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4.6 Was spricht eigentlich dafür, dass die WerteWerte in GottGott gründen, ja brauchen die Werte überhaupt einen SeinsgrundSeinsgrund? – Einige Gedanken zum werttheoretischen GottesbeweisGottesbeweis

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Wenngleich von HildebrandHildebrandDietrich von GottGott als „die GüteGüte, die WahrhaftigkeitWahrhaftigkeit, die GerechtigkeitGerechtigkeit, die LiebeLiebe“1 bezeichnet und er Gott sogar als „Inbegriff aller WerteWerte, vor allem der Gerechtigkeit, Liebe und HeiligkeitHeiligkeit“2 versteht, wo liegen die Wurzeln dieser Begriffe? „Begriffe sind an sich ‚Medien‘, durch die unser GeistGeist auf das Seiende sinnvoll abzielt.“3 Was im vorliegenden Zusammenhang besagen will, dass die oben genannten Begriffe – der Güte Gottes, seiner Gerechtigkeit, seiner unendlichen Liebe usw. – meinend auf das Sein Gottes abzielen. Doch welche Argumente sprechen eigentlich dafür, dass sich das Vermeinte auch in WirklichkeitWirklichkeit so verhält, dass v.a. die moralischen Werte in Gott ihr letztes Fundament und ihre letzte Wurzel haben? Und damit verbunden, warum benötigen diese in sich bedeutsamen Entitäten überhaupt einen SeinsgrundSeinsgrund? Oder anderes gefragt: Sind die Werte nicht in sich selbst stehende, autonome Wirklichkeiten?

Diese Fragen seien in der Folge zu beantworten gesucht. Ein erstes ArgumentArgument stammt von von HildebrandHildebrandDietrich von und hebt an beim Sehen der SchönheitSchönheit einer Landschaft, z.B. der italienischen. Dabei „erfassen wir, dass die Schönheit in ihrer letzten SubstanzSubstanz eins ist mit der Substanz der LiebeLiebe, dass sie gleichsam eine objektivierte Liebe in etwas ‚Apersonalem‘ ist“4. Mit Max SchelerSchelerMax gesprochen, kann hier natürlich nichts definiert werden, „wie bei allen letzten Wertphänomenen. Wir können hier nur auffordern, genau hinzusehen“5. In diesem Sinne spricht auch von HildebrandHildebrandDietrich von weder von einem ErkennenErkennen noch von einem Definieren, sondern von einem dem Objekt angemessenen AhnenAhnen: „Dieser Zusammenhang von Wert und Liebe lässt uns ahnen, dass GottGott der Inbegriff der Liebe ist, da er der wesenhaft Vollkommene ist, der personale Inbegriff, die Inkarnierung aller WerteWerte, und darum auch die Liebe.“6

Dass die moralischen WerteWerte ihren SeinsgrundSeinsgrund in der vollkommenen PersonPerson Gottes haben, dafür sprechen zuallererst die moralischen Aktemoralischen Akte selbst. Bekanntlich setzen diese Akte die FreiheitFreiheit voraus, die selbst wiederum wesenhaft die VerantwortungVerantwortung impliziert. Die Verantwortung besteht im Letzten aber nicht gegenüber einem Menschen, denn dieser weiss – aufgrund seiner Unvollkommenheit und KontingenzKontingenz – nicht um das Mass und die Grenzen unserer Freiheit. Auch kennt er die letzten Gründe unseres Handelns und die innersten freien Entscheidungen nicht. Kein anderer MenschMensch kommt als letzter Adressat in Frage, vor dem wir Verantwortung tragen. Notwendigerweise wird von da her ein Adressat des Phänomens der sittlichen Verantwortung gefordert, der um die innersten Beweggründe eines jeden Menschen weiss. GottGott wird hier als absoluter Bezugspunkt und personales Korrelat der sittlichen Verantwortung gegenüber der tiefsten göttlichen Verkörperung des sittlich Guten erkannt. Ausgehend von der eindeutig gegebenen phänomenalen Basis der freien sittlichen Akte und der notwendigerweise geforderten personalen Instanz, vor der wir Verantwortung tragen, wird Gottes WirklichkeitWirklichkeit erkannt.7

Wie alleine schon aufgrund der sittlichen VerantwortungVerantwortung erhellt, haben die moralischen WerteWerte in GottGott mit GewissheitGewissheit ihr letztes Fundament. An dieser Stelle noch weiter nach einem Fundament des „Wertes, dieses tiefsten Urphänomens“8 zu fragen, erinnert an GoetheGoetheJohann Wolfgang von, der die Menschen, denen „der Anblick eines Urphänomens gewöhnlich nicht genug“ ist und denken, „es müsse noch weiter gehen,“ mit den Kindern vergleicht, „die, wenn sie in einen Spiegel geguckt, ihn sogleich umwenden, um zu sehen, was auf der anderen Seite ist“.9 Nichtsdestotrotz seien in der Folge einige weitere Argumente beigebracht, die dafür sprechen, dass die moralischen Werte keinen absoluten Selbststand, sondern den Grund ihres Seins in Gott haben. Als erstes das Wesensgesetz, das auch von HildebrandHildebrandDietrich von erkannt hat und von da her auf diesen Seiten wiederholt zur Sprache kommt, nämlich der notwendige SachverhaltSachverhalt, dass moralische Werte bzw. Unwerte mit Lohn und StrafeLohn und Strafe verknüpft sind.10 Diese Gesetzmässigkeit verbürgt Gottes WirklichkeitWirklichkeit aus der ewigen GerechtigkeitGerechtigkeit, denn unmöglich kann etwas nicht sein, das vom WesenWesen der Gerechtigkeit gefordert und vorausgesetzt wird. Ein weiteres ArgumentArgument hebt an bei der Stimme des GewissensStimme des Gewissens und mündet in die EinsichtEinsicht der inneren Präsenz Gottes in der SeeleSeele. Da dieses Argument weiter unten entfaltet werden wird, sei an dieser Stelle darauf verwiesen.11

Ein anderes ArgumentArgument wird hier zum ersten Mal explizit entfaltet, nämlich das Argument der inneren wesenhaften EinheitEinheit des Moralischen, die nur in GottGott ihre letzte Erfüllung findet. Dieses Argument ist eng mit der inneren Einheit aller moralischen WerteWerte verbunden, die zu verwirklichen vom Menschen als Menschen verlangt ist. Dazu die einschlägige Stelle aus von Hildebrands ethischem Hauptwerk:

Es erscheint ganz natürlich, dass ein MenschMensch nicht jede einzelne intellektuelle Begabung besitzen kann; aber jeder sollte alle sittlichen WerteWerte besitzen. Es ist ganz vernünftig, wenn jemand erklärt: „Ich bin ein Musiker, aber ich habe nicht das geringste philosophische Talent“; oder „Mein Hauptgebiet ist NaturwissenschaftNaturwissenschaft, und die Kunst überlasse ich anderen, die dafür eine Begabung haben“. Aber es wäre ebenso absurdabsurd wie lächerlich, wollte jemand sagen: „Ich beschäftige mich vor allem mit GerechtigkeitGerechtigkeit; die Reinheit ist Sache meiner Kollegen.“ Die Verteilung der Werte auf verschiedene Menschen, die für alle anderen Personwerte ganz natürlich ist, gilt nicht für die sittliche Sphäre. Hier werden alle sittlichen Werte von jedem gefordert, weil er ein Mensch ist.12

Doch welcher Weg führt die VernunftVernunft von der vom Menschen geforderten EinheitEinheit der sittlichen WerteWerte nun zur Einheit dieser Werte in GottGott? Warum kann von HildebrandHildebrandDietrich von Gott mit Bestimmtheit als „die GüteGüte, die WahrhaftigkeitWahrhaftigkeit, die GerechtigkeitGerechtigkeit, die LiebeLiebe“13 bezeichnen? In Bezug auf das soeben angeführte HildebrandHildebrandDietrich von-Zitat, weil es sich bei den sittlichen Werten, die zu verwirklichen von jedem Menschen gefordert sind, weil er ein MenschMensch ist, um gemischte Vollkommenheiten handelt, währenddem es sich in ihrer göttlichen FormForm um reine Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten handelt. Wie bereits erwähnt,14 lassen die göttlichen Vollkommenheiten nicht nur die unendliche Form zu, sondern weisen überdies die Eigenschaft auf, dass sie gegenseitig verträglich sind, alle gleichzeitig besessen bzw. realisiert werden können und keine dieser Eigenschaften wahrhaft sie selber ist ohne all die anderen. In analoger Weise kam dies auch in dem soeben angeführten HildebrandHildebrandDietrich von-Zitat betreffend der von jedem Menschen geforderten Einheit aller sittlichen Werte zum Ausdruck. Die moralischen Werte der Güte, Wahrhaftigkeit, Gerechtigkeit, Liebe usw. setzen ihrem WesenWesen nach – sei es als gemischte oder als reine VollkommenheitVollkommenheit – notwendigerweise einen personalen Träger voraus. Und dieser Träger kann im Falle einer unendlichen qualitativen Eigenschaft keine menschliche, sondern einzig die absolut vollkommene PersonPerson Gottes sein.

Und gerade so, wie die sittlichen oder moralischen WerteWerte vom Menschen als solchem gefordert sind, so sind die personalen, allen voran die moralischen Werte die raison d’être des Seins überhaupt und enthüllen damit letztlich den Grund der göttlichen ExistenzExistenz. Und wenn Gottes Wertvollkommenheit auch in der unendlichen sittlichen VollkommenheitVollkommenheit kulminiert, so kann sie auf diese dennoch nicht eingeschränkt werden.15 Die angeführten Argumente vermögen zu zeigen, dass die Werte in GottGott gründen, was v.a. an den moralischen Werten aufgewiesen werden konnte. Brauchen die Werte aber überhaupt einen SeinsgrundSeinsgrund, war eine weitere Frage, die eingangs dieses Kapitels gestellt wurde. Ja, sie brauchen ihn notwendigerweise. Und zwar nicht alleine deswegen, damit die WirklichkeitWirklichkeit eine intelligible Struktur hat, sondern auch deswegen, weil der MenschMensch den existentiellen SinnSinn und das GlückGlück in seinem Leben nur über die Verwirklichung der von ihm geforderten moralischen Werte finden kann. Vor allem aber beantworten die Werte qua in sich ruhende Bedeutsamkeiten die von LeibnizLeibnizGottfried Wilhelm oder SchelerSchelerMax gestellte metaphysische Grundfrage, warum überhaupt etwas ist und nicht vielmehr nichts.16

Nebstdem führt auch vom Phänomen des absoluten moralischen Sollens ein denkerischer Weg zu GottGott. Diese Forderungen gehen über das hinaus, was der MenschMensch prinzipiell verwirklichen kann. Es sind im Letzten rein objektive Forderungen nach der höchsten WirklichkeitWirklichkeit des Guten, deren Verwirklichung aber nur in Gott selber liegen kann. Denn da dem Menschen die vollkommene Erfüllung der geforderten moralischen HeiligkeitHeiligkeit unmöglich ist, verlangt die moralische SollensforderungSollensforderung im Tiefsten nicht nur, dass die Menschen gut handeln und das BöseBösedas meiden sollen, sondern auch, dass das absolute GuteGutedas verwirklicht ist. Das aber kann nur in Gott vollste Wirklichkeit sein. Auch mit diesem ArgumentArgument, das vom Gesolltsein der moralischen WerteWerte ausgeht und eine Verwirklichung des Guten verlangt, wie sie kein Mensch erfüllen kann, stösst man auf den Grund und die Wurzeln der moralischen Welt in ihrer objektiven Gültigkeitobjektive Gültigkeit.

Nicht zuletzt kann der werttheoretische GottesbeweisGottesbeweis auch über die postulierte Nichtexistenz Gottes geführt werden. Denn wenn GottGott nicht existierte, wäre das Moralische seines höchsten Gegenstands beraubt und alle diesbezüglichen Akte, insbesondere die GottesliebeGottesliebe, würden, „da Gott nur entweder notwendig existiert oder in sich unmöglich ist, auf einer widersprüchlichen Idee beruhen“17. Das intelligible WesenWesen des Moralischen enthielte dann „einen inneren WiderspruchWiderspruch, was nicht sein kann“18.

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