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Geld

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Von Volker Maaßen

Ein langer und kalter Winter war zu Ende gegangen. Der Mast der MÖWE, einer zehn Meter langen Segelyacht, stand wieder fest im Mastschuh, die Teakhölzer strahlten unter der neuen Politur, und die aufgeladenen Batterien waren angeschlossen. Nur das Aufräumen der diversen Schubladen verzögerte sich immer wieder. Nicht, weil ihre Inhalte so unordentlich waren, eher, weil bei der Durchsicht der verschiedenen dort abgelegten Dinge, so viel Überraschendes zu Tage trat.

Willy, Skipper und absoluter Herrscher auf der MÖWE, blieb immer wieder mit seiner Phantasie hängen, ähnlich, wie beim Aufsuchen eines unklaren Begriffes im Brockhaus, oder wie beim Googeln.

Da fand er zwischen zerknitterten Einkaufszetteln einen Notizblock mit Telefonnummern, die ihm zunächst wenig sagten. War da nicht die Blumenverkäuferin aus Sonderburg dabei, oder das Durchgestrichene, war das nicht die Nummer der Hafenmeisterin aus Lemkenhafen auf Fehmarn?

Nein, die Schlüssel für die Sanitärzonen der diversen Häfen würde er natürlich nicht wegschmeißen. Allerdings hatten diese, soweit er sich erinnern konnte, schon vor zwei Jahren dort gelegen und mit großer Wahrscheinlichkeit war an viele Türen inzwischen ein völlig neues System angebaut, das man nicht mehr mit einem Schlüssel, sondern häufig nur durch Intelligenz knacken konnte.

In der untersten Schublade fand er in einer Plastikdose Geldstücke aus fremden Ländern.

Dänische, schwedische und norwegische Kronen, darunter auch Lire und Markstücke aus Finnland und natürlich auch aus Deutschland. In einer Zigarrenkiste daneben lagerten dieselben Währungen in Scheinen.

Welche Abenteuer steckten wohl dahinter, dachte Willy, doch das waren andere Geschichten. Jetzt, nach Einführung der Eurowährung, war alles irgendwie gleichgeschaltet. Praktisch war es. Viel zu praktisch für einen Urlaub. Vor allem aber gab es keinen Spielraum mehr zum Träumen.

Mit einer Hand schätzte Willi das Gewicht der Münzen. Wenn er allein den Wert des Kupfers berechnete, würde sich schon eine ganz schöne Summe ergeben. So war es früher ja auch gedacht, der Wert des verarbeiteten Metalls machte den Wert des Geldes aus. Der Effekt war dann natürlich, dass derjenige, der reich war, auch viel zu tragen hatte. Man konnte seinen Reichtum gleichsam körperlich spüren. Wie beglückend war es doch einen goldenen Taler in der Hand zu haben. Man konnte aber auch rechtzeitig erkennen wann es zu viel war. Mit der Einführung des Papiergeldes war es dann schon möglich gewaltige Reichtümer in einem Seesack mit sich herumzuschleppen.

Das machten wohl auch jetzt noch einige Weltenbummler so, die in schwer erreichbaren hinteren Ecken ihrer Boote ihre Geldreserven zu verstecken pflegten. Allerdings war doch wohl eher eine international gültige Scheckkarte von Vorteil, wenn auch für diese Prozedur der Gegenwert an Geld auf der Bank liegen musste.

Bei der MÖWE war das der Fall. Leider ging der Pegel auf seinem Bankkonto nicht nur gelegentlich in rasendem Tempo hoch sondern leider auch runter ohne dass Willy viel davon merkte. Ob er ein neues Segel oder auch nur weitere Schäkel kaufte, er schob doch immer die gleiche Kreditkarte in den entsprechenden Automaten.

Nur wenn er gerade mal am Freitagabend schnell noch ein paar Scheine für das Wochenende ziehen wollte, tauchte immer mal wieder eine nicht gerade beruhigende, seelenlose Information auf dem Display mit dem Hinweis auf, dass für heute das Tageslimit überschritten sei.

Willy hatte erst ein gutes Gefühl, wenn er das Geld in der Hand spürte. Besonders, wenn er diese Summe mit einer Leistung in Verbindung bringen konnte, die er unmittelbar vorher erbracht hatte.

Er wusste noch genau wie er stolz die 8 Mark fünfzig in die Hosentasche geschoben hatte, die er als Junge für das Kartoffelsammeln beim Bauern erhalten hatte. Und auch vor zwei Monaten war ein wohliges Gefühl in seiner Brust aufgetaucht, als er das Boot eines Anglers, dem sein Außenborder nicht mehr gehorchen wollte, in den heimatlichen Hafen geschleppt hatte und er dafür 20 Euro einstecken konnte. Natürlich hatte Willi zunächst dankend abgelehnt. War doch selbstverständlich, diese Hilfe. Sogar für Angler. Aber schön war es doch so einen Schein zwischen den Fingern zu fühlen.

Auch bei der sogenannten Steinwährung, die noch heute auf der Südseeinsel Ulithi in Mikronesien eine Bedeutung hat, soll der Wert des Geldes an den Mühen, sogar auch an den Gefahren gemessen worden sein, die mit dem Erwerb dieses Geldes verbunden waren.

Diese Steine wurden auf der Insel Palau, die 240 Meilen von ihrem Geltungsbereich entfernt liegt, aus den dortigen Felsen gehauen und auch noch dort in der Mitte mit einem Loch zum Tragen versehen.

Der Transport der Steine, die man dazu auf einen kräftigen Stock aufzog, war mühsam und nicht selten auch gefährlich, hatte dieses Geld doch gelegentlich ein Gewicht von 2 Tonnen mit einem Durchmesser bis zu 12 Fuß. Weil gerade die großen Steine besonders mühsam und gefährlich in den kleinen Katamaranen zu transportieren waren, richtete sich ihr Basiswert nach dem Gewicht der Steine. Besonders große Steine wurden im flachen Wasser so aufgestellt, dass die Transportflöße um diese Ungetüme herum gebaut werden konnten. Wenn einer der Eingeborenen bei der Überfahrt verunglückte oder sogar ertrank, gab das diesem Stein einen besonderen Wert. Ist dann auch mal der Stein selbst über Bord gegangen oder gar zusammen mit dem Boot abgesoffen, blieb interessanterweise sein Wert erhalten, auch wenn dieses Zahlungsmittel nie in Ulithi ankam.

Man konnte mit dem in der Tiefe der Südsee ruhenden Stein zu Hause ohne Mühe ein Grundstück erwerben. Selbst die Bank von Hawaii ließ solche Steine bis zum Jahr 1990 noch als Kreditsicherheit gelten. Nichts anderes bedeuteten ja auch heute Depot- und Wertpapiere.

Als dann die Dampfschiffe auch in der Südsee die Segelboote verdrängten, war es mit der Ökonomie-Romantik vorbei. Nach einer kurzen Zeit des Überflusses brach durch eine inflationäre Häufung dieser Lochsteine auf Ulithi der gesamte Markt zusammen.

Willy markierte auf seiner Weltkarte, die direkt an der Trennwand zur Nasszelle unter dem Barometer angepinnt war, mit einem dicken Kreis diese in der Südsee versteckte Insel.

Wenn seine MÖWE irgendwann einmal bis zum Pazifik vordringen sollte, musste hier natürlich Halt gemacht werden. Vielleicht könnte er in diesem Paradies doch noch Reichtümer erwerben. Leuten, die mit Steinen bezahlten, fühlte er sich irgendwie kaufmännisch überlegen. Möglicherweise eine Gelegenheit, die alten, ausgedienten Scheine und Münzen aus seinen Kisten und Kästchen gewinnbringend anzulegen.

Mit dieser Erkenntnis schloss Willy die Schublade und stellte erstaunt fest, wie weit die Zeit inzwischen vorangeschritten war. Wieder einmal war er Opfer einer seiner Traumreisen geworden, und wieder einmal waren die Schapps und Schränke nicht aufgeräumt worden. Aber beim nächsten Mal…

Dünen, Sand und Meer

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