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EIN JÄGER MIT LEIB UND SEELE
Kein Buch über Katzen wäre vollständig, wenn darin eine Würdigung ihrer Jagdtechnik fehlen würde. Wir werden unsere Katzen nur verstehen, wenn wir wissen, was und wie sie jagen und wie ihre bemerkenswerten Fähigkeiten bei der Jagd zusammenspielen.
Ohne ihre besonderen Fähigkeiten als Raubtier – die Jagd auf Mäuse und Ratten in den Kornspeichern – wäre die Katze vermutlich nie domestiziert worden. Katzen werden zwar in manchen Regionen der Welt immer noch als Mäusejäger gehalten, doch in den meisten westlichen Ländern hat sich ihre Rolle gewandelt. Viele Katzenhalter könnten vermutlich besser damit umgehen, wenn ihre Katze keine halbtoten Vögel, Mäuse und Ratten nach Hause bringen würde. Sie haben ein Problem damit, dass ihre Katze noch immer ihrem Jagdinstinkt folgt. Dafür dürfte es zwei Gründe geben: Viele Menschen lehnen das Jagen grundsätzlich ab, oder es ist ihnen nicht bewusst, dass Katzen einfach faszinierende und perfekte Jäger sind. Wir erwarten, dass Katzen unser Leben teilen und sich gegenüber anderen Tieren friedlich verhalten. Vermutlich kennt jeder Katzenhalter die Bilder von Katzen, die Mäuse auf sich dulden oder nichts dagegen haben, wenn ein Wellensittich auf ihrem Kopf sitzt und an ihren Ohren knabbert. Während die Besitzer sicher sind, dass ihre Katze den kleinen Gefährten kein Leid zufügt, würde ich keinen Cent darauf wetten. Das übliche Argument ist: »Sie kennen sich doch schon seit der Geburt.« Ich würde die beiden niemals allein lassen, denn jede Katze reagiert ganz instinktiv auf die Bewegung einer potenziellen Beute, wenn sie die richtige Größe hat und erreichbar ist. Das Mäuschen wäre im Maul der Katze verschwunden, ehe die Katze nachdenken könnte. In den Jahrmillionen der Evolution ist ein perfektes Raubtier entstanden, dessen Reflexe schneller sind als der Gedanke an den »Jugendfreund«. Katzen sind schnell genug, um einen fliegenden Vogel oder eine rennende Maus zu fangen, und sie sind klug. Ich bin sicherlich nicht die erste Mutter, die im Zoogeschäft verzweifelt nach einem Goldhamster mit einer bestimmten Fellzeichnung sucht, weil das Lieblingstier der Kinder im Maul der Katze gelandet ist!
Ohne Menschen, die sie füttern oder von deren Abfällen sie leben, müssen Katzen jagen, um zu überleben. Wilde Katzen nehmen immer nur kleine Futtermengen auf und müssen allzeit bereit sein, für ihre Nahrung zu sorgen. Aber auch eine satte Katze kann sich zur Jagd entscheiden. Hungerzentrum und Jagdzentrum im Gehirn agieren unabhängig voneinander. Es hat also keinen Zweck, die Katze zu füttern und zu hoffen, ihr verginge dadurch die Lust auf die Jagd. Natürlich wird sich eine hungrige Katze eher anstrengen, doch auch eine satte Katze gibt bei der Jagd nur selten auf.
DIE PERFEKTE JAGDTECHNIK
Die wenigsten Katzenhalter kennen die Jagdstrategien ihres Haustieres. Die Katze verschwindet ins Freie und kommt irgendwann mit einem kleinen toten Körper zurück in die Wohnung. Diese »Geschenke« hinterlässt sie auf dem Bett oder im Futternapf. Es kann auch vorkommen, dass eine Katze durch die Katzenklappe auf nächtliche Jagd geht und am anderen Morgen liegen überall in der Küche Federn herum.
Katzen hören ein Beutetier schon aus großer Entfernung und gehen gezielt auf die Suche, bis sie ihr Opfer stellen und töten. Sie überfallen ihre Beute nicht, sie sind heimliche Jäger, die wohlüberlegt vorgehen. Schon Katzenbabys lernen, alle Signale zu interpretieren, die ihre Ohren, Augen und andere Sinnesorgane empfangen. Sie müssen lernen, wie man sich an die einzelnen Beutetiere anschleicht und wie man sie möglichst erfolgreich überrascht. Jede Katze hat ihre eigenen Jagdstrategien. Manche streifen einfach mit offenen Augen und Ohren umher und warten ab, ob sie auf ein potenzielles Opfer stoßen (M-Strategie für »mobile« Katzen). Dabei fällt es uns nicht auf, dass eine scheinbar ruhige Katze mit allen Sinnen den Garten absucht. Die meisten Katzenhalter kennen die sogenannte S-Strategie (»Sitzen und Warten«). Dabei sitzen die Katzen völlig unbeweglich an einem Ort und scheinen nur vor sich hin zu dösen. Tatsächlich jedoch lauern sie an einem für uns unsichtbaren Mäuseweg oder vor einem Loch auf einen der kleinen, pelzigen Gartenbewohner. Katzen mit S-Strategie nehmen eine günstige Position ein und warten scheinbar gelangweilt und vollständig ruhig ab. Selbst wenn sich eine Maus zeigt, bewegt sich die Katze erst dann, wenn sie sicher ist, sie zu erwischen. Schlägt sie zu früh zu, könnte die Maus in ihren Bau entkommen.
Die meisten Katzen wenden beide Strategien an und wandeln sie individuell je nach Beutetier ab. Im Winter lohnt es sich, auf Singvögel zu warten, die sich am Futterplatz einstellen (S-Strategie). Vögel, die ihr Futter am Boden suchen, lassen sich wirkungsvoller mit der M-Strategie fangen, denn Vögel sind äußerst wachsam und würden eine sitzende Katze meiden. Daher muss sich die Katze langsam und möglichst gut getarnt am Boden bewegen, ohne durch ihre Bewegungen aufzufallen. Wenn der Vogel auffliegt und wieder landet, bewegt sich die Katze vielleicht mit einigen Sprüngen etwas schneller, doch dann erstarrt sie wieder. Selbst wenn der Vogel in ihre Richtung blickt, fällt sie kaum auf.
Manche Katzen entwickeln sich zu wahren Experten der Vogeljagd, andere interessieren sich nicht für diese schwierig zu jagende Beute. Jede Katze wartet den besten Augenblick ab, ehe sie ihre Beute anspringt. Bei der Vogeljagd ist dieses angeborene Zögern nicht besonders hilfreich, denn genau in dieser Phase könnte der Vogel noch in die Luft entkommen.
Die meisten Katzenhalter fühlen sich unwohl bei dem Gedanken, dass ihre Katze auch ein »Killer« ist, aber jeder Katzenhalter sollte akzeptieren, dass die Jagd ein Teil des Katzenlebens ausmacht. Sie ist dafür gebaut, mit absoluter Präzision und schnell zu töten. Forschungen haben gezeigt, dass männliche und weibliche Katzen Beute nach Hause bringen. Katzen schleppen aber mehr Tiere an als Kater. Dieser Unterschied hat eine biologische Ursache: Katzen müssen ihre Jungen mit Nahrung versorgen. Katzen mit Jungen jagen merklich effektiver als Katzen ohne Junge. Sie können sogar höhere Frequenzen hören. Einerseits nehmen sie jeden Angstruf ihrer Jungen besser wahr, andererseits entgeht ihnen auch nicht das kleinste Fiepen einer Maus. Hungrige Babys im Nest sind offenbar eine starke Motivation. Die säugende Katze muss gut genährt sein, um ausreichend Milch zu produzieren. Später wollen die Jungen Fleisch fressen und ab einem gewissen Alter schleppt die Katzenmutter lebende Beute an, damit die Kleinen das Jagen perfekt lernen. Kater kümmern sich nicht um ihre Nachkommen; sie bringen Beute allenfalls als Vorrat für sich selbst nach Hause. Junge Hauskatzen sind viel zu aufgeregt, um effektiv zu jagen. Wenn sie zum ersten Mal ins Freie dürfen, jagen sie jedem Wurm und jedem Insekt hinterher. Sobald sie geschickter werden, wagen sie sich an Mäuse. Ab etwa einem Jahr versuchen sie sich regelmäßig an unterschiedlichen Opfern. In dieser Lebensphase schleppen sie ihren Besitzern die meisten Tiere an. Nach etwa drei Jahren lässt die Jagdleidenschaft nach. Einige Katzen jagen noch gelegentlich, doch die meisten werden ruhiger. Sie liegen lieber schlafend in der Sonne und wagen bei schlechtem Wetter allenfalls einen Blick durch das Fenster, wenn die Vögel draußen herumfliegen.
Warum spielen manche Katzen mit ihrer Beute? Untersuchungen haben gezeigt, dass sich in einer jagenden Katze eine große Spannung aufbaut. Dieser Stress muss sich entladen – im Spiel. Bei einem Experiment im Zoo ließen die Forscher Tiger »jagen«. Die Forscher präsentierten das Fleisch auf einem Pfahl, sodass sich die Tiger anstrengen mussten, an das Futter zu kommen. Wenn es gelungen war, das Fleisch zu »erbeuten«, ließen sie es eine Zeitlang am Boden liegen, bevor sie zu fressen begannen. Vermutlich müssen Katzen ihren Adrenalinspiegel, der sich bei der Jagd aufgebaut hat, erst senken und fressen, wenn sie wieder ruhig sind. Manche, vor allem relativ junge Katzen, sind noch keine sicheren Jäger. Sie spielen gerne mit der Beute, um ihre Technik zu perfektionieren.
Die meisten Katzen jagen gerne und sind offenbar hoch motiviert. Sie brauchen die Jagd und einer ausschließlich in der Wohnung lebenden Katze müssen wir einen adäquaten Ersatz in Form von Jagdspielen anbieten.