Verstande allein ist, so kann man denken, es sei auch in der WirklichkeitWirklichkeit, was grösser ist. Wenn also das, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, im Verstande allein ist, so ist eben das, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, dasjenige, über das hinaus Grösseres gedacht werden kann. Das aber kann mit Sicherheit nicht der Fall sein. Es existiert also ohne ZweifelZweifel etwas, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, [und zwar] sowohl im Verstande als auch in der Wirklichkeit.5

Ja, das ist schlechterdings so wahrhaft, dass auch nicht einmal gedacht werden kann, es sei nicht. Denn man kann denken, dass etwas sei, von dem man nicht denken kann, es sei nicht; das [jedoch] ist grösser als dasjenige, von dem man denken kann, es sei nicht. Wenn man deshalb von dem, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, denken kann, es sei nicht, dann ist das, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, nicht das, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann; das [aber] kann nicht zusammenstimmen. So also ist wahrhaft etwas, über das hinaus Grösseres nicht gedacht werden kann, derart, dass man nicht einmal denken kann, es sei nicht. Und das bist Du, Herr, unser GottGott. So wahrhaft bist Du also, Herr mein Gott, dass Du auch nicht einmal als nicht seiend gedacht werden kannst.6

Die VernunftVernunft findet in sich selbst, so der Ausgangspunkt des Arguments, die Idee des höchsten Wesens vor. AnselmAnselmvon Canterbury spricht von dem, im Vergleich zu dem nichts Grösseres (nihil maius7) und nichts Besseres (nihil melius8) gedacht werden kann. Und nicht nur das: GottGott ist nicht nur derjenige, im Vergleich zu dem nichts Grösseres und nichts Besseres gedacht werden kann, er ist auch grösser als was überhaupt gedacht werden kann.9 Was er unter dem Grösser näherhin verstanden wissen will, erläutert AnselmAnselmvon Canterbury etwas später in derselben Schrift:

Allein, was also bist Du, Herr und GottGott, über den hinaus nichts Grösseres gedacht zu werden vermag? Was bist Du, wenn nicht das, was, alles überragend, allein durch sich existiert [und] alles andere aus dem Nichts geschaffen hat? Was nämlich dies nicht ist, ist weniger, als man denken kann. Das aber kann man von Dir nicht denken. Welches GutGutdas also fehlt dem überragenden GutGutdas, durch das jedes GutGutdas ist? Darum bist Du gerecht, wahrhaftig, selig und alles, was besser ist zu sein, als nicht zu sein [quidquid melius est esse quam non esse]. Denn es ist besser, gerecht zu sein, als nicht gerecht, selig, als nicht selig.10

Das Grösser ist also eine axiologische Qualität, demnach GottGott „etwas ist, das alles überragt, über das hinaus nichts Besseres [nihil melius] gedacht werden kann“11. Er vereinigt all das in seinem WesenWesen, was zu sein „absolut besser [absolute melius]“ ist, „als nicht zu sein“.12 Entscheidend ist der „BegriffBegriff ‚Wesen, das alle Vollkommenheiten in sich enthält‘“13. In diesem und nur in diesem einzigartigen Falle des Wesens, das alle Vollkommenheiten in sich enthält, ist die wirkliche ExistenzExistenz eine VollkommenheitVollkommenheit. Existierte dieses Wesen nämlich bloss in Gedanken, so wäre es nicht das vollkommenste WeseWesenn, denn es könnte ja ein Wesen gedacht werden, das nicht nur in Gedanken, sondern auch in WirklichkeitWirklichkeit existiert. Das aber wäre dann ein vollkommeneres Wesen, als ein nur in Gedanken existierendes. Folglich existiert das vollkommene Wesen nicht nur in Gedanken, sondern auch in Wirklichkeit.

Bei diesem Gedankengang setzt AnselmAnselmvon Canterbury freilich nicht voraus, dass das abschliessende VerstehenVerstehen des Wesens dessen, über den hinaus nichts Grösseres und nichts Besseres gedacht werden kann, überhaupt möglich ist. Er setzt nur soviel voraus, wie er in seiner Erwiderung auf die Einwände Gaunilos – einem Zeitgenossen Anselms, deren Kritik im nächsten Punkt behandelt werden wird – klarstellt, dass vom WesenWesen Gottes soviel verstanden wird, wie für das Verständnis dieses Gedankenganges vonnöten ist. „Wenn du [GauniloGaunilo] nun behauptest, das, was nicht ganz und gar verstanden sei, sei so gut wie nicht verstanden und nicht im Verstande, dann behaupte auch, dass derjenige, der das reinste Licht der Sonne nicht anschauen kann, das Tageslicht nicht sieht, das nichts anderes ist als das Sonnenlicht.“14

Doch grundsätzlich gefragt: Wie will man überhaupt denkerischen Zugang zum WesenWesen Gottes erhalten? Ist nicht jede Rede von GottGott anthropomorphanthropomorph, wie XenophanesXenophanes es den alten Mythen und Ludwig FeuerbachFeuerbachLudwig der christlichen ReligionReligion vorgeworfen haben?

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