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Vorwort zur

englischen Ausgabe

Infolge der Initiative ausländischer Verleger ist das vorliegende Werk – das erste, das ich in englischer Sprache geschrieben habe – bereits auf Spanisch und Italienisch erschienen. Der Titel der spanischen Ausgabe La Vieja y Novísima Gestalt, der eigentlich bezweckte, in etwa die Entsprechung zu „jene alte und immer neue Gestalt“ zu vermitteln, wurde vielfach eher als „Alte Gestalt im Vergleich zu neuer Gestalt“ verstanden, und ich wurde zu einem Neubegründer erklärt. Nichts lag mir ferner in meiner Absicht mit diesem Buch. Es ist zwar richtig, daß ich neuartige Reflexionen über den transpersonalen Aspekt der Gestalttherapie und ihrer Stellung unter den traditionellen „Wachstumswegen“ beitrug, und es ist auch richtig, daß ich eine Vielzahl von Gestaltübungen schuf und ein Kapitel über eine „Vierte Weg“-Charakterologie hinzunahm, die meine eigene Praxis und die meiner Studenten sehr bereichert hat, aber genauso richtig ist auch, daß das Buch überwiegend ein Echo der von Fritz Perls erlernten Gestalttherapie darstellt, so wie mein eigener Arbeitsstil ein Echo seines Stils ist.

Eigentlich hätte ich das Buch in Hinblick auf die Unterscheidung, die Fritz Perls’ New Yorker Mitarbeiter nach seinem Tod einführten, ebensogut California Gestalt nennen können. Dieser Ausdruck implizierte meist eine abwertende Bedeutung – wie in „das ist nur California Gestalt“, wobei Kalifornien für ein Assoziationsgemisch aus New Age und spirituellem Supermarkt steht. Doch ist es durchaus möglich, California Gestalt mit Würde zu sagen, denn viele von uns sind überzeugt, daß Fritzens Jahre in Kalifornien seine reifsten waren. Auch ist es nicht unerheblich, daß Kalifornien als Mekka einer weltweiten kulturellen Bewegung wie auch als Ausgangspunkt der humanistisch-transpersonalen Revolution in der Psychologie angesehen wird.

In der Einleitung, die ich bereits vor fünf Jahren schrieb, erkläre ich, warum ich ursprünglich „innere Haltung und Praxis“ anstelle von „Theorie und Praxis“ verwendete. Ich glaube, es besteht kein Zweifel an Fritz Perls’ anti-intellektuellem Stil während seiner kalifornischen Jahre, als die Ausdrücke „mind-fucking“, „verbiage“ und „bullshit“ in seinem Wortschatz vorherrschten. Sicher besaß er genügend Weisheit, die großen Ideen seiner Zeit, die organismische und holistische Auffassung zu würdigen, und insbesondere den Prozeß der Gestaltentstehung wertzuschätzen. Dennoch meine ich, daß sein theoretisch Bestes in seinen späten Jahren zu finden ist, als er für sich in Anspruch nahm, zum Therapieren oder Leben nicht länger einen Begriffsapparat zu brauchen, und durch nichts mehr getragen zu sein, das außerhalb von ihm selbst, d. h. seinem Bewußtsein in der Gegenwart lag. Zu dieser Zeit, können wir sagen, schrieb er mit Blut – als er auf seinen eigenen zwei Beinen stand und, von allem entblößt, ganz er selbst war.

Obwohl ich mich als Theoretiker spiritueller Disziplinen und der Psychotherapie gleichermaßen bezeichnen kann und ein Buch über Persönlichkeitstypen verfaßt habe, dessen Erscheinen im Anschluß an das vorliegende geplant ist, bin ich, wenn ich Gestalt praktiziere, mindestens genauso atheoretisch wie Fritz und fühle mich seiner Position nicht nur zutiefst verbunden, sondern bin auch interessiert, sie zu einer Zeit zu pflegen, in der die meisten Gestalt-Therapeuten vor den Akademikern in Verlegenheit geraten, die auf sie herabblicken, da ihnen ein hinreichendes theoretisches Lehrgebäude fehlt (d. h. eines, das in seiner Differenziertheit vergleichsweise an das der Psychoanalytiker oder Behavioristen herankäme und als notwendiger Rückhalt für die Erlaubnis zum Praktizieren gilt). Wie Fritz, der uns in seiner Autobiographie an seinem Traum teilhaben ließ, wie die Ausbildung einer Generation von Arzt-Philosophen zu bewerkstelligen sei, habe auch ich die intellektuelle Komponente der Ausbildung, ob von Therapeuten oder Menschen allgemein, nie unterbewertet, und vielleicht bin ich in diesem Punkt nicht so ambivalent wie Fritz, der, wie ich glaube, in dieser Frage noch keinen Frieden gefunden hatte. Er besaß einen anti-intellektuellen Zug und auch, wie ich es sehe, eine intellektuelle Unsicherheit, die ihn oft bombastisch wirken ließ und seinen Traum von der Ausbildung der Arzt-Philosophen ausgelöst haben mag. (Ich bin überzeugt, daß seine Heftigkeit gegenüber „bullshit“ die Kehrseite seiner früheren Exzesse war). Sein atheoretischer Stand war, wie mir scheint, am reinsten und haltbarsten in Hinblick auf die Ansicht, daß die therapeutische Tätigkeit durch die Hemmung des Begriffsdenkens intensiviert und durch Intuition besser gelenkt werden kann als durch diskursives „Kalkulieren“. Mit Sicherheit hatte es nichts mit der Anschauung zu tun, daß Therapeuten unwissend sein sollten.

Soweit habe ich das meiste zum neuen Titel meines Buches gesagt, bleibt mir also nur noch daraufhinzuweisen, daß Gestalt als Weg nicht nur insofern eine Erfahrungswissenschaft ist, als sie – vom Gesichtspunkt des Therapeuten – aus der Erfahrung heraus arbeitet, sondern als sie für das Individuum, das sich ihr unterzieht, durch das Durchmachen von Erfahrungen einen Weg bietet – einen Weg, bei dem der Anstoß zum Weitermachen sozusagen durch das Erfahren selber entsteht – durch Vertiefung der Bewußtheit und Klärung des erfahrenen Verständnisses (dies umfaßt die Erfahrung und das Verstehen der eigenen Haltung angesichts der Erfahrung). Wie Fritz Perls’ Vermächtnis an die zeitgenössische Psychotherapie viel umfassender war, als nur als Anstoß für ein Spezialgebiet zu dienen, hoffe ich, daß das vorliegende Buch auch all jenen dienen möge (wie Abe Levitsky in seinem großherzigen Vorwort vorwegnimmt), die an Therapie allgemein interessiert sind, einschließlich derer, die weder Experten noch Berufspsychologen sind. Insbesondere hoffe ich, daß es all jene inspirieren und stimulieren möge, die mit dem wachsenden Netzwerk psychologisch fundierter Hilfs- und Begleittherapiegruppen zu tun haben.

CLAUDIO NARANJO

Berkeley, Kalifornien

1992

Gestalt - Präsenz - Gewahrsein- Verantwortung:

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