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Mit Freunden bist Du nie allein.

Afrikanische Fabel

Freundschaft – Das Auge des Nashorns3

Eines schönen Morgens spazierte ein Nashorn in der warmen Sommerzeit durch den Schlamm eines ausgetrockneten Flusses. Das machte es besonders gerne, spazieren gehen im Schlamm! Und wie es so gemütlich im erdigen Wasser watete, schaute es sich um und erblickte viele seiner Freunde: die Vögel, die in den Bäumen saßen und erzählten; die Affen, die in den Ästen hangelten und sprangen, und die Krebse, die unter und über dem Schlamm marschierten. (1)

Plötzlich geschah etwas, was dem Nashorn noch nie passiert war: Sein rechtes Auge fiel herunter in den Schlamm und ward nicht mehr gesehen. Das Nashorn suchte links, es suchte rechts, es wühlte in der feuchten Erde und wurde immer unruhiger, denn es konnte sein Auge nicht finden. (2)

Je nervöser das Nashorn wurde und je hektischer es suchte, desto weniger konnte es sehen. Der Schlamm wurde aufgewühlt und nach wenigen Minuten war es praktisch unmöglich, noch irgendetwas anderes zu erkennen als feuchte Erde unter seinen Füßen. (3)

Als seine Freunde dies sahen, die Vögel, die Affen und die Krebse, riefen sie: „Nashorn, liebes Nashorn. Beruhige dich! So beruhige dich doch!“ (4)

Doch das Nashorn konnte seine Freunde nicht hören: Es war so sehr damit beschäftigt, zu wühlen, dass es für die Rufe der anderen taub geworden war. (5)

Es fühlte, wie eine rote Angst aus den Tiefen seines Bauches aufstieg: „Was würde sein, wenn ich mein Auge nie wiederfände?“ Sein Herz schnürte sich zusammen, die Angst drohte Herrschaft über ihn zu ergreifen, schon zitterte seine dicke Haut, schon vibrierte sein Herz, schon wurde sein Geist dunkel und seine Seele stumm. (6)

Als seine Freunde dies erkannten, als seine Freunde sahen, dass das Nashorn nichts mehr sehen noch hören konnte, vereinten sie all ihre Kräfte und riefen gemeinsam, nun ganz laut: „Nashorn, liebes Nashorn! Hör auf zu wühlen. Beruhige dich, so beruhige dich doch!“ (7)

Da konnte das Nashorn sie hören: Es schaute in die Luft und sah seine Freunde, die Vögel. Es schaute nach oben in die Bäume und erblickte seine Freunde, die Affen. Es schaute nach unten und sah seine Freunde, die Krebse. Alle seine Freunde schauten ihn an und riefen ihm zu! Alle waren da! (7)

Das Nashorn wurde ruhig, sein Herz öffnete sich und es empfing – all das Bemühen der Vögel, der Affen und der Krebse um ihn herum.

Nun konnte das Nashorn ruhigen Sinnes nach unten schauen, auf den Boden, in den Schlamm und es erkannte zwischen seinen Füßen: das Auge. Es nahm es hoch, steckte es dahin, wohin es gehörte und ging weiter spazieren. (8)

3 Frei übersetzt aus: Les Philo-Fables, Michel Piquemal, Philippe Lagautrière, èdition Albain Michel Jeunesse, 2003, Paris

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