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5.1.5 Kritik an Feuerbachs ReligionskritikReligionskritik

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Warum ist GottGott nichts anderes als eine menschliche Vorstellung? Weil, so FeuerbachFeuerbachLudwig, die Gott zugeschriebenen Eigenschaften (LiebeLiebe, WeisheitWeisheit, GüteGüte, VerstandVerstand, ExistenzExistenz, WesenWesen1, HeiligkeitHeiligkeit, GerechtigkeitGerechtigkeit, BarmherzigkeitBarmherzigkeit2) Eigenschaften des Menschen sind.

Du glaubst an die LiebeLiebe als eine göttliche Eigenschaft, weil du selbst liebst, du glaubst, dass GottGott ein weises, ein gütiges WesenWesen ist, weil du nichts Besseres von dir kennst als GüteGüte und VerstandVerstand, und du glaubst, dass Gott existiert, dass er also SubjektSubjekt oder Wesen ist […], weil du selbst existierst, selbst Wesen bist.3

Doch warum eigentlich ist FeuerbachFeuerbachLudwig sich dessen gewiss, dass diese Eigenschaften exklusiv menschliche sind? Was gibt ihm die GewissheitGewissheit, dass es sich hierbei nicht um primär göttliche Eigenschaften handelt, an welchen der MenschMensch als Geschöpf Gottes teilhat bzw. teilhaben kann und soll? Die Begründungen, mit denen Feuerbach seine Behauptungen zu stützen sucht, sind weder hinreichend noch überzeugend. Denn warum soll etwa der folgenden Behauptung zugestimmt werden: „Eine Eigenschaft ist nicht dadurch göttlich, dass sie GottGott hat, sondern Gott hat sie, weil sie an und für sich selbst göttlich ist, weil Gott ohne sie ein mangelhaftes WesenWesen ist“4? Feuerbach hat deutlich erfasst, dass es sich bei den göttlichen Eigenschaften um Vollkommenheiten handelt, welche in beschränktem Masse auch im Menschen realisiert sind. Zugleich aber hat er erfasst, dass diese Eigenschaften Gott in ihrer reinsten FormForm zukommen. Alleine der GlaubeGlaube überwindet nach ihm diesen Graben, alleine der Glaube personifiziert und vergegenständlicht diese Eigenschaften in ihrer reinsten und personifizierten Form. Womit wieder eine seiner schlecht begründeten Behauptungen im Raume steht: Denn warum kann die Reinform einer VollkommenheitVollkommenheit nicht anders als eine menschliche Setzung sein? Müsste nicht zumindest auch die Möglichkeit in Betracht gezogen werden, dass das Mehr an objektiver Realität (realitas objectiva), d.h. die Reinform der im Menschen nur beschränkt realisierten Vollkommenheiten, in der UrsacheUrsache vorhanden ist? Kann diese Ursache jedoch überhaupt weltimmanent sein, muss sie nicht vielmehr transzendent, ja göttlich sein?

FeuerbachFeuerbachLudwig gibt im Übrigen selbst darüber Auskunft, weswegen ihn nichts von seiner Überzeugung hat abbringen können, dass GottGott ein AnthropomorphismusAnthropomorphismus, eine menschliche Vorstellung ist. Zwar bezeichnet er es als „eine Ausrede“, „man könne vom Übersinnlichen nichts wissen“.5 „Man weiss nur dann nichts von Gott und göttlichen Dingen, wenn man von ihnen Nichts mehr wissen mag.“6 Denn: „Wofür das Herz offen, das ist auch dem VerstandVerstand kein Geheimnis.“7 Und als wären diese Worte noch nicht klar genug, fährt er im unmittelbaren Anschluss daran weiter, indem er die Folgen der voluntativen Abwendung wie folgt umreisst:

So verlor denn auch die Menschheit in neuerer Zeit nur deswegen die Organe für die übersinnliche Welt und ihre Geheimnisse, weil sie mit dem Glauben an sie auch den SinnSinn für sie verlor, weil ihre wesentliche Tendenz eine antichristliche, antitheologische, d.h. eine anthropologische, kosmische, realistische, materialistische Tendenz war.8

Hat FeuerbachFeuerbachLudwig vielleicht Kenntnis erhalten von Schellings in den Jahren 1831/32 erstmals gehaltenen Vorlesungen über die Philosophie der OffenbarungOffenbarung? Ist er auf seine Worte aufmerksam geworden: „Wie der MenschMensch, so seine Philosophie – oder wie die Philosophie des Menschen, so er selbst“9? Ja, hat sich Feuerbach das von SchellingSchellingF.W.J. tradierte uralte AxiomAxiom10 zu Herzen genommen, „dass das Erkennende wie das Erkannte, und das Erkannte wie das Erkennende“11 ist?

Wie immer es sich hiermit verhalten mag, mit seinen zuletzt genannten Worten lässt FeuerbachFeuerbachLudwig jedenfalls tief in sein Innenleben blicken. Da er sich im Klaren darüber zu sein scheint, dass das intellektuelle Vermögen des voluntativen Beitrags bedarf, sind seine Behauptungen und Begründungen als Bekenntnis zu werten, diesen voluntativen Beitrag nicht aufzubringen. Letztlich interessiert hier aber nicht Feuerbachs Willensrichtung – davon wird weiter unten zu handeln sein12 –, sondern die göttliche Sache an sich selbst. Sie soll in der Folge in den Blick genommen und methodisch freigelegt werden. Dazu ist in erster Linie der Nachweis erforderlich, dass die Sinne nicht alleine die Wahrnehmung von kontingenten Gegenständen ermöglichen, sondern die Sinneswahrnehmungen vielfach Hand in Hand gehen mit der Wahrnehmung von Notwendigem. Es wird sich zeigen, wie der MenschMensch bei der – nicht bloss analytischen, sondern synthetischen – ErkenntnisErkenntnis eines notwendigen Objektes eine GewissheitGewissheit erlangen kann, die den von Feuerbach eingeforderten KonsensKonsens als WahrheitskriteriumWahrheitskriterium13 als unangemessen und erzwungen erscheinen lässt. Was allerdings nicht so verstanden sein will, dass tatsächlich alle Menschen die die Sinnlichkeit übersteigenden Erkenntnisse mit EvidenzEvidenz erlangen. Denn dazu bedarf es immer auch des bereits erwähnten voluntativen Beitrags. Wenngleich gewisse Erkenntnisse auch ohne ihn erlangt werden können, so handelt es sich dabei immer um neutrale Objekte. Sobald es sich jedoch um bedeutsame Objekte handelt, ist der voluntative, der intellektöffnende Beitrag unabdingbar. Wenn diese Nachweise sich erbringen lassen, werden Feuerbachs sensualistische Fundamente von selbst einstürzen und den Weg zu einer BegründungBegründung der objektiven ExistenzExistenz Gottes freigeben.

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