Читать книгу Person und Religion - Ciril Rütsche - Страница 59
5.1.5.3 Die einzigen Momente eines adäquaten Gottesbegriffs
ОглавлениеBei den göttlichen Eigenschaften kann es sich nicht um anthropomorphe Vorstellungen handeln. Und das nicht alleine deswegen, weil die göttlichen Eigenschaften unerfindbar-notwendig sind, sondern auch deswegen, weil sie aus der defizitären Welt nicht abgeleitet werden können. Womit der Grund gelegt ist, um dem von FeuerbachFeuerbachLudwig abgelehnten ontologischen Gottesbeweisontologischer Gottesbeweis – id quo maius nihil cogitari possit – wieder in sein Recht zu verhelfen. Feuerbach hat ja behauptet, dass die Ineinssetzung von Gottes ExistenzExistenz und WesenWesen nur ein vom Wesen des menschlichen Verstandes abgezogener BegriffBegriff sei.1 Was er deswegen behauptet hat, „weil nur die Existenz der VernunftVernunft Vernunft ist; weil, wenn keine Vernunft, kein BewusstseinBewusstsein wäre, alles nichts, das Sein gleich Nichtsein wäre“2. Die Gebrechlichkeit dieses Arguments liegt offen zutage, denn einerseits kann die notwendige reale Existenz ebensowenig wie die EwigkeitEwigkeit aus dem Bereich des Endlichen abgeleitet werden, andererseits hat er den Kern des ontologischen Arguments damit gerade nicht erfasst. Das ontologische ArgumentArgument zielt auf die EinsichtEinsicht, dass GottGott aufgrund seiner unendlichen personalen und sittlichen VollkommenheitVollkommenheit notwendigerweise existiert, ja nur als Existierender vollkommen ist. Dagegen ist es evident, dass die menschliche Vernunft nicht notwendigerweise existieren muss; verwiesen sei nur auf einen Tyrannen, der mithilfe seiner Vernunft vieles getan hat, was er besser nicht getan hätte, sodass es für die Betroffenen eine Erleichterung sein wird, wenn sie Kenntnis von seinem TodTod erhalten.
FeuerbachFeuerbachLudwig, der der ErkenntnisErkenntnis des Sachverhalts der notwendigen ExistenzExistenz des vollkommenen Wesens nahe stand, sie aber aus Gründen, die weiter unten noch zu beleuchten sind, nicht erlangt hatte, hätte nicht bestreiten können, dass EwigkeitEwigkeit, UnendlichkeitUnendlichkeit und AllmachtAllmacht – um seine oben genannten Eigenschaften wieder aufzunehmen –, werden sie als Prädikate des göttlichen Wesens gedacht, sich gegenseitig nicht ausschliessen, sondern gegenseitig verträglich sind.3 Das wird durch die Eigenschaft der VollkommenheitVollkommenheit nur bestätigt. Ewigkeit, Unendlichkeit, Allmacht und Vollkommenheit grenzen sich gegenseitig nicht aus, vielmehr weisen sie eine gegenseitige Harmonie und Verträglichkeit auf, die solcherart ist, dass sie erst in der EinheitEinheit mit allen anderen im vollen Masse sie selber sind. Mit einem Beispiel: Ewigkeit ohne Unendlichkeit ist keine Ewigkeit. Hierein fügen sich auch die von Feuerbach angeführten Eigenschaften der GerechtigkeitGerechtigkeit, der LiebeLiebe, der WeisheitWeisheit oder der GüteGüte. Auch sie sind mit der Unendlichkeit, der Ewigkeit usw. verträglich, ja sind erst in der Einheit mit allen anderen wahrhaft sie selber. Und ist irgendeine Eigenschaft mit einer anderen nicht verträglich, so handelt es sich bei der einen oder der anderen oder vielleicht auch bei beiden mit Sicherheit nicht um Attribute des vollkommenen Wesens.
Die von FeuerbachFeuerbachLudwig angeführten Eigenschaften sind jedoch nicht nur gegenseitig verträglich, Feuerbach, der über nicht gering zu schätzende philosophisch-theologische Kenntnisse verfügte, wollte sie bestimmt auch in dem Sinne verstanden wissen, in dem AnselmAnselmvon Canterbury von Canterbury die göttlichen Eigenschaften verstanden hat, nämlich, dass sie zu haben oder zu sein absolut besser ist als sie nicht zu haben oder nicht zu sein.4
Diese formalen Merkmale genügen, um zu verdeutlichen, dass FeuerbachFeuerbachLudwig sich in seinen anthropologisch-theologischen Ausführungen ausnahmslos auf solche Eigenschaften bezogen hat, die die Tradition als reine Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten bezeichnet.5 Seien dies nun exklusiv göttliche Eigenschaften wie die EwigkeitEwigkeit oder die AllmachtAllmacht, oder seien dies Eigenschaften wie die GerechtigkeitGerechtigkeit, die BarmherzigkeitBarmherzigkeit, die LiebeLiebe, die WeisheitWeisheit oder die GüteGüte, welche auch den Menschen zukommen, von ihnen allen handelt Feuerbach, ohne zu bemerken, dass der ständig drohende und allüberall in der Welt zu beobachtende Verlust der ExistenzExistenz nur dem zukommen kann, was unvollkommen ist. Beim vollkommenen WesenWesen dagegen sind Sein und Wesen identisch, ja müssen identisch sein, denn vollkommen ist nur das WesenWesen, das den Grund seiner Existenz in sich selber hat, und das ist eben gerade seine VollkommenheitVollkommenheit.6