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4.5 Dietrich von Hildebrands implizite Bejahung des ontologischen Arguments

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Wenn diese Ausführungen bedacht werden, stellt sich unweigerlich und berechtigterweise die Frage, warum von HildebrandHildebrandDietrich von trotz seiner Erkenntnismethode und trotz seines Gottesbegriffs – Inbegriff aller WerteWerte – sowie im WissenWissen, dass es in GottGott keinen Unterschied von ExistenzExistenz und Essenz und es nur bei ihm eine notwendige reale Existenz gibt, die Auffassung vertreten kann, dass man die notwendige reale Existenz Gottes „nicht aus der Wesenheit Gottes allein erkennen“1 kann. Von HildebrandHildebrandDietrich von hätte die Bedingungen eigentlich erfüllt, um die notwendige reale Existenz aus dem SoseinSosein Gottes erkennen zu können. Denn zumindest implizit hatte er die reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten erkannt, was sich nicht nur daran zeigt, dass er Gott als „die GüteGüte, die WahrhaftigkeitWahrhaftigkeit, die GerechtigkeitGerechtigkeit, die LiebeLiebe“2 bezeichnet, sondern auch daran, dass Gott „das absolute Sein, die absolute WahrheitWahrheit, die absolute Gerechtigkeit und die unendliche Liebe ist“3. Ausnahmslos reine Vollkommenheiten (perfectioni simpliciter). In dieselbe Richtung weist auch sein WortWort vom „Wesenszusammenhang von Allgüte und AllmachtAllmacht“, die, „obgleich völlig selbständige Qualitäten, sich gegenseitig wesensmässig bedingen“4. Wenngleich von HildebrandHildebrandDietrich von dafür eintrat, dass man die notwendige reale Existenz Gottes „nicht aus der Wesenheit Gottes allein erkennen“5 kann, so hat er Gott nichtsdestotrotz gerade solche Eigenschaften zugeschrieben, die die Möglichkeit des Erkennens der realen Existenz aus dem WesenWesen Gottes begründen. Denn alle Eigenschaften, die er Gott zuschreibt, sind absolut besser als alles, was damit nicht zu vereinbaren ist, sind nur in der unendlichen FormForm wahrhaft sie selber, sind überdies gegenseitig verträglich und sind nicht zuletzt auch irreduzibel einfachirreduzibel einfach. Auch wenn die Eigenschaften Gottes, die von HildebrandHildebrandDietrich von zur Sprache gebracht hat, hier nicht abschliessend erwähnt werden, so geben alleine schon die angeführten zu erkennen, dass sie die genannten Merkmale der reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten aufweisen. Warum das ontologische ArgumentArgument für von HildebrandHildebrandDietrich von trotzdem ungültig war, bleibt eine offene Frage. Fehlte es ihm schlicht und einfach an überzeugenden Begründungen? Dafür scheint jedenfalls eine Anmerkung aus dem bereits genannten Werk von Josef SeifertSeifertJosef zu sprechen, der ausdrücklich davon spricht, dass von HildebrandHildebrandDietrich von sehr aufgeschlossen gewesen sei gegenüber der Möglichkeit, dass das ontologische Argumentontologische Argument, angemessen begründet, gültig sein könne.6

Da von HildebrandHildebrandDietrich von quer durch sein Schrifttum GottGott immer wieder als Inbegriff aller WerteWerte bezeichnet, sei im Anschluss an die Auseinanderlegung der reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten als den einzigen Momenten eines adäquaten Gottesbegriffs schliesslich auch das Verhältnis abschliessend zu bestimmen gesucht, in dem die Werte und die reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten zueinander stehen. Die leitende Frage geht dahin, ob Gott seinem WesenWesen nach oder qua Schöpfer als Inbegriff aller WerteInbegriff aller Werte zu verstehen ist. Wenn mit dem Inbegriff aller Werte auf sein Wesen abgezielt wird, dann müssten alle Werte reine Vollkommenheiten sein, geben sie alleine die göttlichen Wesenseigenschaften doch angemessen wieder. Wenn Gott qua Schöpfer als Inbegriff aller Werte verstanden sein soll, dann wiederum müssten nicht alle Werte notwendigerweise reine Vollkommenheiten sein.

Aus dem weiter oben dargelegten Merkmal der WerteWerte sowie den Merkmalen der reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten geht hervor, dass die reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten aufgrund ihrer intrinsischen BedeutsamkeitBedeutsamkeit Werte sind. Reine Vollkommenheiten finden sich unter den ontologischen, den sittlichen, den intellektuellen wie auch unter den ästhetischen Werten, doch nicht in dem Sinne, als wären alle diesbezüglichen Werte reine Vollkommenheiten. Denn was die ontologischen Werte betrifft, so sind nur einige davon reine Vollkommenheiten. Eine reine VollkommenheitVollkommenheit ist beispielsweise der Wille, keine reine Vollkommenheiten sind dagegen die Farbe oder die MenschenwürdeMenschenwürde. Von den intellektuellen Werten sind ebenfalls nur einige reine Vollkommenheiten, und zwar jene, die nicht wesenhaft die BegrenztheitBegrenztheit des Intellekts voraussetzen, sondern das WesenWesen des Intellekts als solchen betreffen. Auch von den ästhetischen Werten zählen nur einige zu den reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten. Während dazu etwa vollkommene EinheitEinheit oder absolute SchönheitSchönheit gehören, sind Charme, Eleganz und dergleichen keine reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten.

Bei der Familie der sittlichen WerteWerte verhält es sich schliesslich so, dass bei vielen dieser Werte – z.B. bei der GüteGüte, der WahrhaftigkeitWahrhaftigkeit, der GerechtigkeitGerechtigkeit oder der LiebeLiebe, die von HildebrandHildebrandDietrich von GottGott zugeschrieben hat7 – es sich um reine Vollkommenheiten handelt. Bei anderen sittlichen Werten fällt es wiederum schwer, sie Gott zuschreiben zu wollen, z.B. bei der BescheidenheitBescheidenheit oder der DemutDemut, so als könnten sie in unendlicher göttlicher FormForm existieren, auch wenn es gemäss dem christlichen Glauben eine spezifisch gottmenschliche Demut gibt. Keine reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten, die Gott zugeschrieben werden können, sind – kurz gesagt – jene, die die kreatürliche BegrenztheitBegrenztheit und Geschaffenheit des Subjekts voraussetzen. Da sie keine UnendlichkeitUnendlichkeit zulassen, sind diese sittlichen Werte den gemischten Vollkommenheiten zuzurechnen. Zu ihnen gehört u.a. auch die ReueReue, die an die SündeSünde gebunden ist und daher für Gott sinnlossinnlos wäre, des Weiteren die Verzichtsbereitschaft oder der Opferwille, die eindeutig menschliche Dimensionen haben, und Gott von da her nicht zugeschrieben werden können. Anders stellen sich die Verzichtsbereitschaft und der Opferwille oder auch MitleidMitleid und GeduldGeduld und v.a. BarmherzigkeitBarmherzigkeit freilich für die PersonPerson dar, die an die Menschwerdung Gottes glaubt. Dann gibt es beispielsweise eine göttliche Verzichtsbereitschaft (auf das Festhalten an seiner Gottheit) oder einen göttlichen Opferwillen aus Liebe, der sich in der Menschwerdung, der Passion und der Kreuzigung des Gottmenschen offenbart.

Ein grosses Problem stellen schliesslich die rein göttlichen moralischen Vollkommenheiten dar, die scheinbar die SchöpfungSchöpfung voraussetzen und nicht vor dieser im rein göttlichen Leben gedacht werden können, wie z.B. die BarmherzigkeitBarmherzigkeit; denn GottGott kann doch nicht sich selber gegenüber barmherzig sein, oder die GerechtigkeitGerechtigkeit, da Gott nicht sich selber gegenüber Gerechtigkeit widerfahren lassen kann. Dieses Problem wird noch schwerer, wenn an die scheinbar höchste moralische VollkommenheitVollkommenheit Gottes gedacht wird, die das BöseBösedas vorauszusetzen scheint, nämlich die göttliche Sündenvergebung. Braucht Gott etwa das BöseBösedas, um diese Vollkommenheit zu besitzen? Ja ist es auch nur denkbar, dass Gottes ewiges Leben vor der Schöpfung weniger vollkommen gewesen ist als nach ihr, auch wenn in der ewigen göttlichen GüteGüte und LiebeLiebe das Geschöpf und die SündeSünde vorausgesetzt sind? Die reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten, die potentiellpotentiell Barmherzigkeit, VergebungVergebung etc. einschliessen, scheinen Gott seit Ewigkeiten zu eignen, auch wenn deren Ausübung das Geschöpf oder sogar die Sünde voraussetzt. Dieser grob skizzierte Komplex an ungelösten Fragen gibt jedenfalls klar zu erkennen, dass grosse AporienAporien angesichts der reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten bestehen, die den Menschen und das BöseBösedas voraussetzen.8

Abschliessend lässt sich immerhin so viel mit GewissheitGewissheit festhalten, dass alle reinen Vollkommenheitenreine Vollkommenheiten WerteWerte, nicht alle Werte aber reine Vollkommenheiten sind.

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