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5.2.1 Sprache und WahrheitWahrheit

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Auf welcher wissenschaftstheoretischen Basis WittgensteinWittgensteinLudwig steht, zeigt sich etwa da, wo er vom Glauben an GottGott handelt: „Was immer der GlaubeGlaube an Gott sein mag, es kann kein Glaube an etwas sein, das wir nachprüfen oder durch Nachschauen herausfinden können.“1 Damit gibt er seine Zugehörigkeit zum sogenannten Wiener KreisWiener Kreis unmissverständlich zu erkennen, deren Mitglieder eine dezidiert empiristische und antimetaphysische Tatsachenforschung betrieben.2 Ein Mitglied war auch der weiter oben3 eingeführte Willard Van Orman QuineQuineWillard Van Orman, dessen naturalisierte ErkenntnistheorieErkenntnistheorie Wittgensteins denkerischen Hintergrund offen legt. QuineQuineWillard Van Orman ging davon aus, „dass jegliche BedeutungsgebungBedeutungsgebung für Wörter letztlich auf BeobachtungenBeobachtungen basieren muss“4, welche selbst wiederum eine empirische Grundlage in der „Reizung der SinnesrezeptorenSinnesrezeptoren“ haben.5

Von da her ist auch Wittgensteins an die ReligionReligion gerichteter Unsinnigkeitsvorwurf zu verstehen. Fällt sie ihm doch gerade deswegen aus dem Rahmen der Wissenschaftlichkeit, weil sie die GewissheitGewissheit ihrer Sätze weder nachprüfen noch durch Nachschauen herausfinden könne. Seine ReligionskritikReligionskritik begründet WittgensteinWittgensteinLudwig mitunter auch dadurch, dass die religiöse Sprache ohnehin beständig Gleichnisse verwende. „Doch ein Gleichnis muss ein Gleichnis für etwas sein. Und wenn ich eine Tatsache mit Hilfe eines Gleichnisses beschreiben kann, muss ich ebenfalls imstande sein, das Gleichnis wegzulassen und die Fakten ohne es zu beschreiben.“6 Doch sobald das Gleichnis weggelassen und die zugrunde liegende Tatsache zu beschreiben versucht wird, „merken wir, dass es gar keine derartigen TatsachenTatsachen gibt. Und so scheint, was zunächst wie ein Gleichnis wirkte, nichts weiter zu sein als UnsinnUnsinn“7. UnsinnigUnsinnig sind die Sätze für WittgensteinWittgensteinLudwig im Übrigen dann, wenn sie keine Verbindung mit einem Ding der – empirisch verstandenen – WirklichkeitWirklichkeit herstellen, währendem sie sinnlossinnlos in all jenen Fällen sind, in denen sie unabhängig von Sachverhalten in der Wirklichkeit wahr oder falsch sind, wie beispielsweise bei Kontradiktionen oder TautologienTautologien.8 „Danach können Sätze nur dadurch SinnSinn haben, weil und indem sie empirische Erkenntnisse herstellen.“9 So deckt sich das Gebiet der sinnvollen Sprache mit den Sätzen der NaturwissenschaftNaturwissenschaft, mit dem einzig Sagbaren.10 Doch wenn die Rede über die Naturwissenschaft die einzig sinnvolle Rede ist, so sei kritisch gefragt, sind dann auch alle seine einschlägigen Schriften Unsinn? Wenn er in diese Richtung auch zu tendieren scheint,11 so kann innerhalb der Grenzen der Naturwissenschaft jedenfalls nicht bestimmt werden, dass nur die naturwissenschaftlichen Sätze sinnvoll sind.12

Nicht anders als konsequent, weist er in seiner positivistischen Sichtweise das ontologische ArgumentArgument ebenso zurück wie GauniloGaunilo.13 „Das WesenWesen Gottes verbürge seine ExistenzExistenz“, wie er mit dieser Aussage konfrontiert ist, stellt er eine Frage, die der antimetaphysischen Linie gemäss ist, wie sie im Wiener KreisWiener Kreis vertreten wird: „Könnte man denn nicht auch sagen, das Wesen der Farbe verbürge ihre Existenz?“14 Wie sich weiter oben erwiesen hat, lässt sich die notwendige Existenz des vollkommenen Wesens aus seinem Wesen erkennen.15 Dass WittgensteinWittgensteinLudwig das ontologische Argumentontologische Argument auf die Farbe überträgt, demnach auch bei der Farbe das Wesen die Existenz verbürge, lässt auch bei ihm ein immanentistisches WeltbildWeltbild durchscheinen. Wenn ihm auch klar ist: „Ein GottesbeweisGottesbeweis sollte eigentlich etwas sein, wodurch man sich von der Existenz Gottes überzeugen kann“, und „dass die Gläubigen, die solche Beweise lieferten, ihren ‚Glauben‘ mit ihrem VerstandVerstand analysieren und begründen wollten“, so steht da nichtsdestotrotz ein WortWort, mit dem er die EmpirieEmpirie zu übersteigen scheint und das als SoseinserfahrungSoseinserfahrung gelesen werden kann, nämlich, dass „sie selbst durch solche Beweise nie zum Glauben gekommen wären“.16 Vielmehr könne nur das Leben „zum Glauben an GottGott erziehen“, wobei es „auch Erfahrungen [seien], die dies tun; aber nicht Visionen, oder sonstige Sinneserfahrungen, die uns die ‚Existenz dieses Wesens‘ zeigen, sondern z.B. Leiden verschiedener Art“.17 Nur „das Leben kann uns diesen BegriffBegriff aufzwingen“18.

Was aber ist und wo findet sich eigentlich der SinnSinn? Die grundlegende AntwortAntworttheoretische findet sich in der bereits erwähnten Stelle aus der Einleitung seines Tractatus, wo es heisst, dass der UnsinnUnsinn jenseits der Grenze der Sprache liege, was zugleich heisst: Der Sinn liegt innerhalb des Rahmens der Sprache. WittgensteinWittgensteinLudwig bezeichnet das „Bild von dem WesenWesen der menschlichen Sprache“, indem er darauf verweist, dass die Wörter Gegenstände und die Sätze Verbindungen von solchen Benennungen sind.19 „In diesem Bild von der Sprache finden wir die Wurzeln der Idee: Jedes WortWort hat eine Bedeutung. Diese Bedeutung ist dem Wort zugeordnet. Sie ist der Gegenstand, für welchen das Wort steht.“20 Das Bild der Sprache ebenso wie jedes andere Bild bestehe darin, „dass sich seine Elemente in bestimmter Weise zueinander verhalten“21. Und was das Bild darstelle, sei sein Sinn.22 Wobei es Sinn nur insoweit habe, als es denk- und sagbar sei. Zudem stimme das Bild mit der WirklichkeitWirklichkeit überein oder nicht, sei es richtig oder unrichtig, wahr oder falsch.23 Wobei die WahrheitsdifferenzWahrheitsdifferenz der Sprache, das heisst ihre Fähigkeit, zwischen wahren und falschen Aussagen zu unterscheiden, sich nicht auf die Welt bezieht, sondern auf ihre logische FormForm.

Das Bild der WirklichkeitWirklichkeit, so wie sie gedacht werde, sei der SatzSatz.24 „Der Satz stellt das Bestehen und Nichtbestehen der Sachverhalte dar.“25 Der SachverhaltSachverhalt wiederum ist ihm „eine Verbindung von Gegenständen“26: „Ein Name steht für ein Ding, ein anderer für ein anderes Ding und untereinander sind sie verbunden, so stellt das Ganze – wie ein lebendes Bild – den Sachverhalt vor.“27 Dem Sachverhalt kommt bei WittgensteinWittgensteinLudwig jedoch nicht dieselbe Bedeutung zu, die ihm bei von HildebrandHildebrandDietrich von und den anderen Realistischen Phänomenologen zukommt, denn während dem Sachverhalt hier die FormForm des a-Seins oder des nicht a-Seins eines B zukommt, identifiziert WittgensteinWittgensteinLudwig ihn mit dem Satz. Dass er damit allerdings keinen angemessenen Zugang zur WahrheitWahrheit hat, zeigen einige seiner Formulierungen, dann aber auch die Analyse der Wahrheit – im Sinne der UrteilswahrheitUrteilswahrheit – selbst.

Mit der WahrheitWahrheit ist nach WittgensteinWittgensteinLudwig der SatzSatz verwoben,28 wobei der Satz insofern wahr oder falsch sein kann, als er ein Bild der WirklichkeitWirklichkeit ist.29 Wird wahr und falsch dabei jedoch als Übereinstimmung mit der Wirklichkeit zu verstehen gesucht, hat es für WittgensteinWittgensteinLudwig „etwas Irreführendes, weil es ist, als sagte man ‚es stimmt mit den TatsachenTatsachen überein oder nicht‘, und es sich doch gerade frägt, was ‚Übereinstimmung‘ hier ist“30. Aussagekräftig ist dann vor allem auch die folgende Stelle: „Wie die Beschreibung einen Gegenstand nach seinen externen Eigenschaften, so beschreibt der Satz die Wirklichkeit nach ihren internen Eigenschaften.“31 Das heisst: „Der Satz konstruiert eine Welt mit Hilfe eines logischen Gerüstes und darum kann man am Satz auch sehen, wie sich alles Logische verhält, wenn er wahr ist.“32 Damit gibt er die Grundzüge seines Denkens deutlich zu erkennen, nämlich einerseits den EmpirismusEmpirismus mit seiner Behauptung, dass die Sinneswahrnehmung die einzige Quelle der ErkenntnisErkenntnis sei, andererseits die Analyse dieser Sinnesdaten bis hin zu einer Verselbständigung des Logischen. „Notwendige Wahrheit“, wie Hacker klarstellte, „ist immer eine Sache logischer NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive, und die logische NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive ist unabhängig davon, wie es sich in der Welt gerade verhält.“33 „Einen Zwang, nach dem Eines geschehen müsste, weil etwas anderes geschehen ist, gibt es nicht.“34

AristotelesAristoteles hatte die WahrheitWahrheit noch im Sinne der der Sache angemessenen Aussage definiert: „Zu sagen nämlich, das Seiende sei nicht oder das Nicht-Seiende sei, ist falsch, dagegen zu sagen, das Seiende sei und das Nicht-Seiende sei nicht, ist wahr.“35 WittgensteinWittgensteinLudwig, der den Metaphysikern noch vorgeworfen hatte, ihr „Anrennen gegen die Wände unseres Käfigs [sei] völlig und absolut aussichtslos“36, scheint selbst im logischen Gehäuse der Sprache gefangen gewesen zu sein. Von da her suchte er die GewissheitGewissheit auch nicht ausserhalb des logischen Raumes, sondern in den abstrakten Wissenschaften. Schon HumeHumeDavid schied die Erkenntnisse ja bekanntlich in apriorische und aposteriorische, wobei die aus der Erfahrung gewonnenen Erkenntnisse TatsachenTatsachen betreffen und apriorisch nur diejenigen der LogikLogik und der MathematikMathematik gewonnen werden.37 Dem tat es WittgensteinWittgensteinLudwig gleich, indem er die Gewissheit nicht im Reich „der relativen Unsicherheit von Erfahrungssätzen“38 suchte, sondern in dem der Logik und der Mathematik.

In den Philosophische[n] Untersuchungen gab WittgensteinWittgensteinLudwig die Reduktion der Sprache auf die naturwissenschaftliche Sprache auf und ersetzte sie durch die Sprachspiele. Nun war es ihm der Gebrauch der Sprache, durch den die Wörter sinnvoll werden, wobei ihm die Regelmässigkeiten der Sprache den Gewohnheiten, Traditionen und Bräuchen entstammen. Wenn die Regelmässigkeiten der Sprache aber in den geschichtlich entstandenen und damit relativen Verhaltens-, Sprech- und Argumentationsweisen gründen, dann handelt es sich um „geregelte Formen des Sprechens, die sich an keiner Sache und an keiner VernunftVernunft ausweisen können und deshalb ganz einfach als ‚zufällig‘ gelten müssen“39. Wenn WittgensteinWittgensteinLudwig auch sagt, er führe „die Wörter von ihrer metaphysischen, wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück“40, so bleibt es nichtsdestotrotz eine offene Frage, warum die Alltagssprache die eigentliche Norm, die Metasprache sein soll.

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