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Urwaldregen

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Die Luft dampft. Der Wald, der uns umgibt, schwitzt aus allen Poren. Ein dünner Schweißfilm liegt auf unserer Haut, der nicht abreißen will. Neben dem Weg liegen große, grüne Blätter. Der Pfad windet sich an mächtigen Baumriesen vorbei, verneigt sich vor ihnen, kommt ihnen nicht zu nahe. Die Baumwesen strahlen Präsenz aus.Es geht bergauf. Seit drei Stunden schon sind wir unterwegs, begleitet von den Geräuschen der unsichtbaren Tiere und einem Trommelfeuer, dessen Quelle nicht auszumachen ist. Die Kronen der Bäume bilden den Himmel über uns, in Grün. Das allumfassende Grün beginnt, sich in die Augen zu brennen. Grün in allen Schattierungen, grünbraun der schmale Pfad, jede Pflanze mixt ihr eigenes Grün. Wo ein Gewächs aufhört und das nächste beginnt, ist unmöglich festzustellen.

Der Wald atmet, bläst uns eine Wolke entgegen, die zutiefst fruchtbar schmeckt. Ein helleres Grün vor uns, eine Schattierung, die uns neu vorkommt. Wir sind an einer Lichtung angekommen. Die Urwaldriesen weichen hier zurück. Der Boden ist mit niedrigem Gebüsch bedeckt, das die Struktur des Untergrunds nur erahnen lässt. Wenn wir nach oben schauen, erblicken wir einen Himmel, der uns nach all dem Grün unglaublich Blau vorkommt – tatsächlich ist er Graublau. Der Himmel weint.

Du trittst einen Schritt vor. Die herabfallenden, körperwarmen Tränen hüllen dich ein. Sie fallen dicht an dicht, auf deinen Kopf, deine Schultern. Sie rinnen an dir herunter. Sie zeichnen die Form deiner Stirn nach, deiner Wangen, deines Kinns. Deine Haare legen sich. Die Regentropfen sammeln sich in den Vertiefungen deines Körpers. Sie reißen den Schweißfilm auf, lecken das Salz, das deine Haut bedeckt. Das dünne Kleid, das du trägst, stört sie nicht.

Die Tropfen fließen in den Kanälen, die dich ausmachen. Der fruchtbare Erdboden ist ihr Ziel. Sie bewegen sich durch deine Grübchen, umfahren deine Brüste. Ein Tropfen, das sehe ich, fällt direkt von deiner linken Brustwarze nach unten, ohne dich noch irgendwo zu treffen. Denn du hast dein Sommerkleid längst abgestreift. Der Regen reinigt dich, indem er dich umfasst, von vorn, von hinten, von der Seite. Er rinnt an deinen Armen herunter, die du erhoben hast, streift deine Achseln, kitzelt deine Flanken.

Was dich umströmt, folgt den Linien deines Körpers. Vor den Hüften teilen sich die Kanäle. Sechzig Wassertropfen pro Minute stürzen sich vorn herunter, rinnen dort entlang, wo sich deine Oberschenkel trennen, tasten deine Lenden ab und laufen an der Innenseite deiner Schenkel nach innen. Der zweite Kanal läuft zwischen deinen Pohälften entlang. Ein kleiner Wasserfall, der sich an der tiefsten Stelle von deinem Körper löst: an einem dunklen Haar, das hier aufrecht steht.

Der Wasserfall wird unterbrochen, als ich hinter dich trete. Ich hebe dich auf einen Baumstumpf, meine Arme umfassen deinen Brustkorb, deine Füße suchen nach der Standfläche, als wüssten sie, was ich vorhabe. Dein Becken hat nun die richtige Höhe, dass ich direkt hinter dich treten kann. Du setzt den linken Fuß etwas zur Seite, so weit der schmale Baumstumpf es dir erlaubt. Du greifst mit der Hand nach vorn, dirigierst meinen erigierten Schwanz, der sich von hinten in dich schieben will.

Ich umfasse dich, halte mit einer Hand deinen Bauch, mit der anderen deine rechte Brust, so dass der Regen uns nur noch gemeinsam umarmen kann. Das Himmelswasser bildet ein Zelt über uns, wer uns jetzt beobachtete, würde die Tropfen schräge Bahnen um uns herum verfolgen sehen. Ich bewege meine Hüften von unten herauf, lasse keinen Platz zwischen uns.

Du schließt die Spalte vorn mit deiner rechten Hand. Für den Regen, der von oben kommt, sind wir ein Baum. Der Regen wässert uns, lässt uns wachsen. Er spürt, wie die Reibung der Moleküle Spannung aufbaut. Ich schiebe meine Hüfte schräg nach vorn. Du hast meinen Schwanz mit deinen Scheidenmuskeln ergriffen. Wir sind ein Menschwesen. Wir wachsen auf der Lichtung, gewässert aus dem graublauen Himmel, die Baumwesen beobachten uns und nicken zustimmend mit ihren Kronen.

Die Schaufensterpuppe

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