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Los Angeles heute

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Presserotationsmaschinen spucken immer neue Titelschlagzeilen aus: „I confess!“ „We are killers!“ „Yes, we did it!“ „Murderers?“.

Auf sämtlichen Titeln: die Bosse der amerikanischen Filmindustrie Frank Finkel und Big Miles Miller. Pressekonferenz im Academy Theatre in L.A. Der Andrang der Journalisten, der Printmedien und der TV-Stationen hat etwas Unwirkliches, Hysterisches, Utriertes und erinnert an inszenierte Presseshows während des Balkan-Krieges oder des Clinton/Lewinsky-Skandals. Teilweise rempeln sich konkurrierende Kameraleute und Tonleute unsanft an. Big Miles und Frank Finkel auf dem Podium, flankiert von Anwälten und PR-Beratern. Als die ersten Blitzlichtgewitter vorübergezogen sind und nur noch vereinzelt ein Flash aufzuckt, klopft Big Miles zum Test auf die Mikros vor ihm auf dem Pult. Finkel trinkt betont cool aus einem Evian-Plastikbecher. Big Miles: „Meine Damen und Herren! Kommen wir gleich zur Sache! Ja, wir haben getötet! Ja, wir haben Menschen ermordet. Ja, wir haben es getan!“

Kameras surren, Mikrofone geben Rückkopplung, die Menge raunt, Blitzlichter zucken. Tumult, plärrende Zwischenfragen, heilloses Durcheinander. Frank Finkel tupft sich die Lippen ab und spricht: „Schauen Sie, wir haben alles aufgeschrieben, Punkt für Punkt, Tag für Tag, Monat für Monat, Jahr um Jahr. Und wir haben alles in einen Film gepackt, drum wollen wir nicht länger reden über das Unfassbare, Jungs, lasst uns den Film gemeinsam anschauen, und natürlich auch Mädchen. Der Worte sind genug gewechselt, lasst Taten folgen. Drum: Licht aus! Film ab!“

Im Projektionsraum geöffnete Filmpropeller. Eine Hand legt letzte Filmschleifen in den Umroller. Die Sicherheitsklappe wird geschlossen, der Starterknopf wird umgelegt. Mit dem typischen sirrenden Rasseln setzt sich die Filmspule in Bewegung und der Lichtstrahl beginnt den Film auf die Leinwand zu werfen. Die Lichter werden gedimmt, als sie ganz verlöschen, öffnet sich der rote Samtvorhang, und der Film beginnt im untergehenden Gemurmel der überraschten Presseleute.

Im Morgennebel die Statue of Liberty an einem eiskalten Vorfrühlingstag im Jahr 1945. Am Oberdeck zur dritten Klasse der „Serpa Pinto“ stehen Arm in Arm, die kalte Meeresluft als weißen Atem aus Mund und Nase blasend, Franz Finkeldei und Mikesch Miljenko als Kinder von etwa 13 und 15 Jahren. Über ihre Mützen haben sie gegen die Kälte noch einen Schal gebunden, damit sieht es so aus, als hätten sie Mumps oder Ziegenpeter.

Franz nickt anerkennend: „Aber du hast ja immer daran geglaubt, dass wir es schaffen.“

Mikesch: „Schmonzes… Ehrlich gesagt habe ich nie daran geglaubt, dass wir es schaffen, aber … das weiß man ja nie…“

Mit Tuten und Gegengetute der nahenden Schlepper macht die „Serpa Pinto“ auf sich aufmerksam und bahnt sich langsam ihren Weg durch die weit ausladenden Hafenanlagen zum weiter entfernten Anlegerkai, dem Tor für viele Flüchtlinge in eine neue Welt, Ellis Island.

NAKAM ODER DER 91. TAG

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