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4.3 Die Einwände gegen das ontologische ArgumentArgument durch Thomas von AquinThomas von Aquin und Immanuel KantKantImmanuel

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Zu den namhaftesten Kritikern sind aus erkenntnistheoretischer Sicht Thomas von AquinThomas von Aquin und Immanuel KantKantImmanuel zu rechnen. Während Thomas von Aquin – im Anschluss an GauniloGaunilo – die Möglichkeit der unmittelbaren Erkennbarkeit Gottes verneinte und nur die Möglichkeit der mittelbaren ErkenntnisErkenntnis zu begründen wusste, war GottGott auch nach KantKantImmanuel nicht unmittelbar zu erkennen. Doch hielt er ihn auch auf indirektem Wege nicht für erkennbar, vielmehr reduzierte er ihn – wie gesehen – auf ein blosses Postulat, d.h. auf eine theoretische Annahme, um sittliche TatsachenTatsachen verstehen zu können.

Thomas wendet sich in seiner theologischen Summe ausdrücklich, wenn auch nicht unter Nennung des Namens, gegen Anselms ArgumentArgument. Wie GauniloGaunilo, so hält auch er das ontologische Argumentontologische Argument für einen unerlaubten Schritt aus der Denk- in die Seinsordnung. Denn

auch zugegeben, dass jedermann unter dem Ausdruck ‚GottGott‘ ein WesenWesen verstehe, über das hinaus nichts Grösseres gedacht werden kann, so folgt daraus noch nicht, dass man dieses durch den Namen ‚Gott‘ bezeichnete Wesen auch als wirklich seiend erkenne, sondern nur, dass es sich in unserem Denken findet.1

„Da wir aber gerade das, was GottGott ist, mit dem GeistGeist nicht begreifen können, bleibt es in Bezug auf uns unerkannt.“2 Denn man müsse die bezeichnete Sache und den begrifflichen Gehalt des Wortes auf derselben Ebene ansetzen.3 Angesichts dessen, dass der MenschMensch nachweislich die Möglichkeit hat, Erkenntnisse über transzendente Wirklichkeiten zu erlangen,4 erscheint das zuletzt genannte Postulat des Thomas von AquinThomas von Aquin zumindest als problematisch.5 An dieser Stelle sei sein Gedankengang immerhin bis zu der Stelle weiter entwickelt, an der seine Absicht offen zutage tritt. Der Mensch, so Thomas, könne Gott „nicht in ihm selbst schauen […], sondern nur in seinen Wirkungen [ex effectibus], und der somit nur durch Schlussfolgern [ratiocinando] zur ErkenntnisErkenntnis, dass Gott ist, geführt wird“6. „Daher muss der Mensch durch die in den Wirkungen entdeckten Ähnlichkeiten zur GotteserkenntnisGotteserkenntnis auf dem Wege der SchlussfolgerungSchlussfolgerung gelangen.“7

Mit diesen Schlussfolgerungen bezieht er sich auf die bereits erwähnten fünf Wege (quinque viae). Bei allen steht am Anfang die Konstatierung eines kontingenten Seienden, von wo aus deren UrsacheUrsache erschlossen wird. Beim ersten Weg wird von der Feststellung, dass sich etwas bewegt, auf einen ersten Beweger geschlossen. Beim zweiten geht er von der Feststellung aus, „dass es in der sichtbaren Welt eine Über- und Unterordnung von Wirkursachen gibt“8, was ihn zur Annahme einer ersten Wirkursache führt. Beim dritten – weiter oben behandelten9 – Weg führt ihn die Feststellung des Unterschieds von möglichem und notwendigem Sein zu dem Sein, das den Grund seiner NotwendigkeitNotwendigkeitsubjektive in sich selber hat. Der vierte Weg führt über die Feststellung, „dass das eine mehr oder weniger gut, wahr, edel ist als das andere“10 zur Erschliessung der Ursache aller Vollkommenheiten, die unter den Menschen nur begrenzt vorhanden sind. Der fünfte Weg geht aus von der Weltordnung, und zwar von den Dingen, die keine ErkenntnisErkenntnis haben und dennoch auf ein festes ZielZiel hin tätig sind. Was er dadurch erwiesen sieht, „dass sie immer oder doch in der Regel in der gleichen Weise tätig sind und stets das Beste erreichen“11. „Die vernunftlosen WesenWesen sind aber nur insofern absichtlich, d.h. auf ein Ziel hin tätig, als sie von einem erkennenden geistigen Wesen auf ein Ziel hingeordnet sind, wie der Pfeil vom Schützen.“12

Auf diesen fünf Wegen wird der MenschMensch „durch Schlussfolgern zur ErkenntnisErkenntnis, dass GottGott ist, geführt“13. Sei es nun das Erstbewegende oder die erste Wirkursache, sei es das in sich notwendige oder das vollkommene Sein, sei es das geistig-erkennende WesenWesen, das alle Naturdinge auf ihr ZielZiel hinordnet, immer werde es „von allen ‚Gott‘ genannt“14. Mit diesem aposteriorischen Vorgehen bezieht er sich offensichtlich nicht auf AnselmAnselmvon Canterbury, der das Dasein Gottes aus seinem Wesen zu erkennen suchte.15 Vielmehr basiert er mit seinen fünf Wegen auf dem Wissenschaftsbegriff der Zweiten Analytiken des AristotelesAristoteles. Für Aristoteles ist die WissenschaftWissenschaft ein auf unmittelbar einsichtigen, unbeweisbaren Prämissen aufgebautes deduktives System von Aussagen. Unbeweisbar meint, dass die Prämissen nicht die KonklusionKonklusion eines Schlusses sein können, sondern unmittelbar eingesehen werden müssen. Neben den einsichtigen Prämissen muss die Wissenschaft noch zwei weitere Voraussetzungen machen, die sie ebenfalls nicht beweisen kann: Sie muss die Bedeutung der Wörter kennen, die sie verwendet, und sie muss die ExistenzExistenz der Gegenstände annehmen, auf die sie sich bezieht. Diese zweite Voraussetzung will Thomas mit den fünf Wegen als gegeben erweisen.16

Was Immanuel Kants Umgang mit dem ontologischen ArgumentArgument betrifft, so hat sich weiter oben einerseits bereits gezeigt, dass und warum seine ErkenntnistheorieErkenntnistheorie die Erlangung metaphysischer Erkenntnisse verhindert, andererseits auch, dass er aus menschlich-existentieller Sicht nicht umhin konnte, die ExistenzExistenz Gottes zumindest auf ein Postulat, auf eine ForderungForderung der praktischen VernunftVernunft zu reduzieren. Nichtsdestotrotz sei der Grund, weswegen er das ontologische Argumentontologische Argument verwirft, in der Folge angeführt, da er – gleich wie in erkenntnistheoretischer Hinsicht – mit seinen Irrtümern die negativen Voraussetzungen geschaffen hat.17 Denn hätte er das absolut gewisse ErkennenErkennen nicht auf die FormForm reduziert, so wäre auch der Anstoss unterblieben, nach dem AprioriApriori auch im Materialen zu forschen. Desgleichen in Bezug auf das ontologische Argument. Auch bei der BegründungBegründung der Existenz Gottes lag offensichtlich einiges im Argen. Wohl sei „eine Namenserklärung von diesem BegriffBegriff ganz leicht, dass es nämlich so etwas sei, dessen Nichtsein unmöglich ist, aber man wird hierdurch um nichts klüger“18.

Wie für die genannten Vorgänger der Kritik am ontologischen ArgumentArgument, so folgt das Dasein Gottes auch für KantKantImmanuel nicht aus dessen SoseinSosein. So ist es auch nur insofern notwendig, dass ein Triangel drei Winkel hat, als ein Triangel da ist, denn nur dann „sind auch drei Winkel (in ihm) notwendiger Weise da“19. „Einen Triangel setzen und doch die drei Winkel desselben aufheben, ist widersprechend; aber den Triangel samt seinen drei Winkeln aufheben, ist kein WiderspruchWiderspruch.“20 Ebenso sei es auch mit „dem Begriffe eines absolutnotwendigen Wesens bewandt“21. „Wenn ihr das Dasein desselben aufhebt, so hebt ihr das Ding selbst mit allen seinen Prädikaten auf; wo soll alsdenn der Widerspruch herkommen?“22

Der Gedankengang Anselms ebenso wie die fünf Wege des Thomas von AquinThomas von Aquin sind für KantKantImmanuel analytische Sätze. Es sind ihm TautologienTautologien, bei denen das, was im BegriffBegriff Gottes enthalten ist, bloss erläutert wird. Bekanntlich ist es KantKantImmanuel jedoch nicht um analytische, sondern um synthetische Erkenntnisse zu tun. Um Erkenntnisse also, die einen gegebenen Begriff nicht bloss erläutern – d.h. analysieren und ihn in seine Bestandteile zerlegen –, sondern einen anderen Begriff, der im ersteren nicht enthalten ist, als notwendig zu ihm gehörig erfassen.23 Es ist evident, dass die Existentialerkenntnisse von dieser wissenserweiternden Art sind. Nach KantKantImmanuel sind die philosophischen Erkenntnisse jedoch nicht nur synthetischsynthetisch, sie sind überdies auch apriorisch, ihre Quellen liegen also jenseits der Erfahrung – der inneren wie der äusseren.24 Da die Anschauung und die Begriffe für KantKantImmanuel die Elemente einer jeden ErkenntnisErkenntnis ausmachen,25 die Anschauungen des Menschen jederzeit sinnlich sind26 und Gottes Dasein nun einmal nicht sinnlich angeschaut werden kann, so ist es aufgrund dieser Prämissen nichts als folgerichtig, wenn er dem ontologischen ArgumentArgument eine „Verwechslung eines logischen Prädikats mit einem realen“27 anlastet. Worin KantKantImmanuel mit dem erwähnten Standpunkt von Franz von KutscheraKutscheraFranz von übereinstimmt. Auch er ging mit den zitierten Kritikern einig, dass es sich beim ontologischen Argument um einen unberechtigten Sprung aus der Denk- in die Seinsordnung handelt, da das Dasein Gottes in seinem SoseinSosein nicht erkannt werden könne.

„Unser BegriffBegriff von einem Gegenstande mag also enthalten, was und wie viel er wolle, so müssen wir doch aus ihm herausgehen, um diesem die ExistenzExistenz zu erteilen.“28 Bei den Objekten der Sinne geschehen die entsprechenden Wahrnehmungen nach empirischen Gesetzen, „aber für Objekte des reinen Denkens ist ganz und gar kein Mittel, ihr Dasein zu erkennen, weil es gänzlich a prioria priori erkannt werden müsste“29.

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